Arzneimittel-Rückstände belasten das Trinkwasser in Berlin
Das Trinkwasser in Berlin ist mit einer relativ hohen Konzentration von Medikament-Rückständen belastet. Zu dem Ergebnis kamen Bremer Forscher bei der Untersuchung des Wassers auf Reste des in der Kernspintomographie bzw. der Magnetresonanz-Tomografie (MRT) eingesetzten Kontrastmittels Gadolinium. Die ermittelten Werte gelten als Indikator für die Gesamtbelastung des Trinkwassers mit Rückständen von Medikamenten.
Medikamenten-Rückstände gelangen ins Trinkwasser
Professor Michael Bau von der Jacobs University Bremen und der Doktorand Serkan Kulaksiz haben im Rahmen einer umfassenden Studie, das Trinkwasser- in Berlin auf Rückstände des MRT-Kontrastmittels Gadolinium untersucht und ihre Ergebnisse anschließend kartografiert. Die gemessene Gadolinium-Konzentration dient dabei als Indikator für die generelle Belastung des Trinkwassers mit Rückständen von Medikamenten. Als solcher eignet sich das MRT-Kontrastmittel besonders gut, da der toxische Stoff vor der Verwendung mit einer ungiftige chemische Verbindung eingehüllt bzw. in Mantelmoleküle eingebunden wird, um eine Resorption (Stoffaufnahme durch den Organismus) zu verhindern. So scheidet der menschliche Körper das veränderte, sogenannte anthropogene Gadolinium (Gd) kurze Zeit nach der intravenösen Verabreichung bzw. Injektion wieder vollständig aus. Das anthropogene Gadolinium gelangt über die Toilette ins Abwasser, kann jedoch auch dort nicht abgebaut oder entfernt werden, da es aufgrund der Mantelmoleküle gegen chemische Reaktionen quasi immun ist. So erreicht das MRT-Kontrastmittel mit dem gereinigten Klärwasser den Teltow-Kanal sowie die Spree und Havel. Von dort aus nimmt das Gadolinium seinen Weg über das Grundwasser in die über 800 Trinkwasserbrunnen Berlins und zurück ins Leitungswasser.
Gadolinium-Konzentration als Indikator für Arzneimittel-Rückstände
Da viele Wirkstoffe und Medikamente den gleichen Weg nehmen, ist die Gadolinium-Konzentration in den Augen der Wissenschaftler nur ein Ausdruck für die allgemeine Belastung des Trinkwassers mit Arzneimittel-Rückständen. „Weil sich zahlreiche Medikamente und deren Abbauprodukte ähnlich verhalten wie die Gadolinium-haltigen Kontrastmittel, sind hohe Gehalte an Kontrastmittel Gadolinium ein deutlicher Hinweis auf erhöhte Gehalte an Arzneimittelrückständen im Trinkwasser“, erklärten die Bremer Forscher den Ansatz ihres Berichts. Und sie ergänzten, dass „im Gegensatz zum nach derzeitigem Kenntnisstand ungiftigen Gadolinium aus Kontrastmitteln können solche Arzneimittelrückstände allerdings gesundheitsgefährdend sein.“ So stellt sich die Frage welchen Belastungen und gesundheitlichen Risiken die Berliner Bürger täglich durch die Arzneimittelkonzentration im Trinkwasser ausgesetzt sind.
Innenstadtbereich und Westberlin am stärksten betroffen
Als Ansatz zu räumlichen Differenzierung haben Professor Michael Bau und Serkan Kulaksiz die Gadolinium-Konzentration kartografiert. Dabei ergibt sich, dass die Belastung des Trinkwassers in den verschiedenen Stadtteilen Berlins sehr unterschiedlich ausfällt. Generell stärker betroffen ist der Innenstadtbereich und der Westen. Im Reichstag Reichstag wurde mit 17,62 ng/kg die höchste Gadolinium-Konzentration Berlins gemessen, dicht gefolgt vom Zoologischen Garten und dem Kurfürstendamm. In Friedrichshain und der Altstadt Spandau wurden hingegen nur Werte von 0,15 ng/kg ermittelt, was unter der jeweiligen natürlichen Gadolinium-Konzentration lag (0,33 und 0,42 ng/kg). In ganz Ostberlin war lediglich der Bezirk Mitte von einer erhöhten Konzentration betroffen.
Gesundheitliches Risiko durch andere Arzneimittel nicht auszuschließen
Die Gadolinium-Konzentrationen war an keinem der Messpunkte so hoch, dass sie eine Gefahr für die Gesundheit darstellen würde, betonten Professor Michael Bau und Serkan Kulaksiz im Rahmen ihrer Studie. Vor dem Hintergrund, dass die Rückstände des MRT-Kontrastmittels jedoch nur ein Indiz für die generelle Arzneimittelbelastung des Trinkwasser sind, ist ein gesundheitliches Risiko durch andere Medikamenten-Rückstände allerdings nicht auszuschließen. Daher sollte im nächsten Schritt gezielt nach Medikamenten gesucht werden, die bereits in minimaler Konzentration schädlich sein können, erklärten die Wissenschaftler. Dabei denken sie zum Beispiel an weibliche Geschlechtshormone aus oralen Kontrazeptiva und bestimmten Antidepressiva, da für die entsprechenden Hormone Auswirkungen auf die Geschlechtsentwicklung von Fischen bereits wissenschaftlich belegt wurden. Welchen Effekte diese auf Menschen haben und ob sie auch hier Ursache für Infertilitäten seien können, ist bisher jedoch nicht geklärt. Vorsicht scheint angesichts der teilweise stark erhöhten Werte dennoch geboten und jeder sollte sich bewusst sein, dass mit der Einnahme von Arzneimitteln auch eine Belastung des Trinkwasser einher gehen kann. (fp, 08.10.2010)
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