Neuer Wirkstoff bald als Medikament gegen neurodegenerative Erkrankungen auf dem Markt?
24.02.2014
Neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer beziehungsweise Demenz, Parkinson oder auch Creutzfeldt-Jakob sind durch einen langsamen Verlust der geistigen und körperlichen Fähigkeiten gekennzeichnet. Die Behandlungsmöglichkeiten bei derartigen Erkrankungen blieben bislang äußerst eingeschränkt. Doch haben Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und des Max-Planck-Instituts (MPI) für biophysikalische Chemie in Göttingen einen vielversprechenden Wirkstoff entdeckt, der die Ablagerung krankheitsrelevanter Proteinansammlungen im Gehirn, welche bei der Entstehung vieler neurodegenerativer Krankheiten eine wichtige Rolle spielen, reduzieren soll.
Mit dem neu entwickelten Wirkstoff „könnten in Zukunft Krankheiten wie Parkinson, Alzheimer und Creutzfeldt-Jakob möglicherweise gebremst oder sogar gestoppt werden, da krankheitsrelevante Prozesse unmittelbar gehemmt werden“, berichtet die MODAG GmbH, welche als gemeinsame Ausgründung des LMU und MPI den Wirkstoff zur Marktreife weiterentwickeln soll. Die erste Finanzierungsrunde hat die MODAG, unter Beteiligung der Bayerischen Patentallianz GmbH, mit der Ludwig-Maximilians-Universität und der Max-Planck-Gesellschaft für acht Millionen Euro abgeschlossen. Die Einführung eines entsprechenden Arzneimittels zu Behandlung der neurodegenerativen Erkrankung scheint damit in greifbare Nähe gerückt.
Schädliche Protein-Ablagerungen werden vermieden
Ablagerungen von Proteinansammlungen, die zu Schädigungen der Nervenzellen führen, bilden die Basis vieler neurodegenerativer Erkrankungen. Beispielsweise „werden bei Parkinson unter dem Mikroskop auffallende Ablagerungen verklumpter Synuclein-Proteine im Gehirn sichtbar“, berichtet die MODAG. Die Vorstufen dieser aus mehreren gleichen Einheiten aufgebauten Ablagerungen, sogenannte Oligomere, wirken stark neurotoxisch, was bei den Betroffenen die typischen Beschwerden wie Muskelzucken, Muskelzittern, Bewegungsstörungen und Muskelstarre auslöse. „Auch bei der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit finden sich krankmachende Protein-Ablagerungen, die durch das sogenannte Prion-Protein verursacht werden“, so die MODAG-Mitteilung weiter. Das Forscherteam um Professor Dr. Armin Giese, vom Zentrum für Neuropathologie und Prionforschung der LMU und Professor Dr. Christian Griesinger vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie hat nach eigenen Angaben „einen Wirkstoffkandidaten entwickelt, der in Tests an Parkinson-Mäusen die Entstehung der toxischen oligomeren Proteinformen verhindert und damit das Fortschreiten der Nervenzellschädigung in bisher nicht erreichtem Ausmaß verzögert und die krankheitsfreie Phase verlängert.“
Neuer Wirkstoff hemmt krankheitsrelevante Prozesse
Der neu entwickelte Wirkstoff mit dem Namen „anle138b“ setze „direkt und spezifisch an oligomeren Proteinformen“ an und verhindere so frühzeitig das Zusammenlagern und die Entstehung neuer oligomerer krankheitsrelevanter Proteinformen, berichten die Wissenschaftler. Zudem habe sich der „synthetisierte Wirkstoff, der den Test-Mäusen mit der Nahrung verabreicht wurde, in therapeutischen Dosen sehr gut verträglich“ gezeigt. Er passiere die Blut-Hirn-Schranke sehr effizient und erreiche daher im Gehirn einen hohen Wirkspiegel bei niedriger aufgenommener Dosis. „. Die mit anle138b behandelten Mäuse erzielten eine signifikant längere Lebenszeit und konnten ihre Bewegungen deutlich besser koordinieren als ihre unbehandelten kranken Artgenossen“, schreiben die Forscher. Die krankheitsrelevanten Prozesse seien unmittelbar gehemmt worden. „Doch nicht nur bei der Parkinson-Krankheit war die neue Substanz wirksam“, sondern auch für Alzheimer und Creutzfeldt-Jakob liegen laut Angaben der Wissenschaftler positive Forschungsergebnisse vor. So habe „anle138b“ bei Creutzfeldt-Jakob ebenfalls wirkungsvoll das Zusammenlagern krankmachender Protein-Verklumpungen verhindert, wodurch die behandelten Mäuse deutlich länger überlebten. Ebenso seien die Ergebnisse in Mausmodellen für die Alzheimer Erkrankung ermutigend.
Zeitnahe Marktreife eines neuen Medikamentes möglich
„Die MODAG GmbH lässt mich aufgrund ihrer bisherigen Studienergebnisse ernsthaft hoffen, dass wir gemeinsam mit einem neuen Wirkstoff die dringend notwendige Hilfe für Parkinson- und Alzheimer-Patienten durch eine frühzeitige und sichere Therapie ermöglichen können“, erläuterte MODAG-Geschäftsführer, Dr. Torsten Matthias. Patentrechtlich gesichert ist die zugrundeliegende Basistechnologie als Gemeinschaftserfindung der LMU und des MPI für biophysikalische Chemie. Von der MODAG GmbH wurde sie exklusiv einlizenziert. Peer Biskup, Geschäftsführer der Bayerischen Patentallianz GmbH, die als Patentvermarktungsagentur der bayerischen Universitäten und Hochschulen fungiert, betonte: „Wir freuen uns, dass wir dabei helfen konnten, die Forschungskompetenzen der Ludwig-Maximilians-Universität München und des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie im Bereich der Wirkstoffforschung zielgerichtet in diesem Erfolg versprechenden Ausgründungsunternehmen zu bündeln.“ Auch Astrid Giegold, Start up & Portfolio Managerin bei Max-Planck-Innovation, der Technologietransfer-Organisation der Max-Planck-Gesellschaft, lobte die Zusammenarbeit und erklärte, dass MODAG „neben einer herausragenden Forschungskompetenz auch über die notwendige Entwicklungskompetenz sowie weitreichendes betriebswirtschaftliches Know-how“ verfüge. (fp)
Bild: Martin Gapa / pixelio.de
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