Gesundheitssystem: Ärztepräsident fordert intensive Diskussion um Geld
12.01.2012
Die anhaltenden Diskussionen über die Finanzierung des Gesundheitssystems haben den Präsidenten der Bundesärztekammer, Dr. Frank Ulrich Montgomery, dazu veranlasst, diese als Thema beim kommenden Ärztetag im Mai auf die Tagesordnung zu rufen. Die Ärzte sollten sich lauter an der Diskussion über das Geld beteiligen, erklärte der Ärztepräsident.
In der Vergangenheit haben sich die Ärzte, was die Bereitstellung der finanziellen Mittel im Gesundheitssystem anbelangt, eher bedeckt gehalten. Ihr Auftrag sei die medizinische Versorgung der Bevölkerung und nicht die Organisation der Mittel, beschlossen die Ärzte noch auf dem Ärztetag 2008 in Ulm. Bei dem diesjährigen Ärztetreffen in Nürnberg will der Präsident der Bundesärztekammer nun jedoch eine Beteiligung der Ärzte an der Diskussion über die Finanzierung des Gesundheitssystems initiieren.
Politische Positionierung zur gesetzlichen Krankenkasse vorstellbar
Wie der Bundesärztekammerpräsident ankündigte, soll die künftige Finanzierung des Gesundheitswesens ein Schwerpunktthema auf dem Ärztetag im Mai bilden. Praxisgebühren, Zusatzbeiträge, Bürgerversicherung und Sparmaßnahmen – die Ärzte sollen sich nach Vorstellung von Montgomery auch zu den schwierigen Fragestelllungen positionieren. „Inzwischen haben die Ärzte begriffen, dass sie sich beteiligen müssen“, erklärte der Ärztepräsident bei der Neujahrspressekonferenz der Bundesärztekammer am Mittwoch in Berlin. Anders als bei dem Ärztetag 2008, auf dem sich die Mediziner noch mit einer Zweidrittelmehrheit gegen eine politische Positionierung entschieden, kann sich Montgomery dieses Jahr auch vorstellen, dass der Ärztetag in Nürnberg sich auf politische Positionen zur GKV einigt. Allerdings habe die Bundesärztekammer bisher ganz bewusst auch einen Leitantrag zu diesem Thema verzichtet, da die Meinungsbildung in der Ärzteschaft nicht durch vorgegebene Positionen beeinflusst werden solle. Zu dem Ärztetag im Mai wurden sowohl der gesundheitspolitische Sprecher der CDU Bundestagsfraktion, Jens Spahn, der das Prämienmodell befürwortet, als auch der SPD-Gesundheitspolitiker, Karl Lauterbach, Fürsprecher der Bürgerversicherung, eingeladen.
Modell der Zusatzbeiträge zu zaghaft
Obwohl die Einladung der beiden gesundheitspolitischen Sprecher eine offenen Diskussion ermöglichen soll, ist die Position von Montgomery an dieser Stelle jedoch nicht gänzlich neutral. So kritisierte der Bundesärztekammerpräsident die von CDU, CSU und FDP durchgesetzte Prämienfinanzierung des Gesundheitswesens über Zusatzbeiträge als zu zaghaft. Auf diese Wiese bleibe der Gesundheitsfonds außerdem stets in der Abhängigkeit von konjunkturellen Entwicklungen. Stattdessen sei daher eine Finanzierung gefragt, „die weniger von der Konjunktur abhängig ist und mehr auf die demografische Veränderung reagiert“, betonte Montgomery. Hier sollten die Ärzte zum Beispiel auch darüber diskutieren, ob neben den Löhnen und Gehältern nicht auch Mieten und Kapitaleinkünfte zur Beitragsberechnung herangezogen werden.
Bürgerversicherung als Turbozündung für die Zweiklassenmedizin
Dies ist nach den Vorstellungen der SPD jedoch bisher auch im Modell der Bürgerversicherung nicht berücksichtigt. Und obwohl Montgomery langjähriges SPD-Mitglied ist, hält er die Bürgerversicherung daher für eine Fehlentwicklung. Das bisher angedacht Bürgerversicherungsmodell „sei die Turbozündung für die Zweiklassenmedizin“, betonte der Präsident der Bundesärztekammer. Denn auch hier würden sich diejenigen, die es sich leisten können, dem Einheitsbrei der Bürgerversicherung entziehen und auf zusätzliche kostenpflichtige Angebote der Ärzte zurückgreifen. Dabei sei es das gute Recht der Ärzte, entsprechenden Angebote bereitzustellen.
Möglichkeiten zur Kosteneinsparung im Gesundheitssystem
Auch über Möglichkeiten der Kosteneinsparung im Gesundheitssystem will Montgomery auf dem Ärztetag im Mai diskutieren. Hier nannte der Präsident der Bundesärztekammer als Beispiele für Effizienzreserven, den seiner Ansicht nach zu hohen Verwaltungsaufwand in der GKV. Durch den Bürokratie- und Kontrollwahn der Krankenkassen würden Milliarden Euro verschwendet, betonte Montgomery. Der Bundesärztekammerpräsident schnitt außerdem die Praxisgebühr als weiteres Themenfeld an, dass im Rahmen des diesjährigen Ärztetages diskutiert werden könnte. Montgomery machte dabei keinen Hehl daraus , dass er die Praxisgebühr am liebsten abschaffen würde, nicht zuletzt da sie keine Steuerungswirkung entfaltet habe. Ein Rückgang der Arztbesuch wurde durch die Pauschale von zehn Euro nicht erreicht. Statt der Einnahmen über die Praxisgebühr sollten die Krankenkassen daher eine Kompensation aus dem Gesundheitsfonds erhalten.
Ärzte fordern Beteiligung an der Umsetzung des Versorgungsstrukturgesetzes
Einen weiteren wesentlichen Punkt auf dem diesjährigen Ärztetag wird nach Ansicht von Frank Ulrich Montgomery die im Januar angelaufene Umsetzung des Versorgungsstrukturgesetzes bilden. Diese müsse von der Ärzteschaft kritisch begleitet werden und die einzelnen Bundesländer seien dazu aufgefordert, die Ärztekammern in die Landesausschüsse für die Bedarfsplanung aufzunehmen, betonte Montgomery. Bisher sei dies nicht überall vorgesehen. Insbesondere zur Vermeidung des bereits vielfach diskutierten, drohenden Ärztemangels im ländlichen Raum, bedürfe es einer verbesserten Interaktion zwischen der ärztlichen Weiterbildung und den Möglichkeiten der späteren Berufsausübung. „Dafür braucht man die Ärztekammern“, betonte Montgomery. (fp)
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