Staatsanwaltschaft ermittelt bundesweit gegen Krebsärzte, Apotheken und Pharmahersteller
08.04.2012
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen zahlreiche Fachärzte für Krebserkrankungen und Pharmahersteller aufgrund des Verdachts von Bestechung und Bestechlichkeit. Derzeit werden Ermittlungsverfahren im gesamten Bundesgebiet durchgeführt. Die Onkologen werden beschuldigt, für die Verschreibung von bestimmten Krebsmitteln Honorare erhalten zu haben. Allein in Erfurt sollen Ärzte Hunderttausende erhalten haben. Ein Arzt soll bis zu einer halben Million Euro durch diese Art von „Zuverdienstmöglichkeit“ erhalten haben.
Patienten mit Krebsleiden begeben sich in die Hände von Fachärzten, um die bestmögliche Therapie zu erhalten. Anscheinend stand daneben aber auch für einige Ärzte nicht nur der Nutzen sondern das Honorar der Pharmafirmen bei der Verschreibung von Arzneimitteln im Vordergrund. Nach bestätigten Angaben ermitteln derzeit mehrere Staatsanwaltschaften gegen Ärzte wegen des Verdachts der Bestechlichkeit. Neben den Krebsärzten sind nach Berichten des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ auch mindestens drei kleinere Pharmahersteller von den Ermittlungstätigkeiten erfasst. Die Medikamentenhersteller sollen laut dem Magazin Ärzte „systematisch bestochen haben“. Einige Mediziner haben so über Einhunderttausend Euro erhalten.
Konkret geht es um den Vorwurf, die Unternehmen hätten ambulant tätigen Ärzten mit Kassenzulassung Gelder gezahlt, wenn sie deren Präparate bei der Krebstherapie eines Patienten „bevorzugt“ verschrieben hätten. Gegen dutzende Krebsärzte sowie einigen Apotheken wurden bereits Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Unterdessen teilte die Staatsanwaltschaft Erfurt mit, bereits Anklage gegen mindestens einen Arzt und zwei Apothekern aus Thüringen erhoben zu haben. Der Verdächtige soll von den zwei Apothekern Geldbeträge und Vorteile von mehreren Hunderttausend Euro bezogen haben, wenn er Medikamente von den Apotheken bezog, erklärte Hannes Grünseisen, Sprecher der Staatsanwaltschaft Erfurt am Freitag gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“. Der Facharzt soll Geld dafür erhalten haben, wenn er Krebsmittel der Klasse der Zytostatika bei diesen Apothekern bestellte. Laut derzeitigem Ermittlungsstand soll die Vereinbarungen zwischen dem Mediziner und den beiden Apothekern nicht zur selben Zeit, sondern zeitversetzt nacheinander erfolgt sein. "Es gab aber die gleiche Vorgehensweise", sagte der Sprecher. Die Anklage gegen die drei Tatverdächtigen wurde aber nicht erst jetzt, sondern schon vor einiger Zeit gestellt. Der Vorwurf: „Bestechlichkeit und Bestechung“. Demnach wurde die Anklageschrift dem Landgericht Mühlhausen überstellt. Ein Verhandlungstag ist bislang nicht angesetzt.
Darüber hinaus will die Staatsanwaltschaft Dresden Anklage gegen hauptverantwortliche Mitarbeiter des Pharmaunternehmens „Oncosachs“ erheben. Der Pharmahersteller aus Leipzig soll laut Staatsanwaltschaft pro Patient mehrere hundert Euro gezahlt haben, wenn der Arzt die Mittel des Unternehmens bevorzugt verschrieb. Schon Anfang 2011 wurden die Geschäftsräume bzw. elf Objekte durch die Antikorruptionseinheit "Ines" durchsucht. Dabei wurden mindestens 60 Kisten mit Akten und etliche Gigabyte Daten sichergestellt, wie damals die Generalstaatsanwaltschaft berichtete. Die Firma hatte sich damals mit dem Argument gewehrt, ein Mitbewerber wolle dem Unternehmen schaden.
Ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Dresden, Wolfgang Klein, sagte dem Magazin, in zahlreichen Bundesländern würde in diesem Zusammenhang aufgrund des „Verdachts auf Bestechlichkeit“ gegen 47 Onkologen ermittelt. Den Ärzten wird vorgehalten, bis zum Jahre 2008 sogenannte „Mietzuschüsse“ von „Oncosachs“ erhalten zu haben. Einige Zeit später sollen Gelder in „Scheinstudien“ geflossen sein. Ein Beschuldigter soll auf diesem Wege sogar zwischen 2005 bis 2011 mehr als 500.000 Euro kassiert haben.
Nicht nur in den neuen Bundesländern werde laut Magazin durch die Ermittlungsbehörden gegen Ärzte und Arzneimittelhersteller ermittelt. Gegen den Geschäftsführer der Pharmafirma Ribosepharm ermittelt derzeit auch die Staatsanwaltschaft München. Auch wird von Seiten der Behörden von Bestechlichkeit und Bestechung ausgegangen. Explizit gehe es hierbei um die Sparte „Hikma“ für Krebsmedikamente. Die Krankenkasse AOK Niedersachsen bestätigte gegenüber der Presse, spezifische Mitteilungen an die Staatsanwaltschaft München verfasst zu haben, um die Ermittlungen zu stützen.
In der Hansestadt Hamburg ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Verantwortliche des Medikamentenherstellers „Zyo Pharma“. Auch hier steht der Verdacht auf Bestechung im Raum.
Derzeit ist nicht bekannt, ob Patienten ein gesundheitlicher Schaden entstanden ist. Vielmehr gehe es darum, Medikamente mit gleichem Wirkstoff von einem bestimmten Hersteller bevorzugt zu verabreichen und dafür Vorteile und finanzielle Mittel zu erhalten. Bei Verurteilung drohen den Beteiligten Geld- sowie Haftstrafen. (sb)
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Bild: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de
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