Zitronensaft gegen Wundinfektion
Das BGH hob ein Urteil gegen einen Chefarzt auf, der eine 80 Jahre alte Patientin zur Wundheilung mit handelsüblichen Zitronensaft behandelte. Die Patientin war zwei Wochen später an den Folgen einer Wundheilstörung verstorben.
22.12.2010
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute ein Urteil gegen den damaligen Chefarzt der Sankt Antonius Klinik gekippt. Der Mediziner war zuvor vom Landesgericht verurteilt worden, da dieser eine Wunde einer 80 Jährigen Patientin mit einem nicht-sterilen Zitronensaft behandelte und die Patientin darüber nicht im Vorfeld des ersten Eingriffs informierte. Zwei Wochen nach der Zitronensaft-Therapie verstarb die Frau.
Der BGH verwarf heute ein Urteil in dem sogenannte „Zitronensaftfall“. Der ehemalige Chefarzt der St. Antonius Klinik im nordrhein-westfälischen Wegberg hatte einem 80 Jährigen Patienten eine Operationswunde mit einem nicht-sterilen Zitronensaft behandelt. Etwa zwei Wochen nach der Behandlung verstarb die Patientin an den Folgen einer Infektion an der Operationswunde. Nun muss der Prozess gegen den Arzt neu aufgerollt werden, wie die obersten Richter des Bundesgerichtshofs am heutigen Mittwoch in Karlsruhe urteilten. Damit hoben die Richter auf Antrag des Beklagten das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach wieder auf. Die Landesrichter hatten es allerdings nicht als erwiesen angesehen, dass die ältere Frau an den Folgen der Behandlung verstorben sei. Die Richter verurteilten im Januar 2010 dennoch den ehemaligen Chefarzt aufgrund einer Körperverletzung mit Todesfolge zu einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung. Ob der Mediziner nun ein milderes Urteil in der Revision erwarten kann, ist zwar unklar, aber aufgrund des Urteilsspruchs des BGH sehr wahrscheinlich.
Patientin mit Zitronensaft behandelt
In dem konkreten Fall wurde eine ältere Frau am Darm operiert. Nach dem Eingriff hatte sich die Wunde der Patientin entzündet. Daraufhin hatte der Arzt die Operationswunde der 80-jährigen Patientin mit einem nicht zuvor sterilisierten Zitronensaft behandelt. Nach zwei Wochen verstarb die Frau an den Folgen einer Wundinfektion. Ob die Verwendung des Zitronensafts mit für den Tod der Patientin verantwortlich sei, konnten die Landesrichter damals nicht feststellen. Allerdings hätte der angeklagte Arzt die Verstorbene über den möglichen Einsatz des Zitronensafts vor der zuerst erfolgten Operation informieren müssen, so die Landesrichter damals. Aufgrund der Wundheilungsstörung erfolgte nämlich ein zweiter medizinischer Eingriff. Dieser gesetzlichen Rechtsauffassung widersprachen allerdings die BGH-Richter. Demnach sei der Mediziner nicht dazu verpflichtet gewesen, die Patientin schon im Vorfeld darüber in Kenntnis zu setzen, dass bei Komplikationen durch eine Wundheilstörung auch Zitronensaft zum Einsatz komme.
Liege bei dem Eingriff ein Risiko für weitere Krankheiten oder körperliche Schädigungen vor, so müsse der behandelnde Arzt nach Ansicht der Richter nur in Ausnahmefällen den Patienten vor der ersten Operation über weitere Gefahren und Methoden einer möglichen Nachbehandlung informieren. Das sei aber nur dann der Fall, wenn bei der Nachbehandlung ein massives Risiko, wie der Verlust eines Organs, bestünde. In dem verhandelten Fall habe allerdings ein solcher Umstand nicht vorgelegen, so die Richter. Ferner betonten die Bundesrichter, dass das Risiko einer Behandlung mit nicht-sterilem Zitronensaft „ausschließlich eine gewisse zusätzliche bakterielle Belastung“ gewesen sei. In diesem Fall sei es nicht mit der Gefahr für die künftige Lebensführung eines Patienten vergleichbar, dem durch die Nachbehandlung etwa ein Verlust des Organs drohe.
Nach den bisherigen gerichtlichen Erkenntnissen habe sich der ehemalige Chefarzt lediglich dadurch schuldig gemacht, im Vorfeld der zweiten Operation die Patientin über den Einsatz des Zitronensafts aufzuklären. Denn bei diesem Eingriff handelt es sich nach Ansicht der BGH-Richter um eine „unerprobte Außenseitermethode“. Demnach liege nur eine gefährliche Körperverletzung vor. Dem Mediziner könne nach allen Erkenntnissen nach nicht eine Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen werden, da weder die Verwendung der Zitronensaft-Einlage noch die Zweitoperation als Todesursache in Frage kommen. Nun muss das Landesgericht Mönchengladbach erneut über den Fall verhandeln. Dort sollen die Richter prüfen, ob eine Verurteilung "auf anderer Tatsachengrundlage" in Betracht kommt. Die bis jetzt vorliegenden Fakten reichen nicht aus, um den Mediziner einer Körperverletzung mit Todesfolge schuldig zu sprechen.
Zitronensaft zur Wundheilung?
Während der damaligen Verhandlung vor dem Landgericht hatte der Arzt ausgesagt, für die Behandlung er eine handelsübliche Zitrone verwendet und diese mit bloßen Händen angefasst zu haben. Die Zitrone sei mit einem Messer in zwei Hälften zerteilt worden. Anschließend habe er die Zitrone mit einer Spritze gefüllt. Den Saft habe der Angeklagte dann mit einem Streifen durchtränkt und anschließend auf die Wunde der Patientin gelegt. Ein damaliger Sachverständiger hatte in dem Prozess ausgesagt, dass bislang keine klinischen Daten oder Erfahrungswerte vorliegen würden, die darauf hindeuten, dass Zitronensaft zur Wundheilung verwendet werden. Eine solche Methode sei eher unüblich und nicht erforscht. Das BGH-Urteil trägt das Aktenzeichen AZ: 3 StR 239/10. (sb)
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