Gesundheitssystem: Psychische Krankheiten verursachen stark steigende Kosten
Seit 2002 haben sich die durch psychische Krankheiten wie Demenz und Depressionen hervorgerufenen Behandlungskosten im Gesundheitssystem um ca. 32 Prozent erhöht. Die durchschnittliche Kostensteigerung bei allen Krankheiten lag demgegenüber nur bei etwa 16 Prozent. So stehen psychische Erkrankungen mit Kosten von knapp 28,7 Milliarden Euro nun auf dritter Stelle der Krankheitskostenrechnung des Statistischen Bundesamtes. Nur Herz-Kreislauf-Erkrankungen (37 Milliarden Euro) und Krankheiten des Verdauungssystems (34,8 Milliarden Euro) verursachen im Gesundheitssystem noch mehr Kosten. Unter den psychisch Erkrankungen bilden Demenzerkrankungen mit 9,4 Milliarden Euro und Depression mit 5,2 Milliarden Euro die beiden größten Positionen.
Hintergründe zum Thema:
Anstieg Psychischer Erkrankungen bei Jugendlichen
Depression (Depressives Syndrom)
Fehlzeiten: Anstieg Psychischer Erkrankungen
Die Ursachen für die enorme Kostensteigerung
Die Ursachen für die enorme Kostensteigerung bei den psychischen Krankheiten sind vielschichtig und auch unter den Fachleuten noch kontrovers diskutiert. Eindeutig ist, das die Anzahl der Fälle extrem gestiegen ist. Wodurch dies bedingt ist wissen jedoch auch die Fachleute nicht genau, so der Referent der Bundespsychotherapeutenkammer, Johannes Klein-Hessling. Vermutet wird, dass einerseits psychische Erkrankungen heute häufiger erkannt werden, d.h. häufiger Behandlungen in Anspruch genommen werden. Anderseits fühlen sich Personen, die z. B. unter Depressionen leiden, heute weit weniger stigmatisiert als noch vor wenigen Jahren und sind daher wahrscheinlich eher bereit sich Unterstützung beim Psychotherapeuten zu suchen.
Zudem vermuten die Experten der Krankenkassen, dass der Stress im Arbeitsleben einen wesentlichen Anteil an der Zunahme psychisch bedingter Krankheiten trägt. So haben zirka 18 Prozent der Deutschen in ihrem Leben schon einmal an einer Depression gelitten und rund 4 Millionen Menschen sind gegenwärtig an einer mittleren bis schweren Depression erkrankt (ca. 5 Prozent der Bevölkerung). Wobei davon auszugehen ist das die Dunkelziffer noch erheblich höher liegt, denn es werden auch heute noch längst nicht alle Depressionen als solche erkannt und behandelt. Bei den Demenzerkrankungen ist die massive Kostensteigerung im wesentlichen durch die gestiegene Lebenserwartung bedingt, da es immer mehr alte Menschen gibt und mit dem Alter auch die geistigen Gebrechen zunehmen.
Weitere Erkenntnisse über die genauen Umstände, die zur extrem gestiegen Zahl der psychischen Erkrankungen führen, erhofft sich das Bundesgesundheitsministerium aus einer umfassende Gesundheitsstudie, deren Auswertung jedoch erst Ende 2011 vorgesehen ist.
Das die Kostensteigerung bei den psychischen Erkrankungen so hoch ausfällt, ist jedoch neben der wachsende Zahl an Fällen auch durch die Behandlungsintensität bedingt, die derartige Erkrankungen erfordern. So hat z. B. die Barmer GEK ermittelt, dass Patienten, die mit einer psychischen Erkrankung im Krankenhaus liegen, dort durchschnittlich rund drei Wochen verweilen.
Auch die durch psychische Erkrankungen bedingten Fehlzeiten der Arbeitnehmer haben in den letzten Jahren extrem zugenommen, wie die BKK und das wissenschaftliche Institut der AOK in getrennten Untersuchungen feststellten. Demnach waren 2009 ca. 8,6 Prozent der Krankheits- Fehltage durch psychische Erkrankungen bedingt, so die Schätzung der Experten. Damit sind psychische Krankheiten die viert-häufigste Ursache für krankheitsbedingte Fehltage. Zudem sind psychische Erkrankungen auch immer häufiger Grund für ein frühzeitiges Ausscheiden aus dem Arbeitsleben.
Im Zuge der massiven Zunahme psychischer Erkrankungen ist auch der Bedarf nach Therapeuten extrem gestiegen, so dass z. B. die Anzahl der Psychotherapeuten nach Angaben der Standesvertretung zwischen 2002 und 2008 von 16.500 auf ca. 20.000 gestiegen ist. Für die Kostensteigerung seien diese jedoch nicht verantwortlich zu machen, so ein Sprecher der Psychotherapeutenkammer, da ihr Anteil am gesamten ärztlichen Honorar zu gering ist, um spürbare Auswirkungen auf die gesamte Kostenrechnung zu haben.
Ein weiterer Kostenfaktor psychischer Krankheiten taucht in den bisherigen Rechnung nicht auf, lässt sich jedoch gut anhand der Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion ablesen: Die Kosten der durch psychische Krankheiten bedingten Produktionsausfälle belaufen sich auf fast vier Mrd. Euro jährlich, der Ausfall bei der Bruttowertschöpfung in Deutschland beträgt sogar knapp sieben Mrd. Euro, so die Antwort des Bundesgesundheitsministeriums unter Berufung auf eine Statistik der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Wenn diese Zahlen mit den oben genannten krankheitsbedingten Kosten summiert werden, ergibt sich eine Summe von ca. 78 Milliarden Euro die der Bruttowertschöpfung in Deutschland durch die Erkrankungen der Arbeitnehmer verloren gehen. (sb)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.