Übergewicht bedingt ein frühzeitiges Altern der Leber
16.10.2014
Übergewicht führt zu einer frühzeitigen Alterung der Leberzellen, was möglicherweise das erhöhte Leberkrebsrisiko bei übergewichtigen Menschen erklären kann, so das Ergebnis einer aktuellen Studie von Wissenschaftlern des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden sowie der in Los Angeles beheimateten University of California. Die Studienergebnisse wurden in dem renommierten Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA“ (PNAS) veröffentlicht.
Erstmals ist es dem Forscherteam nach eigenen Angaben gelungen, „das biologische Alter verschiedener Gewebe innerhalb des menschlichen Organismus zu vergleichen“ und damit „genauere Erkenntnisse über den Zusammenhang von Übergewicht und gesundheitlichen Risiken bestimmter Organe zu erhalten.“ Anhand der sogenannten epigenetischen Uhr, die der Biostatistiker Steve Horvath von der University of California entwickelt hat, ermittelten die Wissenschaftler das Alter der genetischen Informationsverpackung in den Zellen aus verschiedenem Gewebe und verglichen dabei die Resultate von Normalgewichtigen, übergewichtigen und fettleibigen Patienten.
„Für das Forscherteam überraschend war es, dass nur bei den Leberzellen ein Zusammenhang zwischen Übergewicht und einem schnelleren Altern des Organs besteht“, berichtet das Universitätsklinikum Dresden. Möglicherweise liege hier die Erklärung für das erhöhte Leberkrebsrisiko von Übergewichtigen und Fettleibigen.
Alter und Übergewicht als Risikofaktoren vieler Erkrankungen
Allgemein bilden das Alter und Übergewicht die wichtigsten Risikofaktoren für viele Zivilisationskrankheiten, so die Mitteilung des Uniklinikums Dresden. Daher haben sich die Forscher einer gezielten Untersuchung möglicher Zusammenhänge zwischen diesen beiden Risikofaktoren gewidmet. Sie überprüften, „ob bestimmte Gewebe oder der Körper insgesamt bei übergewichtigen Menschen schneller altern.“ Der Vergleich des Gewebealters in verschiedenen Organen sei hier durch die Entwicklung der epigenetischen Uhr ermöglicht worden, die anhand der Veränderungen an der Erbsubstanz Rückschlüsse auf die Zellalterung ermöglicht. Bei der Untersuchung von Blut, Muskeln, Fettgewebe und auch Leberzellen habe sich überraschenderweise „ein vorzeitiges Altern nur in der Leber übergewichtiger Patienten“ gezeigt, berichtet Professor Jochen Hampe, Leiter des Bereiches Gastroenterologie und Hepatologie an der Medizinischen Klinik I des Uniklinikums Dresden.
Schneller Alterung der Leber irreversibel
Die vorzeitige Alterung der Leber habe sich auch nach einer Gewichtsabnahme nicht wieder beheben lassen, schreiben die Wissenschaftler weiter. Die Leber „merkt“ sich also ihr Alter – zumindest in den von den Forschern bisher untersuchten Zeiträumen, so die Mitteilung des Universitätsklinikums Dresden. Zur Veranschaulichung erläutern die Mediziner, dass „beispielsweise die Leber bei einer 100 Kilo schweren Frau mit einer Größe von 1,65 Metern etwa drei Jahre älter als bei einem Körpergewicht von 70 Kilo“ wäre. Der eindeutig nachweisbare Zusammenhang zwischen dem Übergewicht und der Alterung der Leberzellen wirft dabei laut Professor Clemens Schafmayer vom Universitätsklinikum Schleswig Holstein eine Reihe neuer Fragen auf. Möglicherweise kann dieser jedoch auch erklären, „warum bestimmte Erkrankungen wie beispielsweise Leberkrebs bei Übergewichtigen deutlich häufiger vorkommen als bei schlanken Personen.“
Hoffnung auf besseres Verständnis der Alterungsprozesse
Trotz der neu gewonnen Erkenntnisse steht die Forschung „beim tieferen Verständnis der Alterungsprozesse erst ganz am Anfang“, so Professor Hampe weiter. Im nächsten Schritt werde nun versucht, den Mechanismen dieser Alterungsprozesse auf den Grund zu gehen, um dort irgendwann auch therapeutisch eingreifen zu können. Ein Ansatz, der in Zukunft bei zahlreichen Erkrankungen hilfreich sein könnte. Bis dahin bleiben die Befunde zunächst allerdings nur ein weiteres Argument, sich um ein normales Körpergewicht zu bemühen, so Hampe. Professor Thomas Becker, Direktor der Klinik für Allgemeine, Viszeral-, Thorax-, Transplantations- und Kinderchirurgie des Universitätsklinikums Schleswig Holstein, zeigte sich insgesamt hoch erfreut, dass die „interdisziplinäre Forschung im Bereich der metabolischen Lebererkrankungen nun erste internationale Früchte trägt.“ Gefördert wurde das über mehr als fünf Jahre angelegte Forschungsprojekt durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Systembiologieinitiative „Die virtuelle Leber“ und in den USA haben die „National Institutes of Health“ die Forschung mit öffentlichen Mitteln unterstützt. (fp)
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