Jugendliche immer öfter wegen Alkoholmissbrauch im Krankenhaus
28.12.2010
Der Alkoholmissbrauch unter Jugendlichen hat auch im Jahr 2009 weiter zugenommen. In zahlreichen Bundesländern haben die alkoholbedingten Krankenhauseinlieferungen der Jugendlichen ihren bisherigen Höchststand erreicht. Gesundheitsexperten gehen davon aus, dass die Zahlen weiter ansteigen werden. Politiker fordern vor diesem Hintergrund auch ein schärferes Vorgehen gegen die Eltern.
Die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) hat ihre Zahlen zu den Fällen von Alkoholmissbrauch unter Jugendlichen für das Jahr 2009 veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass immer mehr Jugendliche nach massivem Alkoholkonsum im Krankenhaus behandelt werden müssen. Die alkoholbedingten Krankenhauseinlieferungen der Jugendlichen haben 2009 deutschlandweit einen Höchststand erreicht, auch wenn die Zahlen in einigen Bundesländern leicht rückläufig waren. Das sogenannte „Komasaufen“ ist bei den Heranwachsenden weiterhin äußerst verbreitet, wie die Angaben der DAK verdeutlichen.
Alkoholmissbrauch in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen am stärksten gestiegen
Am dramatischsten ist der Anstieg der alkoholbedingten Krankenhauseinlieferungen in Rheinland-Pfalz (1.664 Fälle im Jahr 2009, plus 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr) und in Niedersachsen (2.685 Fälle im Jahr 2009, plus 10,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr). Auch im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen mussten sieben Prozent mehr Jugendliche nach einem Saufgelage ins Krankenhaus (insgesamt knapp 6.500) eingeliefert werden als noch im Jahr 2008. In Bayern (5.316 Fälle, plus 3,5 Prozent) und Baden-Württemberg (4.028 Fälle, plus 1,7 Prozent) ist die Zahl der alkoholbedingten Krankenhauseinlieferungen ebenfalls weiter gestiegen, wenn auch weniger rasant als in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. In Berlin mussten 408 Jugendliche aufgrund des Alkoholmissbrauchs im Krankenhaus behandelt werden, was einem Anstieg von sechs Prozent entspricht. Alle bisher genannte Bundesländer haben mit den Zuwächsen beim Alkoholmissbrauch unerfreuliche Höchststände erreicht, die verdeutlichen, dass Komasaufen unter den Jugendlichen immer noch stark verbreitet ist. Die DAK warnt daher davor, dass Komasaufen oft den Einstieg in eine lebenslange Drogensucht bildet. „Suchtkarrieren beginnen in der Regel mit Alkohol oder Nikotin“, erklärte Frank Meiner, Psychologe der DAK gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.
Weniger Alkoholmissbrauch in einigen ostdeutschen Bundesländern
In den Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt erscheinen die aktuellen Zahlen der DAK hingegen auf den ersten Blick eine Wende beim Alkoholkonsum der Jugendlichen darzustellen. So mussten in Brandenburg im Jahr 2009 noch 407 Jugendliche wegen massiven Alkoholmissbrauchs ins Krankenhaus eingeliefert werden, was einem Rückgang von 7,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. In Sachsen ging die Zahl der jugendlichen Komasäufer den Angaben der DAK zufolge sogar um 15,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück, so dass hier im Jahr 2009 noch 928 alkoholbedingte Krankenhauseinlieferungen erforderlich wurden. Auch in Sachsen-Anhalt ist die Zahl der Krankenhauseinlieferungen um 12,2 Prozent auf 704 Fälle im Jahr 2009 zurückgegangen. Der DAK-Pressesprecher Rüdiger Scharf betonten allerdings. „Das heißt nicht, dass das Problem geringer geworden ist.“ Denn in den genannten Bundesländern sei die Zahl der Jugendlichen aufgrund des Geburtenrückgangs und der Abwanderung ohnehin gesunken.
Alkoholkonsum der Jugendlichen ist alarmierend
Insgesamt ist die Entwicklung nach Einschätzung der DAK äußerst besorgniserregend. In einigen Bundesländern haben sich die Fälle der alkoholbedingten Krankenhauseinlieferungen Jugendlicher innerhalb von zehn Jahren annähernd verdoppelt, wie die aktuellen Zahlen der DAK verdeutlichen. Dabei ist das sogenannte „Komasaufen“ unter Jungen immer noch stärker verbreitet als unter Mädchen, im Vergleich zum Jahr 2003 haben die Mädchen allerdings überproportional zugelegt. „Die aktuellen Zahlen sind alarmierend“, betonte Michael Hübner, der DAK-Landeschef in Rheinland-Pfalz. Frank Meiners, der DAK-Psychologe erklärte, dass der sorglose Umgang vieler junger Menschen mit den legalen Drogen Bier, Schnaps oder Wein stärker als bisher in Schulen und Betrieben thematisiert werden müsse. Die Heranwachsenden müssen verstehen, dass „exzessives Trinken (…) kein Ausweg (ist), um Anforderungen in Job oder Schule auszugleichen“, betonte der Fachmann. Auch Michael Hübner erklärte: „Wir müssen das Thema dringend auf den Stundenplan setzen.“ Der DAK-Pressesprecher Rüdiger Scharf betonte, dass die DAK ihre Plakataktion „bunt statt blau“ gegen das Komasaufen daher in den Schulen fortsetzen will und bereits 11.000 Schulen dazu angeschrieben worden seien. Bei ihren Angaben bezieht sich die DAK auf die Zahlen der Statistischen Landesämter für die Gruppe der Zehn- bis 20-Jährigen, welche bisher jedoch noch nicht für alle Bundesländer ausgewertet wurden. Für das Jahr 2010 konnte die DAK bisher noch keine Angaben machen.
Beteiligung an Notaufnahme-Kosten gefordert
Bereits Mitte Dezember forderte der CDU Gesundheitsexperte Jens Spahn künftig Eltern an den Klinik- und Beförderungskosten von betrunkenen Kindern und Jugendliche zu beteiligen. Der Politiker wies in einem Interview daraufhin, dass sich die Anzahl der Klinikeinweisungen in den letzten acht Jahren quasi verdreifacht haben. Die Zehn- bis Fünfzehnjährige stellen inzwischen ein Fünftel der eingelieferten Jugendlichen dar. Hier würden die Eltern ihre Fürsorge- und Aufsichtspflicht verletzten, mahnte Spahn. Aus diesem Grund sollten die Eltern an den Kosten zu mindestens beteiligt werden. Bislang konnte sich diese Position innerhalb der Koalition nicht durchsetzen.
Sucht wird in den meisten Fällen zu spät erkannt
Insgesamt ist ein Anstieg des Alkoholkonsums in Deutschland festzustellen. Laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen trinken die Deutschen im Allgemeinen viel zu viel Alkohol. Erwachsene zwischen 18 und 64 Lebensjahren trinken laut Studien rund zwölf Liter reinen Alkohol pro Jahr. Im Sinne der Gesundheit sei allerdings nur ein Viertel der Menge vertretbar. Alkohol dient vielmals als Ausgleich zum Stress, Kummer und Sorgen vor allem im Berufsleben. Weil aber auch der regelmäßige Konsum gesellschaftlich anerkannt ist, wird die Sucht zumeist viel zu spät behandelt. Laut des Fachverbandes Sucht e.V. dauert es rund zwölf Jahre, bis eine Sucht behandelt wird.. "Bis dahin ist schon viel schief gelaufen", so die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans. Körper und Geist wurden in dieser langen Zeit schon massiv geschädigt. Daher sollten Angehörige und Eltern genauer hinsehen und einschreiten, bevor es zu spät ist. Eine Beteiligung der Klinikkosten dürfte hierbei nicht helfen. Vielmehr ist es wichtig in der Gesellschaft ein Umdenken zu bewirken. (fp)
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Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
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