Ärzte verkaufen immer mehr Zusatzleistungen. Die Anzahl verkaufter Gesundheitsleistung ohne Kassenübernahme ist seit 2005 um 50 Prozent gestiegen. Die Ärzteschaft konnte dabei Einnahmen von rund 1,5 Milliarden Euro im Jahr erwirtschaften.
08.12.2010
Viele kennen das Phänomen: Als Patient wird man immer häufiger von Ärzten gefragt, ob bestimmte Zusatzleistungen zur medizinischen Vorsorge oder Behandlung durchgeführt werden sollen. Das Besondere: Die angebotenen Leistungen müssen aus eigener Tasche bezahlt werden, da viele Leistungen von den Krankenkassen nicht übernommen werden. Das gilt beispielsweise auch für viele Behandlungen aus der Naturheilkunde. Patienten sind oftmals auf die Aussagen der Ärzte angewiesen, die ihrerseits in vielen Fällen gern Zusatzleistungen verkaufen, um Zusatzeinnahmen zu generieren. Tatsächlich werden jedoch auch Therapien verkauft, die sehr wohl von den Krankenkassen übernommen werden.
Laut einer Studie verkaufen Mediziner gesetzlich Versicherten immer öfter Zusatzleistungen wie Ultraschalluntersuchungen, Homöopathie oder Labortests, die von den gesetzlichen Krankenversicherungen nicht übernommen werden. Den niedergelassenen Ärzten bescherten diese Behandlungen jährlich zusätzliche Einnahmen von rund 1,5 Milliarden Euro, wie es in der am Mittwoch vorgestellten Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WidO) hieß. Damit stieg der Erlös durch die nicht von der Kasse anerkannten Behandlungen und Diagnoseverfahren seit 2005 um 50 Prozent.
Jedem vierten gesetzlich Versicherten (28,3 Prozent) wurde schon einmal eine Gesundheitsleistung verkauft, die von den Kassen nicht bezahlt wurde. Die Kosten hierfür mussten die Patienten aus der eigenen Tasche bezahlen. Noch vor rund sechs Jahren (2004) lag der Anteil der Zusatzleistungen für Kassenpatienten bei 16 Prozent. Im Jahr 2001 sogar nur bei neun Prozent. Die am meisten verkauften medizinischen Leistungen waren sogenannte Individuelle Gesundheitsleistungen (IgeL) wie Ultraschall- und Glaukomvorsorgeuntersuchungen beim Augenarzt. Auf Platz 2 folgten zusätzliche Arzneimittel, an Platz 3 Heilmittel z.B. aus der Naturheilkunde und danach Hilfsmittel und Vorsorgeangebote wie z.B. Blutuntersuchungen und Laborleistungen.
Nicht Gesundheit sondern Einkommen entscheidet über die Beanspruchung
An der Umfragestudie des Kasseninstituts der AOK nahmen rund 2500 Patienten teil. Auffällig bei den Studienergebnissen war, dass die individuellen Zusatzleistungen weniger von dem Gesundheitszustand oder Alter des Patienten abhing, sondern eher davon, welchen Bildungsgrad und über welches Einkommen der Versicherte verfügte. Demnach nahmen vor allem Menschen die Zusatzleistungen bei niedergelassenen Arzt in Anspruch, die mehr als 4000 Euro netto im Monat verdienen. Hier war die Rate für die Beanspruchung der Leistungen doppelt so hoch, als bei denjenigen die mit weniger als 1000 Euro netto Verdienst im Monat auskommen müssen. In dieser Einkommensgruppe nahm nur etwa jeder sechste (16,9 Prozent) eine solche Gesundheitsleistung ohne Kassenübernahme in Anspruch. Patienten die über ein entsprechend hohes Einkommen verfügten, haben zu einem Drittel schon einmal eine kostenpflichtige Zusatzgesundheitsleistung in Anspruch genommen. Hier gaben 38,8 Prozent der Teilnehmer an, solche Erfahrungen bereits in einer Arztpraxis gemacht zu haben.
Unterschiede beim Anbieten von nicht Versicherungspflichtigen Leistungen gab es vor allem bei den einzelnen Fachärzten. Am meisten wurden kostenpflichtige Vorsorgeleistungen beim Augenarzt und Gynäkologen angeboten. Hier wurden die Zusatzleistungen bis zu sieben mal mehr verkauft, als beispielsweise bei Allgemeinmedizinern. Auf den weiteren Rängen finden sich Urologen, die in etwa fünf so häufig Patientenangebote unterbreiteten, sowie Allgemeinmediziner und Hautärzte mit einem ungefähren Vierfachangebot.
Krankenkassen raten Patienten zur Vorsicht
Die Krankenkassen raten indes zur Vorsicht. Bei einigen Leistungen ist es fragwürdig, ob ein zusätzlicher Nutzen überhaupt gewährleistet ist. Zum anderen werden laut der Allgemeinen Ortskrankenkasse AOK häufig Gesundheitsleistungen verkauft, die eigentlich als Standards gelten und von den Ärzten regulär als Honorar abgerechnet werden können. Dies gelte vor allem für notwendige Ultraschalluntersuchungen und Hautkrebsscreening. Ein Nachfrage bei der zuständigen Krankenkasse kann im Vorfeld Gewissheit verschaffen. Immer wieder kommt es vor, dass Ärzte aufgrund der Unwissenheit der Patienten zusätzliche Einnahmequellen erfinden, obwohl bestimmte Vorsorge- und Therapien als Kassenleistung abgerechnet werden können. (sb)
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Bild: Paul Golla / pixelio.de
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