Bei Alzheimer zeigen Betroffene nicht nur kurzfristige Erinnerungslücken, sondern auch die Erinnerung an Freunde und Angehörige geht im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf verloren. Eine neue Studie zeigt nun, welche Mechanismen für die schwindende Erinnerung an Familie und Freunde verantwortlich sind.
Forschende der University of Virginia School of Medicine haben Störungen der sogenannten perineuronalen Netze, die die Neuronen im Gehirn umgeben, als entscheidenden Faktor für die Beeinträchtigungen des sozialen Gedächtnisses identifiziert. Auch gelang es ihnen, den Gedächtnisverlust bei Mäusen medikamentös zu verhindern. Die entsprechenden Studienergebnisse sind in dem Fachmagazin „Alzheimer’s & Dementia“ veröffentlicht.
Welchen Einfluss haben perineuronale Netze?
Rund 55 Millionen Menschen sind weltweit von Alzheimer betroffen und einer der schmerzlichsten Momente für deren Angehörige und Freunde ist, wenn die Erkrankten sich irgendwann nicht mehr an sie erinnern können, erläutern die Forschenden.
In früheren Untersuchungen konnte das Team um Dr. Harald Sontheimer von der University of Virginia School of Medicine bereits nachweisen, dass die perineuronalen Netze, welche die Neuronen umgeben, eine wichtige Barrierefunktion erfüllen, die die korrekte Kommunikation zwischen den Neuronen ermöglicht.
Weil diese Kommunikation der Neuronen entscheidend ist, um Erinnerungen zu bilden und zu speichern, vermuteten die Forschenden, dass Störungen der perineuronalen Netze ein entscheidender Wendepunkt bei Alzheimer sein könnten. An Mäusen überprüften sie daher, welchen Einfluss defekte perineuronale Netze auf deren Erinnerungsvermögen haben.
Soziales Gedächtnis geht verloren
Zwar konnten die Mäuse mit Störungen der perineuronalen Netze weiterhin neue Erinnerungen an Objekte in ihrer Umgebung bilden, doch waren sie nicht mehr in der Lage sich an andere Mäuse zu erinnern. Ihr „soziales Gedächtnis“ ging verloren, erläutert das Forschungsteam.
Dies spiegele die Beobachtungen bei Menschen mit Alzheimer wider, bei denen das soziale Gedächtnis oft vor dem Objektgedächtnis versage.
Erfolgreiche Behandlung erscheint möglich
In weiteren Untersuchungen überprüften die Forschenden zudem, ob sogenannte MMP-Inhibitoren den Verlust der perineuronalen Netze verhindern können – mit Erfolg. Der Abbau der Netze wurde gestoppt und das soziale Gedächtnis der Mäuse bewahrt, berichten die Fachleute.
„Die Entdeckung einer strukturellen Veränderung, die einen spezifischen Gedächtnisverlust bei Alzheimer erklärt, ist sehr vielversprechend. Es handelt sich um ein völlig neues Ziel, und wir haben bereits geeignete Wirkstoffkandidaten“, so Dr. Sontheimer. Allerdings seien zunächst weitere Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit des Ansatzes notwendig, bevor dieser bei Menschen angewendet werden kann.
Laut dem Studienautor war einer der interessantesten Aspekte der Studie zudem, „dass der beobachtete Verlust perineuronaler Netze völlig unabhängig von der Amyloid- und Plaque-Pathologie auftrat.“ Möglicherweise seien diese Proteinaggregate doch nicht die Ursache der Erkrankung.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die perineuronalen Netze offenbar eine entscheidende Rolle bei der Erinnerung an Familie, Freunde und Bekannte spielen und dass Störungen dieser Netze dem sozialen Gedächtnis schaden. Therapien, die auf einen Schutz der perineuronalen Netze abzielen, könnten einen effektiven Ansatz gegen Alzheimer bieten. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Lata Chaunsali, Jiangtao Li, Erik Fleischel, Courtney E. Prim, Izabela Kasprzak, Shan Jiang, Silky Hou, Miguel Escalante, Elise C. Cope, Michelle L. Olsen, Bhanu P. Tewari, Harald Sontheimer: Degradation of perineuronal nets in hippocampal CA2 explains the loss of social cognition memory in Alzheimer's disease; in: Alzheimer’s & Dementia (veröffentlicht 22.10.2025), alz-journals.onlinelibrary.wiley.com
- University of Virginia Health System: Discovery reveals why Alzheimer’s patients forget family, friends (veröffentlicht 10.11.2025), eurekalert.org
Wichtiger Hinweis:
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