Mehr als die Hälfte der Ärzte in Deutschland hat schon einmal aus Kostengründen auf eine nützliche Behandlung verzichtet und statt dessen zu einer Alternative gegriffen.
24.11.2010
Laut einer Umfrage des Forschungsinstituts Allensbach hat jeder zweite deutsche Arzt schon einmal aus finanziellen Gründen einen Patienten nicht die volle notwendige Behandlungen zu kommen lassen. Zwölf Prozent der Mediziner gaben sogar an, diese kostensparende Maßnahme schon mehrmals durchgeführt zu haben.
Jeder zweite Arzt hat schon einmal eine nützliche Behandlung aus Kostengründen nicht durchgeführt
Das Meinungs- und Forschungsinstitut Allensbach hat gemeinsam mit dem Finanzdienstleister MLP eine Gesundheitsstudie unter Medizinern und Patienten durchgeführt. Im Verlauf der Umfrage wurden in ganz Deutschland 524 Ärzte zu ihrem Umgang mit Patienten befragt und welche wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Praxis-Alltag auftreten können. Demnach gab mehr als jeder zweite Arzt (55 Prozent) an, bei einem Patienten schon einmal nicht die volle notwendige medizinische Behandlung angewandt zu haben. 42 Prozent der Mediziner gaben an, dass sie aus Gründen des Kostendrucks noch nie nützliche Therapien einem Patienten unterschlagen haben. 12 Prozent der Mediziner gaben an, schon mehrmals nötige Behandlungen nicht durchgeführt zu haben.
70 Prozent der Behandlungen sind unnötig?
Laut der „Bild“ wurden auch insgesamt 1800 Patienten zu ihren Erfahrungen und Eindrücken in Arztpraxen befragt. 35 Prozent der Befragten gaben an, schon einmal das Gefühl gehabt zu haben, eine Behandlung oder ein Arzneimittel aus Gründen der anfallenden Kosten von einem Arzt nicht erhalten zu haben. Bei den Versicherten einer privaten Krankenversicherung kam dieser Eindruck nur in neun Prozent zustande. Zudem sagte eine Mehrheit der befragten Ärzte (70 Prozent), dass sie der Meinung sind, dass sich ihre Patienten oftmals unnötig behandeln lassen. 28 Prozent gaben an, dass unnötige Arzttermine der Patienten eine Ausnahme seien. Mehr als jeder zweite Patient hat zudem Angst davor, dass er aus Kostengründen im Gesundheitswesen nur eine eingeschränkte oder unzureichende Gesundheitsleistung von seinem behandelnden Arzt erhält.
Das Ergebnis ist nicht neu
Schon einmal kam eine ähnlich gelagerte Studie unter Klinik-Ärzten zu fast identischen Ergebnissen. So befragte die Universität Tübingen im Jahre 2009 1137 zufällig ausgewählte Krankenhausärzte. In dieser Studie gaben 77 Prozent der Mediziner an, schon einmal notwendige Gesundheitsmaßnahmen nicht durchgeführt zu haben. Statt dessen wurde die nützliche Therapie durch eine preiswerte und weniger effektive Behandlung ersetzt. 13 Prozent gaben damals sogar an, mindestens einmal in der Woche nützliche Gesundheitsleistungen aus Gründen der Kosten dem Patienten vorzuenthalten.
Mögliche Hintergründe
Einige Behandlungen sind bei den Krankenkassen in der Kombination mit einzelnen Krankheiten nicht oder noch nicht anerkannt, so dass einige Honorare entsprechend den Ärzten nicht zurück erstattet werden. Ein anderes Problem könnten die unzureichend bemessenen Jahresbudgets der Kassen sein. Anfang November klagte beispielsweise der Bundesverband der Zahnärzte über unzureichende Budgets für Zahnbehandlungen. Patienten der gesetzlichen Krankenkassen bekämen teilweise in diesem Jahr keine Zahnarzttermine mehr zugewiesen, da die anfallenden Kosten den Zahnärzten nicht mehr erstattet werden. Der Verband der Krankenkassen wies die Kritik von sich und machte darauf aufmerksam, dass Notfälle dennoch behandelt werden müssen, ansonsten verhielten sich die Ärzte rechtswidrig. Der Verband ruderte daraufhin zurück und erklärte, dass die medizinische Verhandlung selbstverständliche gewährleistet sei.
In dem aktuell erschienen Gesundheitsreport wurden neben den Versorgungsleistungen auch die Meinung zur geplanten Gesundheitsreform hinterfragt. So gaben die Umfrageteilnehmer auch an, wie ihre Meinung zu den geplanten Zusatzbeiträgen ist und wie sie die Veränderungen des paritätischen System einschätzen. Erstmals wurde die Bewertung des Bundesdeutschen Gesundheitssystem in einen internationalen Vergleich gesetzt. So wurden auch Versicherte in den Niederlanden, der Schweiz und Schweden befragt, um einen Nachbarländer-Vergleich aufstellen zu können. (sb)
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Autoren- und Quelleninformationen
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