Welt-Alzheimer-Tag: Experten warnen Demenz. Neue Alternativen zur Pflegeversorgung von Demenzkranken sind gefordert. So gibt es Wohngemeinschaften für Demenzkranke. In den WG´s werden die Kranken durch Pflegekräfte versorgt. Heute ist der Welt-Alzheimer-Tag.
(21.09.2010) Ungefähr 1,2 Millionen Menschen leiden in Deutschland an Alzheimer, der verbreitetsten Form von Demenz. So nutzen die Fachleute den heutigen Welt-Alzheimer-Tag, um in der Gesellschaft die Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken und den Betroffenen einige Tipps und Hilfestellungen für den Umgang mit der Krankheit zu geben. Weltweit sind über 35 Millionen Menschen von der unheilbaren Krankheit betroffen: Tendenz stark steigend.
Jährlich 250.000 neue Demenz-Erkrankungen
Allein in Deutschland erkranken jährlich etwa 250.000 Personen neu und für 2050 rechnen die Experten mit weltweit über 110 Millionen Demenzkranken. Demenz ist auf dem Weg zur Volkskrankheit. Daher nutzen Fachleute, wie zum Beispiel Hans Gutzmann, Präsident der Gesellschaft für Gerontopsychiatrie, den Welt-Alzheimer-Tag auch, um den Patienten ein paar grundsätzliche Empfehlungen mit auf den Weg zu geben. So empfiehlt Gutzmann jedem, der erste Anzeichen einer Erkrankung an sich selber erkennt, dringend einen Arzt aufzusuchen.Viele Patienten versuchen nach seiner Ansicht zu lange, unauffällig mit den Symptomen zu leben und scheuen sich vor der Diagnose durch den Arzt. Eine frühzeitige Diagnose könnte aber nicht nur dabei helfen, die Krankheit zu bremsen, sondern würde auch eine Chance bieten, Zeit im Sinne der Betroffenen zu gewinnen, damit diese auch die Regelung juristischer und pflegerischer Fragen noch selbständig klären können. So betont auch der renommierte Kölner Neurologe Prof. Gereon Fink, wie wichtig die frühzeitig Diagnose ist, denn bei rechtzeitig eingeleiteter Behandlung, können nach seiner Aussage bis zu drei Jahre für die Patienten gewonnen werden, in denen diese länger alltagstauglich bleiben. Bisher geht laut Hans Gutzmann lediglich ein Viertel der Betroffenen zum Facharzt. Viele zögern schlichtweg aus Angst vor der befürchteten Diagnose den Arztbesuch immer weiter hinaus, betonte der Fachmann.
Internet-Informationsportal Wegweiser Demenz
Auch die Bundesfamilienministerin Kristina Schröder hat den Welt-Alzheimer-Tag als Anlass genutzt, um eine größere Öffentlichkeit für das Thema zu interessieren und das neue Internet-Informationsportal „Wegweiser Demenz“ (www.wegweiser-demenz.de) sowie die Reformpläne der Bundesregierung zum Pflegedienst vorzustellen. Während das Informationsportal von allen Seiten begrüßt wurde, da hier erstmals umfassend Informations- und Hilfsangebote in Deutschland für Demenzkranke sowie deren Familienmitglieder bereitgestellt werden, wurden die Ansätze zur Reform der Pflege durchaus kontrovers diskutiert. Zwar bestehen bei der Pflege auch nach Ansicht von Experten wie Prof. Fink oder Sabine Jansen von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft (DAlzG) noch erhebliche Defizite, so dass eine Neuregelung hier dringend geboten scheint. Doch ob der Weg den die Bundesregierung vorschlägt der richtige ist, wird von der Vorsitzenden der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft, Heike von Lützau-Hohlbein, bezweifelt. Sie übte am Montag energische Kritik am Reformentwurf der Bundesfamilienministerin.
60 Prozent der Demenzkranken zu Hause gepflegt
Aktuell werden „nach Schätzungen (…) rund 60 Prozent der Demenzkranken zu Hause gepflegt, manchmal jahrelang“ erklärte Sabine Jansen, was so „kräftezehrend für die Angehörigen (sei), dass sie oft selbst erkranken.“ Die durchschnittliche Pflegedauer beträgt bei Demenzkranken derzeit ungefähr neun Jahre. Die Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung ist für viele Angehörige jedoch keine Alternative, da noch erhebliche Defizite bei der ambulanten Pflege und in den Heimen bestehen. „Man erwartet Leute, die sich auskennen mit dem Krankheitsbild, aber das ist leider von der Ausbildung her oft nicht gegeben“, erklärte Sabine Jansen von der DAlzG. Daher ist nach Ansicht der DAlzG-Vorsitzenden, Heike von Lützau-Hohlbein, den Angehörigen von Demenzkranken mit der momentan angedachten Reform auch nicht wirklich geholfen. Der Gesetzentwurf berücksichtige „die Lebenssituation der Pflegenden zu wenig“, denn die betreuenden Familienangehörigen seien heute selbst meist älter als 60 Jahre alt und in der Regel nicht mehr voll berufstätig, so die Ansicht der DAlzG -Vorsitzenden. Daher biete eine Teilzeit-Freistellung plus 25-prozentigem Lohnverzicht für die Betroffenen oft keine Entlastung oder finanziellen Vorteile. Es wäre fatal, wenn eine Reform der gesetzlichen Pflegezeit so am Ende die Altersarmut bei Frauen steigern würde, erklärte von Lützau-Hohlbein.
Erste Wohngemeinschaft für Demenz-Kranke
Pflegeeinrichtungen sind gefordert: Die erste Wohngemeinschaften für Demenzkranke ist bereits sehr erfolgreich. Ohnehin müssen die Pflegeeinrichtungen auch nach Ansicht von Prof. Fink einen größeren Part der Verantwortung übernehmen, um die Angehörigen bei der Betreuung zukünftig stärker zu entlasten. Und auch die Fachleute aus der Pflegebranche selber sehen hier akuten Handlungsbedarfs. „Beim Thema Demenz werden wir in Deutschland noch viel mehr tun müssen. Das ist die größte Herausforderung, vor der wir stehen“, betonte zum Beispiel Maria Hanisch, Pflege-Expertin des Wohlfahrtsverbandes Caritas in Köln, denn schon jetzt treffe man „im stationären Pflegebereich (…) fast nur noch auf Demente.“ Prof. Gereon Fink erklärte zudem, dass unsere Gesellschaft leider bisher „nicht gut gerüstet (sei) für das gewaltige Ausmaß und die wachsende Dimension des Problems.“ Einen ersten positiven Ansatz bieten jedoch die neu eingerichteten Wohngemeinschaften für Demenzkranke. Diese sind nach Aussage der Fachleute sehr beliebt, da sie dem eigenen häuslichen Wohnumfeld ähneln und das Zusammenleben für die Patienten deutliche Vorteile mit sich bringt. Das bisherige Angebot kann den riesigen Bedarf jedoch nicht annäherungsweise decken, erklärte Maria Hanisch von der Caritas.
Frühzeitige Diagnose entscheidend
Bei Demenzpatienten sterben unaufhaltsam immer mehr Hirnzellen ab, wodurch Erinnerungen und erlerntes Wissen verloren gehen und sich die Persönlichkeit der Betroffenen teilweise stark verändert. Zu den gängigsten Symptomen zählen zum Beispiel Konzentrationsschwächen, zeitlicher und räumlicher Orientierungsverlust, Passivität und Hilflosigkeit. Bei schwerem Krankheitsverlauf müssen Demenzkranke rund um die Uhr betreut werden. Eine Behandlungsmethode, die Heilung verspricht, gibt es bisher nicht. Bei frühzeitiger Diagnose können jedoch durch den Einsatz von Medikamenten und verschiedene Therapien zur Anregung der Hirnaktivität für den Patienten oft einige Jahre gewonnen werden, in denen er weiterhin seinen „normalen“ Alltag leben kann. Bei der Diagnose werden zum Beispiel auch Verfahren wie der „Uhrentest“ genutzt, die jeder auch zu Hause durchführen kann. Bei dem psychometrischen Test werden die Betroffenen dazu aufgefordert in einen vorgegebenen Kreis die zwölf Ziffern einer Uhr und die Stellung der Zeiger einer vorgegebenen Uhrzeit einzuzeichnen. Demenzkranke haben hierbei erhebliche Probleme. So kann ein Arzt anhand des Ergebnisses nicht nur feststellen, ob Demenz vorliegt, sondern oft auch ihren Schweregrad bestimmen.
Heilung nicht in Sicht: Vorbeugung zählt
Da Demenz nach wie vor unheilbar ist, gilt Vorbeugung als umso wichtiger. So haben nach Aussage von Prof. Gereon Fink zum Beispiel zahlreiche „Studien haben (…), dass ein hohes Bildungsniveau“ und „eine rege geistige Aktivität“ vor Demenz schützt. Auch „regelmäßiger Sport und Bewegung“ ist nach Aussage des Fachmanns für die Demenz-Vorbeugung wichtig. Diabetes, Adipositas und andere Fettstoffwechsel-Erkrankungen gelten hingegen als Risikofaktoren. Bei der therapeutischen Behandlung werden derzeit die verschiedensten Ansätze erforscht, die von der regelmäßigen Verabreichung von Vitamin B über den Einsatz von Enzymen zur Verhinderung von Eiweiß-Ablagerungen im Gehirn bis hin zur Bekämpfung von Alzheimer mit Insulin oder mit Hilfe von Antikörpern aus Spenderblut reichen. Bis ein erfolgversprechendes Verfahren zugelassen wird, können jedoch auch nach Ansicht der Fachleute und Mediziner noch Jahrzehnte vergehen. Die derzeit im Einsatz befindlichen Antidementiva, dienen lediglich der Minderung des geistigen Verfalls bzw. der Verlangsamung des Krankheitsverlaufs. Sie können allerdings nur bei entsprechend früher Diagnose ihre volle Wirkung entfalten. (fp)
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Bild: Rainer Sturm / pixelio.de
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