Genmanipulierte Hühner immun gegen Vogelgrippe
15.01.2011
Wie weit darf Forschung gehen? Wissenschaftler der der University of Cambridge sowie der University of Edinburgh haben das Erbgut von Hühner derart manipuliert, so dass die Tiere den Vogelgrippe-Virus A/H5N1 nicht mehr übertragen können. Bereits erkrankte Tiere sterben dennoch.
Das Wissenschaftsteam um Laurence Tiley berichten derzeit im Fachmagazin „Science“, dass sie in das Erbgut von Hühnern einen künstlich erschaffenes winziges Molekül verpflanzt haben, der in den Zellen der Versuchstiere ein Erbgutmolekül entstehen lässt. Dieses hieraus neu entstandene RNS Molekül (RNA, ribonucleic acid) blockiert nach Angaben der Forscher den für den A/H5N1 Erreger wichtigen Proteinstoff Polymerase, der für die Vermehrung der Viren unablässig ist. Durch die Genmanipulation soll verhindert werden, dass sich der Vogelgrippevirus vervielfältigt und auf andere Tiere überspringt. Infiziert sich nun ein genmanipuliertes Huhn mit dem Virus, können sich die Erreger in den Körperzellen der Tieres nicht mehr vermehren. Ursache hierfür ist die beschriebene Polymerase, die nun von dem RNA-Molekül blockiert wird. Somit wird die Vermehrung der Viren gestoppt, und der A/H5N1-Virus kann andere Tiere nicht mehr infizieren. Die bereits erkrankten Tiere sterben, wobei die gesunden nicht angesteckt wurden.
Die Wissenschaftler sprechen selbst von „ermutigenden Ergebnissen“, auch wenn weitere Forschungsarbeiten nötig wären, um die Resultate zu bestätigen. Explizit verweisen die Wissenschaftler darauf, dass die bisher genmanipulierten Hühner noch nicht für den Markt geeignet sind. "Unsere Hühner sind nur für die Forschung gedacht, nicht für den Verzehr", schrieb Studienleiter Tiley. (Wissenschaftsmagazin "Science" (Bd. 331, S. 223).
Vogelgrippe Pandemie-Warnstufe 3
Noch immer hat die Weltgesundheitsorganisation WHO für die Vogelgrippe die Pandemie-Warnstufe auf Drei gesetzt. Diese Stufe bedeutet, dass man seit dem Jahr 2006 auf den Ausbruch einer Pandemie wartet, da man davon ausgeht, dass irgendwann einmal der Virus mutiert. Denn der Erreger kann nicht nur von Tier zu Tier übertragen werden, sondern auch von Tieren auf den Menschen. Das könnte wiederum dazu führen, dass die Infektionsgefahr deutlich erhöht.
Ein gesteigertes Interesse an den Ergebnissen dürfte nicht so sehr bei der WHO liegen, sondern eher bei der Agrar- und Lebensmittelindustrie. In immer größeren Massentierproduktionsstätten werden immer mehr Tiere zusammengepfercht. Gerade einmal die Größe eines DIN A4 Blattes wird den Tieren zum Leben gegönnt. Die Tiere leiden in Stätten an ständigem Stress und als Folge daraus an einem geschwächten Immunsystem. Infiziert sich nur ein Tier, so ist die Ansteckungsrate enorm und alle Tiere müssen getötet werden. Das bedeutet wiederum für die Massentierstätte ein finanziell hohes Risiko.
Gegenüber dem englischen Fernsehsender „BBC“ zeigte sich die beteiligte Forscherin Helen Sang aus Edinburgh angesichts der erfolgreichen Studie sehr erfreut. Denn die Manipulation der Gene könnte unter Umständen ein besserer Schutz vor Vireninfekte sein, als jede Grippe-Schutzimpfung. Es könne sogar sein, dass Genmanipulation auch dann funktioniere, wenn der Vogelgrippe-Virus bereits mutierte. Für Geflügelbetriebe sei die angewandte Gentechnik eine kostengünstige und „effiziente Methode“. Diese Methode könne in naher Zukunft gegen alle möglichen Krankheiten eingesetzt werden, nicht nur gegen den H5N1 Virus. Denn zumeist leiden Tiere in Massenhaltungen nicht an dem Vogelgrippevirus, sondern aufgrund der Haltung oftmals an eigentlich harmlosen Infekten, die eine hoch „explosive Brutstätten für Krankheitskeime" sind, in denen selbst harmlose Keime ein ernsthaftes Gesundheitsproblem werden können, wie Tierschützer von "Tier & Mensch" immer wieder bemängeln. Um diese Situation zu entschärfen, soll anscheinend eine völlig genetisch verändertes Tier geschaffen werden, dass vermeintlich gegen alle Virenstämme immun wird.
Fortschritt im Sinne der Massentierhaltung oder der Gesundheit?
Völlig unklar ist bis heute, wie sich ein solch schwerwiegender Eingriff auf das Erbgut der Tiere auswirkt. Damit bleibt auch unklar, wie sich die Manipulationen beim Verzehr der Tiere beim Menschen auswirkt. Noch gibt es den kritischen Verbraucher, der nicht ohne weiteres genveränderte Hühner isst. Doch anstatt die Geflügelindustrie auf eine nachhaltige und ökologische Landwirtschaft setzt, werden immer mehr Forschungen voran getrieben, um die Massentierproduktion kostensenkend und gewinnbringend zu gestalten. Eine Zulassung des Verfahrens bei den Behörden dprfte derzeit schwierig werden, doch die Interessenverbände sitzen bereits in den Startlöchern, um die Gentechnik im Bereich der „Hühnerproduktion“ voranzutreiben. Gesunde Freilandtiere entwickeln nach Angaben von Tiermedizinern mit einem intaktem Immunsystem beispielsweise gegen den harmloseren H5N2-Virus schützende Antikörper auf natürlicher Weise. Eine Genmanipulation der Tiere wäre ein weiterer Schritt zur Unnatürlichkeit mit noch unabsehbaren Folgen für Tier und Mensch. (sb)
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Bild: schemmi / pixelio.de
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