Ärzte bieten immer häufiger Zusatzleistungen an
Ärzte als Verkäufer von Zusatzleistungen: Kassenpatienten zahlen immer häufiger selbst für Gesundheitsleistungen.
08.12.2010
Immer mehr Ärzte zeichnen sich auch als Verkäufer medizinischer Leistungen aus. So kommt eine aktuelle Untersuchung des wissenschaftlichen Instituts de AOK zu dem Ergebnis, dass jedem vierten Patienten jährlich Gesundheits-Zusatzleistungen von ihrem Arzt verkauft werden, die aus eigener Tasche zu bezahlen sind.
Einnahmen von 1,5 Milliarden Euro aus individuellen Gesundheitsleistungen
Die am Mittwoch veröffentlichte Studie des wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) beschäftigte sich explizit mit den sogenannten individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL), die keine Kassenleistung sind und von den Patienten aus eigener Tasche bezahlt werden müssen. Mit derartigen Leistungen setzen die Ärzte mittlerweile jährlich 1,5 Milliarden Euro, erklärte das WIdO im Rahmen der aktuellen Veröffentlichung ihrer Ergebnisse. 2.500 Kassenpatienten hatte das WIdO bezüglich der IGeL befragt, mit erstaunlichem Resultat. Über einem Viertel der Patienten (28,3 Prozent) wurde eine entsprechende medizinische Leistungen von ihrem Arzt verkauft. Der Anteil der Patienten, die eine entsprechende Leistung bei ihrem Arzt erkauft haben, ist demnach von knapp neun Prozent im Jahr 2001 und rund 16 Prozent im Jahr 2004 auf den aktuellen Höchstwert von 28 Prozent gestiegen. Am häufigsten wurden dabei von den individuellen Gesundheitsleistungen Ultraschalluntersuchungen (20 Prozent) und Glaukomvorsorgeuntersuchungen (16 Prozent) verkauft, gefolgt von Medikamenten, Heil- und Hilfsmitteln (11 Prozent) sowie Blutuntersuchungen und Laborleistungen, erklärte das WIdO im Rahmen der Vorstellung der Studienergebnisse.
Gesetzliche Krankenversicherungen betrachten die Entwicklung kritisch
Angesichts der Ergebnisse zeigte sich die AOK eher kritisch, denn die gesetzlichen Krankenversicherungen würden alles bezahlen, was einen nachgewiesenen Nutzen hat und medizinisch notwendig sei, betonte Dr. Gerhart Schillinger vom AOK-Bundesverband. So seinen zusätzliche Leistungen eigentlich nicht erforderlich und das Modell des IGeL-Verkaufs habe zur Folge, dass teilweise Leistungen in Rechnung gestellt werden, die eigentlich im Leistungspaket der gesetzlichen Krankenversicherung enthalten sind. Zum Beispiel seien medizinisch notwendige Ultraschalluntersuchungen oder Hautkrebsscreenings eigentlich durch die Kostenübernahme der gesetzlichen Krankenkassen abgedeckt und so sollte niemand dafür bezahlen müssen, erklärte Dr. Schillinger. Außerdem hat die Umfrage des WIdO ergeben, dass die Ärzte oftmals die rechtlichen Vorgaben für die Abrechnungen der zusätzlichen Leistungen nicht einhalten. Etwa 46 Prozent der befragten Patienten, die entsprechende zusätzliche Leistungen in Anspruch genommen haben, hätten keine notwendige schriftliche Vereinbarung unterzeichnet und rund 15 Prozent der Käufer gaben an, nicht einmal eine Rechnung erhalten zu haben, so die Aussage des WIdO.
IGeL-Angebot steht im direkten Zusammenhang zum Einkommen
Kritisch wurde von Seiten der AOK außerdem bewertet, dass privat zu zahlende Zusatzleistung den Patienten offenbar nicht in Abhängigkeit von ihrem gesundheitlichen Zustand sondern von ihrem individuellen Einkommensverhältnissen angeboten wurden. So wurde Patienten mit einem Einkommen über 4.000 Euro netto im Monat, mehr als doppelt so häufig eine entsprechende Zusatzleistung angeboten wie Patienten die weniger als 1000 Euro Einkommen haben. Nur etwa jedem sechsten Patienten (16,9 Prozent) der unteren Einkommensgruppe wurden die sogenannten IGeL angeboten, wohingegen bei den Besserverdienenden mehr als ein Drittel (38,8 Prozent) der Befragten bereits entsprechende Offerten von seinem Arzt erhalten hat. Fast jeder dritte besser verdienende Patient, hat dabei schon einmal die IGeL-Angebote seines Arztes in Anspruch genommen.
Gynäkologen und Augenärzte bieten am häufigsten IGeL an
In Bezug auf die verkauften IGeL bestehen zwischen die Ärzten der verschiedenen Fachrichtungen erhebliche Unterschiede, erklärte das WIdO weiter. So bieten Augenärzte und Gynäkologen individuelle Gesundheitsleistungen im Schnitt sechs bis sieben Mal häufiger an als Allgemeinmediziner. Auch Urologen verkaufen ihren Patienten rund fünfmal so häufig private Zusatzleistungen wie die Allgemeinmediziner im Durchschnitt. Orthopäden und Hautärzte bieten ihren Patienten ebenfalls vermehrt die IGeL an, wobei sie rund viermal so häufig entsprechende Leistungen verkaufen wie der Durchschnitt der Allgemeinmediziner. Das die Ärzte ihr Angebot im Bereich der IGeL in den letzten Jahren massiv ausgeweitet haben, ist jedoch nicht nur auf den Geschäftssinn der Mediziner zurückzuführen, sondern spiegelt auch die Tatsache wider, dass vielen Patienten die Leistungen ihrer gesetzlichen Krankenversicherung nicht ausreichen. So sind die gesetzlich Versicherten immer häufiger bereit für mehr Leistung auch mehr Geld auszugeben. Hier muss sich der Gesetzgeber fragen, ob dies die gewünschte Entwicklung ist. Denn Ärzte, die wie Versicherungsverkäufer versuchen dem Patienten noch schnell alle möglichen Leistungen mit aufs Auge zu drücken, können nicht im Sinne der Gesundheit der Patienten sein. Da für die Normalverdiener in den gesetzlichen Krankenkassen zudem nicht die Option besteht, entsprechend häufig IGeL in Anspruch zu nehmen, werden sie damit automatische gesundheitlich benachteiligt. (fp)
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Bild: Verena N. / pixelio.de
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