Urteil: Ärzte dürfen nicht unbeschränkt Zweigstellen eröffnen
10.02.2011
Ärzte dürfen nur unter bestimmten Voraussetzungen eine Zweigpraxis eröffnen. Das Bundessozialgericht Kassel hat für die Eröffnung mehrerer Praxen in einem aktuellen Urteil den Rahmen relativ eng gesteckt.
Das Bundessozialgericht urteilte, dass eventuelle Zweigstellen von Arztpraxen nur zulässig sind, wenn sie nicht zu weit vom Hauptsitz entfernt liegen, denn die Qualität der Behandlung für die Patienten an dem neuen Standort müsse sich verbessern, ohne dass die Patienten am ersten Praxissitz schlechter gestellt werden. Insgesamt sind dem Urteil des Bundessozialgerichts zufolge maximal zwei Zweigstellen zulässig (Az: B 6 KA 7/10 R).
Verbesserung der medizinischen Versorgung entscheidend
Ob sich die medizinische Versorgung an dem Neuen Praxisstandort verbessert, ohne dass die Qualität der Behandlung am Hauptsitz leidet, wird dem Urteil des Bundessozialgerichtes nach maßgeblich durch die Entfernung zwischen der ersten Arztpraxis und einer möglichen Zweigstelle bestimmt. In dem zu verhandelnden Fall wollte ein Kinderkardiologe aus Fulda die Eröffnung einer Zweigpraxis in Bad Nauheim durchsetzen. Nachdem ihm des Sozialgericht Marburg die Eröffnung untersagt hatte, da die beiden Praxisstandorte 128 Kilometer auseinander liegen, zog der Kardiologe vor das Bundessozialgericht in Kassel, welches nun das Urteil bestätigte. Auch die Richter am Bundessozialgericht vertraten die Position, dass aufgrund der großen Distanz die Versorgung der Patienten in der ersten Praxis gefährdet sei, wenn der Arzt in 128 Kilometer Entfernung Patienten behandle.
Arzt muss bei medizinischen Notfällen anwesend sein
Zwar wollte der Arzt nach eigenen Angaben nur etwa sechs Stunden pro Woche an dem neuen Standort praktizieren, doch da er der einzige Kinderkardiologe in Fulda ist, könne er in akuten Situationen und medizinischen Notfälle nicht rechtzeitig an seinem Hauptsitz sein, urteilte das Bundessozialgericht. Der Arzt hatte mit Hilfe seines Rechtsanwaltes versucht, das Gericht davon zu überzeugen, dass Notfälle bei seinen Patienten keinen Versagungsgrund für eine Zweigpraxis bilden, da seine Tätigkeit vor allem aus Ultraschall-Untersuchungen bestehe und dies keine „notfallträchtige Tätigkeit“ sei. Wie bereits das Sozialgericht Marburg (Az: S 12 KA 160/09) zuvor, hat nun jedoch auch das Bundessozialgericht dem Arzt die Eröffnung der Zweigstelle untersagt.
Ausnahme der Beschränkungen für Medizinische Versorgungszentren
In einem weiteren Urteil zu der maximal zulässigen Anzahl von Zweigpraxen entschied das Bundessozialgericht am Mittwoch, dass diese Regelung nicht für so genannte Medizinische Versorgungszentren (MVZ) gilt. Wie auch die Vorinstanzen – das Sozialgericht Dresden (Az: S 11 KA 46/08) und das Sächsisches Landessozialgericht (Az: L 1 KA 8/09) – kam das Bundessozialgericht zu dem Schluss, dass die Vorschrift der maximal zwei Zweigpraxen je Arzt nur für den Arzt als Person gelte, sich jedoch nicht auf die Rechtsform des MVZ beziehe. Denn hier arbeiten meist mehrere Ärzte (teilweise auch in Festanstellung) unter einem Dach, so dass keine entsprechenden Einschränkungen der Behandlungsqualität zu erwarten seien. Allerdings seien die in einem MVZ arbeitenden Ärzte weiterhin daran gebunden, in maximal zwei Zweigstellen zu praktizieren. In dem Verfahren des Bundessozialgericht mussten die Richter über das Anliegen eines MVZ in Dresden entscheiden, dem bereits zwei Zweigstellen angehören und das zwei weitere eröffnen wollte. Die Kassenärztliche Vereinigung hatte die Eröffnung weiterer Zweigstellen mit der Begründung untersagt, dass generell maximal zwei Zweigstellen zulässig seien. Das Bundessozialgericht entschied, dass die Kassenärztliche Vereinigung nun auf Basis des Urteils neu entscheiden muss.
Angesichts der Diskussion, um die Problematik der Nachwuchsmediziner überhaupt einen von der Kasse zugelassenen Standort zu finden, ohne für die Übernahme einer bestehenden Arztpraxis tief in die Tasche greifen zu müssen, scheint es nur logisch, dass das Bundessozialgericht den Rahmen für die Eröffnung von Zweigpraxen relativ eng gesteckt hat. Denn insbesondere in Städten haben Nachwuchsmediziner bisher oft schlechte Perspektiven. Der Markt ist besetzt. Und da Ärzte auch im Fall des persönlichen Ruhestandes für die Praxisweitergabe meist erhebliche Summen verlangen – der Praxisverkauf bildet häufig einen Teil der Altersabsicherung – haben die nachrückenden Mediziner keine andere Option, als sich einzukaufen. (fp)
Bild: Claudia Hautumm / pixelio.de
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