Dicke zeugen Diabetiker-Nachwuchs? Eine Studie untersuchte den Zusammenhang von Diabetes und Ernährungsgewohnheiten der Eltern in einer Versuchsreihe.
(21.10.2010) Fettreiche Ernährung der Väter kann bei den Nachkommen Diabetes auslösen. Zu diesem Ergebnis kommen die Forscher um Margaret J. Morris von der University of New South Wales, Sydney in einer jetzt im Fachmagazin „Nature“ veröffentlichten Studie. Bisher gingen die Fachleute davon aus, dass lediglich die Ernährungsgewohnheiten der Mütter Auswirkungen auf den Stoffwechsel der Kinder haben. Jetzt liefern Tierversuche mit Ratten den Beweis dafür, dass auch einen Abhängigkeit von dem Essverhalten des Vaters besteht und zudem Umweltfaktoren genetisch vererbt werden können.
Fettreiche Ernährung erhöht Diabetes-Risiko der Nachfahren
Die australischen Wissenschaftler verabreichten im Rahmen ihrer Studie männlichen Testratten über einen längeren Zeitraum sehr fettreiche Nahrung, so dass diese übergewichtig wurden und Anzeichen einer Diabetes-Typ-II-Erkrankung aufwiesen. Nachdem sich die entsprechenden Ratten mit gesunden weiblichen Tieren gepaart hatten, wurde der Nachwuchs anschließend umfassend untersucht. Dabei beschränkten die Wissenschaftler ihre Untersuchungen auf die weiblichen Nachkommen, um geschlechtsspezifische Einflussfaktoren auszuschließen.
Das Forscherteam um Margaret J. Morris stellte fest, dass die Tiere zwar in ihrer Kindheit ein normales Körpergewicht hatten, später jedoch eine Neigung zu Diabetes und eine veränderte Genregulation bei der Bildung von Insulin in der Bauchspeicheldrüse aufwiesen. Demnach haben die fettreich ernährten männliche Tiere, ungewöhnlich häufig weibliche Nachkommen gezeugt, die krankhaft insulinproduzierende Zellen in sich trugen. Bei den meisten weiblichen Nachkommen wurden im Erwachsenenalter die typischen Stoffwechselstörungen einer Typ-2-Diabetes festgestellt, erklärten die Wissenschaftler in ihrer aktuellen Veröffentlichung.
Epigenetischer Effekt -Umwelteinflüsse werden vererbt
Das interessante Ergebnis der Forscher hat unter den Fachleuten international für Aufsehen gesorgt, da der sogenannte epigenetische Effekt hier erstmals auch in Bezug auf die Ernährungsgewohnheiten der Väter wissenschaftlich eindeutig belegt wurde. Die in dem Tierversuch festgestellte Neigung der weiblichen Nachkommen zu Typ-II-Diabetes beruht demnach auf Vererbungswegen abseits der ursprünglichen genetischen Disposition der Eltern. Die Gene veränderten sich offensichtlich nachträglich im Zuge der Ernährungsgewohnheiten.
Hier greift nach Ansicht der Forscher der epigentische Effekt. Die Epigenetik bietet ein Erklärungsmodell für den Einfluss der Umwelt auf unsere Gene. Dabei gehen die Fachleute davon aus, dass sich das ebenfalls auf den Nachwuchs übertragbare sogenannte Epigenom im Zuge von Umwelteinflüssen sehr viel leichter verändert als das Genom. Dies ist auch ein Grund dafür, warum sich zum Beispiel Menschen mit identischen Genen deutlich voneinander unterscheiden. In Abhängigkeit von den Umwelteinflüssen werden an bestimmte DNA-Bausteine chemische Gruppen angelagert, welche Gene regulieren, aktivieren oder auch stilllegen können.
Auswirkungen der Ernährung bisher nur für Mütter untersucht
Das mittels des epigentischen Effekts Einflüsse der Mutter auf das Kind übertragen werden, ist dabei seit längerem wissenschaftlich eindeutig geklärt. Studien haben belegt, dass männliche Mäuse schwerer und häufiger zuckerkrank sind bzw. Insulinresistenzen entwickeln, wenn ihre Mütter sich fettreich ernährt haben. Dabei pflanzten sich die Resistenzen teilweise bis in die dritte Generation fort. Außerdem hat eine weitere Studie erwiesen, dass die Fellfarbe von Nachkommen nährstoffreich ernährten Muttertieren sich verändert und sich dies bis in die zweite Generation bzw. bis auf die Enkel überträgt. Die Disposition durch den Lebensstil und die Ernährungsgewohnheiten der Väter, war bisher jedoch umstritten. So war es erklärtes Ziel der Studie herauszufinden, ob auch die Ernährungsgewohnheiten des Vaters Einfluss auf die Gesundheit der nächste Generation haben. Da allerdings nur die weiblichen Nachfahren untersucht wurden, kann über die Einflüsse der Ernährungsgewohnheiten und des Lebensstils auf den männlichen Nachwuchs bisher keine Aussage getroffen werden.
Veränderte Spermien durch fettreiche Ernährung
Die australischen Forscher gehen davon aus, dass bei der jetzigen Studie der epigentische Effekt im Zuge der Spermatogenese zum tragen kam. Der Fettkonsum der Vatertiere habe die Spermien verändert, so die Erklärung der Wissenschaftler. Indizien sprechen dabei für eine epigenetische Veränderungen, bei der sich sich nicht die DNA selbst, sondern lediglich die Expression der Gene und in Folge das Epigenom verändert hat. Der hohe Körperfettanteil bei den männlichen Ratten hat nach Ansicht der Experten unter anderem Einfluss auf die Temperatur in den Hoden und durch die Stoffwechselstörungen der Ratten-Väter entstehen Nebenprodukte, welche die Keimzellen direkt schädigen. Daher führt eine fettreiche Ernährung der Väter zu Schädigungen der Spermien, die auch bei den Töchtern Diabetes-Symptomen im Erwachsenenalter zur Folge haben. So werden bestimmte Umweltfaktoren über das Erbgut weitergegeben und auch der Lebensstil der Väter hat erheblichen Einfluss auf mögliche Erkrankungen der Kinder. Daher werden auch zukünftige Generationen noch die Folgen unseres heutigen Lebenswandels am eigenen Körper spüren.
Typ-II-Diabetes weltweit auf dem Vormarsch
Bei der Typ-2-Diabetes treten unterschiedliche Kombinationen von Insulinresistenz, Hyperinsulinismus, relativem Insulinmangel und Sekretionsstörungen auf, wobei die Hauptursache der Erkrankung meist durch Überernährung ausgelöster, im Laufe des Lebens stark steigender, Insulinbedarf ist. So besteht auch ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Adipositas (Fettleibigkeit) – neben dem Rauchen größtes Gesundheitsrisiko in den westlichen Industrieländern – und dem Diabetes-Risiko. Unter den Diabetes-Erkrankungen bildet Typ-II-Diabetes mit über 90 Prozent der Fälle das mit Abstand häufigste Krankheitsbild. Mehr als sechs Millionen Menschen sind nach Schätzung der Gesundheitsbehörden und der International Diabetes Federation (IDF) in Deutschland davon betroffen, rund 260 Millionen sind es weltweit.
Dabei nimmt die Zahl stetig zu und aktuelle Schätzungen gehen jetzt schon davon, dass im Jahr 2030 etwa 400 Millionen Menschen weltweit an Typ-II-Diabetes leiden werden. Dass die Ernährungsgewohnheiten und der Lebensstil der Eltern hier einen erheblichen Einfluss auf spätere Erkrankungen der Kinder hat, könnte für die Präventionsarbeit von akuter Bedeutung sein. Denn Eltern, die sich ungesund ernähren, gefährden damit nicht nur die eigenen Gesundheit sondern auch die späterer Nachkommen. Umgekehrt gilt, ein gesunder Lebensstil stärkt die Gesundheit des Nachwuchses. Generell sollte dabei der Einfluss von Umweltfaktoren auf die genetische Disposition bestimmter Krankheiten nicht länger unterschätzt werden, wie auch die jetzige Veröffentlichung „Chronic high-fat diet in fathers programs b-cell dysfunction in female rat offspring" von Margaret J. Morris und Kollegen im Fachmagazin „Nature“ zeigt. (fp)
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Bild: Sigrid Rossmann / pixelio.de
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