Das Gesetz zur ärztlichen Versorgung soll 2011 überarbeitet werden: Krankenkassen fordern befristete Lizenzen statt bisherige Arztzulassungen.
31.12.2010
Mit seinem Vorstoß zur Überarbeitung des Kliniksektors hat Jens Spahn, Gesundheitsexperte der CDU, vergangene Woche die Diskussion über die Probleme der ärztlichen Versorgung neu ins Rollen gebracht. Im kommenden Jahr 2011 will der Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) dem Kabinett nicht nur einen Vorschlag zur Pflegereform sondern auch ein neues Versorgungsgesetz für die Behandlung der Patienten im Krankenhaus oder beim Arzt zur Entscheidung vorlegen.
Der von Jens Spahn in Bezug auf die Reform der ärztlichen Versorgung angebrachte Vorschlag, künftig auch Kassenpatienten Zweibettzimmer in Kliniken zu garantieren, wurde dabei nach anfänglicher Skepsis, vom Bundesgesundheitsminister wohlwollend aufgegriffen: „Das Ziel, auch gesetzlich Versicherte nur noch in Zweibettzimmern unterzubringen, ist ein guter Ansatz.“ Doch derartige Forderungen lassen sich auf Bundesebene nur schwer umsetzen, denn für die Kliniken sind die einzelnen Bundesländer verantwortlich. Ob diese angesichts der drohenden höheren Kosten bei Vorschlägen wie der Zweibettzimmerregelung mitziehen, ist jedoch fraglich. Daher will der Bundesgesundheitsminister im Vorfeld des Gesetzentwurfs in Zusammenarbeit mit den Bundesländern und Verbänden der Ärzte, Krankenkassen und Kliniken erarbeiten, wie genau ein entsprechendes Versorgungsgesetz aussehen könnte.
Kassenverband fordert Überarbeitung des Systems der Arztzulassungen
Auch die Vorsitzende des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband), Doris Pfeiffer, meldet sich angesichts der Vorhaben des Bundesgesundheitsministers zu Wort und betonte, dass sie den Verhandlungen mit großer Zuversicht entgegen sehe: „Ich bin froh, dass wir jetzt über die Versorgung der Patienten reden und nicht mehr nur über mehr Geld für Ärzte und Krankenhäuser," so Pfeiffer gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Insbesondere das starre System der Arztzulassungen müsse im Rahmen des neuen Versorgungsgesetzes dringend überarbeitet werden, so auch die Auffassung der Vorsitzenden des Kassenverbandes. „Ein Hauptproblem ist die gesetzliche Garantie für jeden Praxisinhaber, dass seine Praxis auch in einer völlig überversorgten Region weiterverkauft werden kann“, erklärte Doris Pfeiffer.
Zeitlich befristetet Lizenzen statt der bisherigen Zulassungen
Damit spricht die Chefin des GKV-Spitzenverbandes ein für die meisten Ärzte kritisches Thema an, denn der Weiterverkauf etablierter Praxen bildet bisher einen wesentlichen Aspekt in der Altersabsicherung der Mediziner. Über die Jahre habe sich dadurch ein Missstand bei der Verteilung der Arztpraxen eingestellt, so dass es aktuell in den Gebieten mit einer Überversorgung einen Überhang von 25.000 Ärzten gebe, in bestimmten Regionen mit Ärztemangel allerdings schätzungsweise nur 800 Ärzte fehlen, erklärte Pfeiffer. Insgesamt sei die Zahl der niedergelassenen Ärzte und der in Kliniken tätigen Mediziner in Deutschland mit je rund 140.000 so hoch wie nie zuvor, so die Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. „Offensichtlich haben wir ein Verteilungs- und kein Mengenproblem,“ betonte Pfeiffer. So wäre es ihrer Aussage nach in den wenig besiedelten Gebieten zwar durchaus angemessen, wenn Anreize für Hausbesuche gesetzt werden könnten, doch sollten diese Zuschläge nur gewährt werden, wenn im Gegenzug Abschläge in ärztlich überversorgten Gebieten erfolgen.
Ärztliche Versorgung am tatsächlichen Bedarf ausrichten
„Einfach noch mehr Geld für unterversorgte Regionen auszuloben, hielte ich für fatal“, warnte Doris Pfeiffer. Die Probleme der ärztlichen in ländlichen Gebieten lassen sich nicht durch eine erneute Belastung der Beitragszahler lösen, so die Vorsitzende des Kassenverbandes. Vielmehr gehe es darum die ärztliche Versorgung am tatsächlichen Bedarf auszurichten, das heißt auch in den unterversorgten Regionen Kapazitäten aufbauen und in den überversorgten Regionen abbauen, erklärte Pfeiffer. Einer der Vorschläge des GKV-Spitzenverbandes zur Umsetzung der Ziele, sind zeitlich begrenzte Lizenzen anstatt der bisherigen unbefristeten Arztzulassungen. Ein Vorschlag der bei den Ärzten bisher wenig Unterstützung findet. Auf offene Ohren trifft der Vorschlag hingegen in Reihen der Politik. So erklärte auch Johannes Singhammer, Gesundheitspolitiker der CSU, dass er das jetzige System der ärztlichen Zulassungen für viel zu starr halte, da dies bisweilen den Charakter einer Lebensentscheidung habe – es gilt die Devise: Einmal Landarzt, immer Landarzt.
Mediziner sollte flexibler wählen können
In Zukunft müsse hier mehr mehr Mobilität möglich sein, um Mediziner kurzfristig zu ermutigen eine Praxis in unterversorgten, ländlichen Regionen zu eröffnen und so den Ärztemangel auf dem Land zu beheben, erklärte Johannes Singhammer. Dabei sei die langfristige Bindung der Mediziner an einen bestimmten Arztsitz eher nachteilig, denn „es würde ihnen leichter fallen, auch in eine unattraktive Region zu ziehen, wenn sie sich nach einigen Jahren auch wieder neu ausrichten könnten“, so der CSU-Gesundheitspolitiker. Allerdings ist Singhammer der Auffassung, dass die Marktkräfte ohnehin dem ländlichen Ärztemangel entgegen wirken könnten. Der leichtere Zugang zum Beruf, das attraktive Umfeld bzw. die hohe Wohnqualität und die familienfreundlichen Bedingungen werden künftig vermehrt Mediziner von den Ballungsgebieten in die ländlichen Regionen locken, so die Hoffnung des Gesundheitspolitikers. Allerdings warnte Singhammer vor Abstrichen bei der Vergütung, denn Geld sei zwar nicht alles, doch ein gutes Einkommen ein wesentlicher Faktor für die Standortwahl. Im Schnitt bringe der deutsche Steuerzahler rund 300.000 Euro für die Ausbildung der Studenten zu Medizinern auf, doch von 10.000 Studienabsolventen gehen 2.500 ins Ausland, in erster Linie wegen des Einkommens, erklärte Singhammer. Daher dürfe die Entwicklung der ärztlichen Honorare nicht hinter dem Einkommen der Mediziner in Skandinavien oder in Großbritannien zurückbleiben, betonte der CSU-Gesundheitspolitiker.
Zusammenarbeit zwischen Hausärzten, Fachärzten und Krankenhäusern
Der GKV-Spitzenverband hat neben der Einführung von Lizenzen anstatt der bisherigen Zulassungen die Lockerung der zu starren Grenze zwischen niedergelassenen Ärzten und Kliniken bei der Behandlung von Patienten zur Diskussion gestellt. Häufig würden Patienten in einer Klinik nur Stunden oder einen Tag behandelt, was zum Nachdenken über die Funktion der Krankenhäuser anregen sollte, so die Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. Auch sei der Sinn einer flächendeckende Versorgung mit Lungenfachärzten oder chirurgischen Augenärzten zu hinterfragen, erklärte Doris Pfeiffer. In Zukunft werde es weit mehr auf die gute Zusammenarbeit zwischen den Hausärzten, Fachärzten und Krankenhäusern ankommen, wobei die Verhandlungen auch an dieser Stelle äußerst schwierig werden könnten, betonte die Chefin des Kassenverbandes. „Dass wir hier ein dickes Brett bohren müssen, liegt auf der Hand“, so Pfeiffer. In einem Punkt sind sich Politik, Krankenkassen, Ärzte- und Klinikverbände jedoch einig: Das Versorgungsgesetz muss im kommenden Jahr dringend angegangen werden, um die medizinische Versorgung langfristig zu sichern. (fp)
Bild: Rike / pixelio.de
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