Über 650.000 Versicherte wechselten die Krankenkasse aufgrund von Zusatzbeiträgen
26.01.2011
Die Einführung von Zusatzbeiträgen hat einigen Krankenkassen einen erheblichen Mitgliederschwund beschert. Über eine halbe Million Versicherte haben in dem vergangenen Jahr von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch gemacht. Kassen die keine Zusatzbeiträge erheben, erlebten deutliche Mitgliederzuwächse.
Wechsel der Krankenkasse von der Politik gewollt
Die Einführung von Zusatzbeiträgen hat den Krankenkassen herbe Verluste beschert. Über eine Million gesetzlich Krankenversicherte kündigten daraufhin ihre alte Krankenkasse und wechselten zu einer neuen Krankenversicherung. Waren die Zusatzbeiträge noch bis zum Jahreswechsel gedeckelt, so können seit Inkrafttreten der Gesundheitsreform die Krankenkassen die Höhe der zusätzlichen Pauschalbeträge selbst bestimmen. Bislang kommen die meisten GKV Anbieter durch die Anhebung des regulären Beitragssatzes ohne einen Zusatzbeitrag aus. Allerdings prognostizieren Gesundheitsökonomen für die kommende Jahre beinahe flächendeckende Pauschalbeträge, die zusätzlich erhoben werden. Der Wechselgrund wird dann nicht mehr die Tatsache als solches sein, sondern die Höhe des zusätzlichen Beitrages. Nach Ansicht des Bundesgesundheitsministeriums wird hierdurch der Wettbewerb im Gesundheitswesen gefördert. Kassen die wirtschaftlich agieren, sollen von dem Wechselwillen der Versicherten profitieren. Die Anzahl der gesetzlichen Krankenkassen wird sich minimieren und im Sinne des Kapitalorientierten Handelns werden zahlreiche Kassen in die Insolvenz gehen müssen. Auch das ist im Sinne der Politik, die eine Minimierung der Kassen anstrebt.
Sonderkündigungsrecht macht Krankenkassenwechsel möglich
Erhebt eine Krankenkassen einen Zusatzbeitrag oder wird der bereits bestehende Zusatzbeitrag erhöht, können Versicherte von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen und wechseln. Im Anschluss ist der Versicherte 18 Monate an den Vertrag gebunden, es sei denn, auch die neue Krankenversicherung erhebt ebenfalls einen Pauschalbetrag oder erhöht den Bestehenden. Im letzten Jahr haben von diesem Recht rund eine halbe Million Menschen Gebrauch gemacht. Profitiert von den Wechselwanderungen haben die Kassen, die mit dem regulären Kassenbeitrag auskommen. Besonders viele Neumitglieder konnten die Barmer GEK, die Allgemeine Ortskrankenkasse AOK und die Techniker Krankenkasse (TK) verzeichnen. Deutliche Verlierer waren vor allem die Deutsche Angestellten Krankenkasse sowie die KKH- Allianz. Beide Anbieter verlangen auch in diesem Jahr einen Zusatzbeitrag in Höhe von acht Euro.
Herbe Verluste für die DAK und KKH- Allianz
Die DAK war am heftigsten betroffen. Rund 460.000 Menschen kehrten der DAK den Rücken und wechselten. Das entspricht gemessen an den Gesamtmitgliederzahlen einen Anteil von satten sieben Prozent. Die Anzahl der Versicherten sank von rund 6,3 auf 5,8 Millionen seit Neujahresbeginn. Am stärksten waren die Wanderbewegungen im Verlauf der Ersteinführung im Frühjahr letzten Jahres. Bei der KKH- Allianz waren es rund 190.000 Bürger, die die Kasse verließen. Hier beträgt der Verlustanteil neun Prozentpunkte. Nach offiziellen Angaben der KKH- Allianz verzeichnete man noch Anfang 2010 einen Mitgliederstamm von 2,05 Millionen Versicherte. Zum Ende des Jahres waren es nur noch rund 1,86 Millionen Versicherte. Neben den beiden größten Kassen erheben derzeit noch 11 weitere kleinere Krankenkassen einen Zusatzbeitrag. Insgesamt wechselten im letzten Jahr 650.000 Versicherte ihre Krankenversicherung.
Große Krankenkassen profitieren
Deutlicher Gewinner war die Barmer GEK, die einen Mitgliederzuwachs von 100.000 Neumitgliedern verbuchen konnte. Die Techniker Krankenkasse konnte sogar 340.000 Mitglieder hinzugewinnen. Das entspricht einem Zuwachsgewinn von rund 4,5 Prozent. Auch die AOK mit ihren regionalen Untergliederungen, die IKK Classic (plus 46.000) sowie die Vereinigte IKK (plus 26.000) konnten gemessen an ihren Mitgliederzahlen deutliche Zugewinne verbuchen.
Nach Angaben eines Sprechers der Krankenkassen ist dafür tatsächlich das eingeräumte Sonderkündigungsrecht verantwortlich. Viele Versicherte sehen den Zusatzbeitrag als Grund an, ihre Krankenkasse zu verlassen. Individuelle Gesundheitsleistungen der einzelnen Anbieter scheinen weniger argumentativ zu wirken. Die Einführung von Zusatzbeiträgen hat sich allen Anschein nach für die Kassen als unvorteilhaft heraus gestellt. Erst wenn weitere Kassen einen Zusatzbeitrag nicht mehr ausschließen können, wird eine erneute Wanderung zwischen den gesetzlichen Krankenkassen stattfinden. Das wird aller Voraussicht nach ab 2012 bzw. spätestens ab 2013 der Fall sein. Ab diesem Zeitpunkt werden die beschlossenen Beitragssteigerungen nicht mehr ausreichen. (sb)
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