Werden Aids-Medikamente für HIV-Patienten zur Drogenherstellung missbraucht?
30.11.2010
Anlässlich des Welt-Aids-Tages am 01 Dezember 2010 wurden nicht nur die aktuellen Zahlen der weltweiten Aids-Infektionen thematisiert, sondern auch einige bisweilen sehr skurrile Tatsachen kommen ans Tageslicht. So werden die zur Behandlung von HIV-Infizierten vorgesehenen Arzneimittel in Südafrika häufig zur Herstellung der Droge Whoonga verwendet. Raub und Mord sind keine Ausnahme wenn es um die Beschaffung der Mittel geht und so müssen die Infizierten nicht nur aufgrund von HIV um ihre Gesundheit fürchten.
Während HIV in den vergangenen Jahrzehnten in Südafrika oft eher verharmlost und den Betroffenen nicht wirklich geholfen wurde, hat sich in den letzten Jahre unter der Regierung von Jacob Zuma einiges getan. Aufgrund der hohen Infektionszahlen (fast jeder Achte im Land ist infiziert) und der wachsenden Verbreitung , hatte der südafrikanische Staatspräsident nach seinem Regierungsantritt dem Kampf gegen den Aidserreger HIV, eine besonders hohe Priorität eingeräumt. Knapp 6 Millionen der 50 Millionen Einwohner Südafrikas sind mit HIV infiziert.
In den letzten Jahren zeichneten sich jedoch bereits erste Erfolge der intensivierten Bemühungen ab. Seit dem Jahr 2001 ist die Zahl der Neuinfektionen um mehr als 25 Prozent gesunken. Im Januar dieses Jahres startete eine weitere Kampagne mit dem Ziel, dass sich bis Juni nächsten Jahres 15 Millionen Menschen einem HIV-Test unterziehen. Außerdem soll die Zahl der von den Behörden frei verteilten Kondome von 450 Millionen auf 1,5 Milliarden pro Jahr angehoben werden und parallel soll die Zahl der Infizierten, die mit Medikamenten versorgt werden, ebenfalls erheblich steigen. Doch während Aufklärungskampagnen sowie die Verteilung von Milliarden Kondomen und Medikamenten, bereits einige Erfolge bei der Bekämpfung von Aids bewirkten, droht der Aids-Bekämpfung nun ein herber Rückschlag. Denn die Drogenbosse haben den Markt der HIV-Medikamente für sich entdeckt und nutzten die Präparate zur Herstellung der Droge Whoonga.
Whoonga ist eine Mischung aus antiretroviralen (ARV) Medikamenten mit Marihuana. Innerhalb eines Jahres hat sich die neue Droge von der Provinz KwaZulu-Natal ausgehend im im ganzen Land verbreitet. „Die Zahl der Süchtigen geht schon in die Hunderttausende, aber leider nimmt die Regierung das Problem nicht ernst genug“, erklärte Thokozani Sokhulu, Gründer des Projekts Whoonga anlässlich des diesjährigen Welt-Aids-Tages. Die zur Herstellung von Whoonga verwendeten Aids-Medikamente, sogenannte Stocrin-Tabletten, sind unter Kriminellen derzeit heiß begehrt und sie scheuen keine Mühen, sich die Präparate zu beschaffen. Damit unterhöhlen sie jedoch in wachsendem Maße das staatliche Anti-Aids-Programm der südafrikanischen Regierung, denn die an rund 700.000 Südafrikaner für einen Preis von 15 und 35 Rand (1,60 bis 3,70 Euro) je Dosis vergebenen Medikamente, landen immer häufiger in den Taschen der Kriminellen. Patienten müssen fürchten, Zielscheibe von Raubüberfällen zur Beschaffung der Arzneimittel zu werden und auch Krankenschwestern in Hospitälern wurden nach Angaben der „Sunday Times“ bereits beim Diebstahl der Tabletten erwischt. Die Sorge der Polizei reicht sogar noch weiter, denn die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass Banden künftig auch Überfälle auf Medikamenten-Transporte und Kliniken organisieren könnten. In Durban ist die Auseinandersetzung um den Whoonga-Markt nach Vermutungen der Polizei bereits Hintergrund zweier Bandenkriege, bei denen elf Menschen getötet wurden. Laut Vincent Ndunge, dem Polizeisprecher der Region KwaZulu-Natal, war Whoonga vor zwei bis drei Jahren erstmals Thema bei den Sicherheitsbehörden als Polizisten eine Bande überführten, die den HIV-Infizierten ihre Medikamente stahlen sobald sie das Krankenhaus verließen.
Währende Südafrikas Polizeisprecher Vish Naidoo offiziell stets betont, dass sich die Sicherheitsbehörden der Probleme bewusst seien und diese „im Griff haben“, zeichnen zahlreiche Aids-Hilfe-Organisationen ein anderes Bild. Sie berichten, dass in den vergangenen Monaten Hunderte von Überfällen auf HIV-Patienten stattgefunden haben. So seien allein im Township Umlazi in Durban in der vergangenen Woche 25 Patienten ausgeraubt worden, wie Thokozani Sokhulu mitteilt. Der Experte geht außerdem davon aus, dass sich eine wachsende Zahl von Personen aufgrund des scheinbar lukrativen Geschäfts absichtlich mit HIV infiziere, um an die Medikamente zu kommen. So hat auch der Polizeisprecher der Provinz KwaZulu-Natal, Vincent Ndunge, gegenüber der „Sunday Times“ eingeräumt: „Die Probleme sind viel schlimmer als wir bisher dachten“.
Das skurrilste an der Geschichte: die Droge Whoonga soll nach Einschätzung verschiedener Fachleute neben dem durch Marihuana erzeugten Effekt keine zusätzlich berauschende Wirkung haben, erklärte der renommierte Aids-Experte, Dr. Njabulo Mabaso. Da das Rauschgift nach Angaben des Project Whoonga teilweise jedoch auch mit Rattengift oder Waschmittelpulver anstatt der Aids-Virostatika hergestellt wird, sind die gesundheitlichen Risiken oft fatal und Whoonga hat sich schnell den Ruf einer „Killerdroge“ erarbeitet. (fp)
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Bildnachweis: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt
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