Umfrage unter Führungskräften: Jeder dritte Vorgesetzte lässt kranke Mitarbeiter arbeiten
13.12.2012
Eine aktuelle Umfrage der Personalberatung LAB & Company hat ergeben, dass jeder dritte Chef seine Angestellten arbeiten lässt, obwohl sie offensichtlich krank sind. Demnach schicken nur zwei von drei Vorgesetzte ihre Mitarbeiter nach Hause, wenn sie über Husten, Schnupfen oder Fieber klagen. 18 Prozent der Chefs loben sogar den Einsatz ihrer kranken Mitarbeiter. Und einige wollen Prämien anbieten, damit die Krankheitstage gesenkt werden.
Die Krankheit eines Angestellten heißt für viele Arbeitgeber nicht, dass die Erkrankten auch zuhause bleiben dürfen. Bei einer Umfrage unter leitenden Angestellten und Unternehmern gaben 17 Prozent an, dass sie es „gut finden“, wenn Mitarbeiter trotz eines grippalen Infekts oder Fieber zur Arbeit kommen. Das ergab eine Studie der Personalberatung LAB & Company und Forschern der Hochschule Coburg ergeben.
Trotz Krankheit arbeiten lassen
An eine Umfragestudie nahmen insgesamt 381 leitende Mitarbeiter aus verschiedenen Hierarchieebenen teil. Rund 92 Prozent der befragten Teilnehmer waren männliche Manager. Ziel der Untersuchung war, herauszufinden, wie Führungskräfte auf die Erkrankung ihrer Untergebenen reagieren und wie sie selbst mit ihrer Arbeitsmoral und Gesundheit umgehen. Dabei kam zutage, dass vermeintliche „Tugenden“ in den Betrieben noch immer Hochkonjunktur haben. Denn viele Chefs lassen ihre Mitarbeiter arbeiten, obwohl diese deutliche Anzeichen einer Krankheit zeigen. Über die Ergebnisse zeigten sich auch der Leiter der Studie „erschrocken“. Offensichtlich gilt die „Anwesenheit am Arbeitsplatz in Deutschland noch immer als Leistungs- und Karrierekriterium – auch wenn das zu Lasten der eigenen Gesundheit geht", sagte der Professor für Soziale Arbeit und Gesundheit an der Hochschule Coburg, Prof. Eberhard Nöfer.
Im Studienverlauf sollten sich die Führungskräfte bestimmte Situationen vorstellen, die in der Realität so oder so ähnlich passieren können. Dabei wurden auch verschiedene Signale wie „wichtiger Mitarbeiter“ oder „sehr dringendes Projekt“ mit eingebaut. Dabei waren mehrere Antworten möglich. Eine Frage lautet zum Beispiel: "Sie sitzen mit Ihrem Team an einem sehr dringenden Projekt. Ein wichtiger Mitarbeiter erscheint mit einer fiebrigen Erkältung zur Arbeit. Was tun Sie?"
„Wer trotz Erkrankung bleibt, identifiziert sich mit der Firma“
Auf diese Frage reagierten immerhin zwei Drittel der Befragten konsequent im Sinne der Gesundheit des Angestellten. Sie würden auch bei einem „dringenden Projekt“ und sei es „ein wichtiger Mitarbeiter“ ohne Diskussion für den Heilungsprozess nach Hause schicken. 26 Prozent der Vorgesetzten sagten aber, dass sie es versuchen würden, den Mitarbeiter zum „Home-Office“ zu bewegen und einen Heimarbeitsplatz einzurichten. 14 Prozent entschieden sich für die Antwort: „Unsere Mitarbeiter sind erwachsen und können selbst entscheiden, was für sie richtig ist" und rund 18 Prozent befanden, dass sie es gut finden würden, wenn der Mitarbeiter bliebe, weil damit offenkundig werden würde, dass sich der „Mitarbeiter mit seiner Aufgabe identifiziert“.
Führungskräfte arbeiten lange und achten selbst kaum auf ihre Gesundheit
In der zweiten Runde sollten die Manager sich selbst einschätzen. Dabei zeigte sich, dass die eigene Gesundheit bei Chefs nur zweitrangig ist. Die zu beantwortende Frage lautete: "Stellen Sie sich vor, Sie haben eine mittelschwere Erkältung. Was tun Sie?" Nur etwa neun Prozent gaben an, zu Hause zu bleiben und damit die volle Arbeitsfähigkeit und Gesundheit wieder herzustellen. Die Mehrheit, nämlich sagten: „Ich würde dennoch zur Arbeit gehen“.
Die Einstellung zur eigenen Gesundheit passt auch zu den Karrieremöglichkeiten in dem eigenen Betrieb. 63 Prozent der Befragten gaben an, dass vor allem Mitarbeiter zu Führungsaufgaben berufen werden, die besonders lange Arbeitszeiten vorweisen. Nicht unbedingt hat das mit einem übersteigerten Arbeitswahn zu tun, sondern eher mit einer hohen Arbeitsdichte. Ein Teilnehmer betonte, dass ohne „Zwölf-Stunden-Schichten“ das Arbeitspensum nicht mehr zu bewerkstelligen sei. Und ein anderer sagte: "Gute Ergebnisse hängen meist mit der Bereitschaft zu mehr Zeiteinsatz zusammen." Eine Metastudie zum Präsentismus kam unlängst zu dem Ergebnis, dass zunehmend immer mehr Arbeitnehmer in Deutschland auch krank zur Arbeit gehen.
Kündigung oder Prämien
„Muss ein Angestellter Angst um seine Arbeitsstelle haben, wenn er krankgeschrieben ist?“ 17 Prozent der Chefs vertraten die Position, dass es besser sei, sich von häufig erkrankten Mitarbeitern mittels Kündigung zu trennen. Andere (8 Prozent) meinten, dass Prämien für seltenes Fehler am Arbeitsplatz eine gute Möglichkeit sei, die Krankenrate zu senken. Die Mehrheit (81 Prozent) betonte aber, dass „Unternehmen mit einem guten Gesundheitsmanagement die seelische und körperliche Befinden der Mitarbeiter fördern können“. 72 Prozent meinen, dass Krankenschreibungen minimiert werden könnten, wenn das Betriebsklima verbessert wird.
Ist es aber leicht das Betriebsklima zu verbessern? Wenn die Arbeitsdichte hoch und die Konkurrenz zwischen den Mitarbeitern stark ausgeprägt ist, liegt es nahe, dass darunter auch das Klima bei der Arbeit leidet. Zwar wird offenkundig der Wunsch nach einem Verbesserung des Betriebsklimas von der Mehrheit der Leitungskräfte unterstützt, doch wenn dabei Kosten mit berücksichtigt werden müssen, hat sich das Thema Befindlichkeiten und Wohlfühlen in den meisten Arbeitsstätten seitens des Führungspersonals wieder erledigt. Die Gesundheit der Angestellten wird noch immer kaum als eine Investition und wirtschaftliches wichtiges Gut begriffen. "Am Ende zahlt die Gesellschaft die Zeche für die steigende Zahl der Burnout-Fälle, Frühpensionierungen und für eine abnehmende Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft", warnt Klaus Aden von der Personalberatung LAB & Company. Der Leistungsanspruch und die hohe Dichte der Arbeit wird nicht nur der Wirtschaft sondern auch der Gesellschaft schon bald auf die Füße fallen. (sb)
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Bild: Benjamin Thorn / pixelio.de
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