AOK-Chef kritisiert schwarz-gelbe Gesundheitsreform
(09.08.2010) Das Vorhaben der Bundesregierung die gesetzlichen Krankenkassen künftig wie Privatunternehmen zu behandeln, stößt in der Branche auf massive auf Kritik. So warnt z. B. Herbert Reichelt, Chef der AOK, in einem Interview gegenüber der „Frankfurter Rundschau“ vor den „schlimmen Folgen“ für die Patienten und stützt seine Argumentation dabei insbesondere auf das Kartellrecht, dem auch die Kassen als Privatunternehmen unterliegen würden. Reichelt zu Folge drohen den Patienten langfristig hohe Mehrkosten, wenn die Grundprinzipien der Krankenversicherung plötzlich vom Kartellrecht angegriffen würden.
Er denke dabei in erster Linie an die „Entscheidungen der gemeinsamen Selbstverwaltung der Kassen, unwirksame Medikamente oder Behandlungsmethoden aus dem Leistungskatalog auszuschließen.“ Sollten diese auf Basis des Kartellrechts angezweifelt werden und künftig keinen Bestand mehr haben, würden erhebliche Mehrkosten anfallen, die über Zusatzbeiträge allein von den Versicherten zu tragen wären. Ebenso betroffen könnten die Rabattverträge der Kassen mit den verschiedenen Pharmaunternehmen sein, durch die z. B. allein das AOK-System jährlich rund 500 Millionen Euro spart. Wenn sämtliche Rabattverträge aufgrund des Kartellrechts wieder vor Gericht landen und Verfahren die längst zu Gunsten der Kassen entschieden wurden, wieder aufgerollt werden, drohen den Versicherten auch hier erheblich höhere Kosten.
Reichelt betonte, das „Krankenkassen (…) keine gewinnorientierten Unternehmen (seien), deren Wettbewerb untereinander erst durchs Kartellrecht in geordnete Bahnen gelenkt werden müsse.“ Kartelle werden von Krankenkassen nicht zur Gewinnmaximierung oder zum Schaden der Verbraucher gebildet und sollten daher auch nicht unter das Kartellrecht fallen, so Reichelt weiter. Eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministerium hielt dem entgegen, dass Union und FDP sich darauf verständigt hätten, das Kartellrecht nur auf bestimmte Vertragsbeziehungen anzuwenden, um eine mittelstandsfreundliche Lösung zu erreichen, die gleichzeitig eine größere Marktmacht bei Vertragsverhandlungen verhindert
Auch die Zusatzbeitrag stoßen bei Reichelt auf Kritik und er macht deutlich, dass insbesondere Versicherte mit geringem Einkommen wie z. B. die Empfänger von ALG II oder Rentner mit diesen zusätzlichen Zahlungen zu stark belastet werden. Er fordert daher im Interview gegenüber der Frankfurter Rundschau, dass die Zusatzbeiträge der Rentner von der Rentenversicherung und die der Hartz-IV-Empfänger von den Arbeitsagentur übernommen werden sollten. Ansonsten würde, so Reichelt, die Zahl der Mahn- und Inkassoverfahren massiv ansteigen, wodurch einerseits ein enormer Verwaltungsaufwand und anderseits massive Probleme bei den Betroffenen ausgelöst würden. Den geplanten Sozialausgleich, der bei den Zusatzbeiträge der Geringverdiener greifen und diese unterstützen soll, beurteilt der AOK-Chef ebenfalls kritisch, denn wie die Regierung einen unbürokratischen Ausgleich schaffen wolle, der auch in der Praxis funktioniert, bleibt offen. (sb)
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