Hamburg: Heroin auf Kosten der Krankenkasse?
In Hamburg soll die Abgabe von künstlichem Heroin (Diamorphin) künftig durch die gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden. Die Verbände der gesetzlichen Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH) haben jetzt eine entsprechende Vereinbarung geschlossen, in Hannover ist ein vergleichbarer Antrag auf dem Weg. Damit wird die Diamorphin-Abgabe allmählich Teil des Gesundheitssystems.
Künstliches Heroin für Schwerstabhängige
Mit Diamorphin als künstlichem Ersatz für Heroin werden in Hamburg derzeit bereits etwa 50 schwer kranke Drogensüchtige behandelt, erklärt Günter Ploß vom Landesverband der Ersatzkassen. Die Betroffenen seien mit herkömmlichen Methoden wie der Verabreichung von Methadon nicht mehr therapierbar, so der Fachmann. Ploß geht davon aus, dass nach der Aufnahme als Regelleistung im Leistungskatalog der Kassen, in Zukunft insgesamt rund 70 bis 80 Drogenkranke in der Hansestadt Diamorphin auf Kassenkosten erhalten können. Ein entsprechendes Verfahren bei dem sich Ärzte, Kassen und Stadt auf ein Finanzierungsmodell einigen, läuft auch in Hannover. „Es wurde ein Antrag eingereicht, rückwirkend die Finanzierung zum 1. Oktober zu übernehmen", erklärte die Sprecherin der Landehauptstadt Hannover, Konstanze Kalmus.
Neuer Ansatz in der Drogenpolitik
Der jetzige Beschluss ist auch Ausdruck eines Wandels in der Drogenpolitik. Nachdem das Gesetz die Behandlung von Schwerstabhängigen mit Diamorphin grundsätzlich erlaubt hatte, wurde in sieben heftig umstrittenen Pilotprojekten die Abgabe von Diamorphin an Schwerstabhängige getestet. Die Therapieerfolge waren nicht von der Hand zu weisen und doch stand die Fortführung der Projekte lange auf der Kippe. Im vergangenen Jahr hatte der Bundestag jedoch ein Gesetz verabschiedet, welches die Finanzierung der Abgabestellen durch die Krankenkassen erlaubt. Ein wesentlicher Aspekt, denn die umfassenden gesetzlichen Auflagen zur Einrichtung einer entsprechenden Abgabestelle, machen deren Betrieb äußerst kostenaufwendig. So war mit dem Auslaufen der Pilotprojekte die zukünftige Finanzierung der Einrichtung äußerst ungewiss. Die jetzt in Hamburg beschlossenen Vereinbarung, sichert den Fortbestand des dortigen Projektes.
Strenge Auflagen für Abgabestellen
Dabei sind die Abgabestellen mit strengen Auflagen in Bezug auf Öffnungszeiten, Sicherheit, Personal und zugelassene Teilnehmer versehen. "So eine Einrichtung ist nicht so leicht aus dem Boden zu stampfen", weiß auch Ralf Bade vom Verband der Ersatzkassen, welcher Vertragspartner der Hamburger Einrichtung ist. So sollen die Behandlungsräume abgelegen und mindestens zwölf Stunden am Tag geöffnet sein, drei Ärzte müssen in Vollzeit explizit für die Aufgabe angestellt sein und das künstliche Heroin muss in speziellen Tresorräumen gelagert werden. Zudem dürfen nur Drogensüchtige an dem Programm teilnehmen, die seit mindestens fünf Jahren opiatabhängig sind, zwei erfolglose Therapien hinter sich haben und mindestens 23 Jahre alt sind. Im Rahmen der gesetzlichen Legitimierung sind diese Regeln noch strenger angelegt worden als beim Modellversuch, wie Konstanze Kalmus erklärt, so dass Hannover die neuen Vorgaben noch nicht erfülle. Zwar gebe es eine Sondergenehmigung für die Fortsetzung bestehender Projekte bis 2011, wie das Projekte in Hannover anschließend weitergeführt wird ist jedoch noch nicht abschließend geklärt.
Geregeltes Leben für Betroffene
In Hamburg ist das Projekt bei der Ambulanz der Asklepios Klinik Nord angesiedelt, wo die Betroffenen mehr als sechs Monate lang psychosozial betreut werden, um sie wieder in einen normalen Alltag zu überführen. Die Abgabestelle in Hannover ist Teil der Medizinischen Hochschule Hannover. Mit den Projekte soll den Schwerstabhängigen trotz ihrer Drogensucht ein geregeltes Leben ermöglicht werden. Denn das neben den gesundheitlichen Folgen größte Problem de Heroin-Abhängigkeit, ist die Beschaffungskriminalität. Diese fällt durch die staatlich geregelte Abgabe komplett weg. Zudem ist Diamorphin in seiner Zusammensetzung weit reiner als das illegal erhältliche Heroin, wodurch sich die Lebenserwartung der Süchtigen erheblich verbessert. Auch die Verabreichung unter ärztlicher Kontrolle stellt einen klaren Vorteil dar und das Risiko von Überdosierungen ist quasi ausgeschlossen. Ob weitere Städte dem Vorbild Hamburgs folgen werden, ist bislang nicht abzusehen generell jedoch möglich. (fp, 16.10.2010)
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