Der Streit zwischen den Krankenkassen und Apotheken um die Arzneimittelrabatte spitzt sich zu
07.01.2011
Der Streit zwischen den Apotheken und den gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) über die Umsetzung des neuen Arzneimittelrabattgesetzes spitzt sich zu: Die GKV warnen Patienten davor, sich überteuerte Medikamente andrehen zu lassen, die Apotheker werfen den GKV Falsch- und Desinformation vor.
Seit dem 01. Januar gilt das im Rahmen der Gesundheitsreform beschlossene neue Arzneimittelrabattgesetz, dass unter anderem den Patienten ermöglicht statt der Rabattarzneien teurere Mittel mit gleichen Wirkstoffen zu verlangen. Unter den Apotheken und den gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) herrscht jedoch Uneinigkeit darüber, welche Medikamente die Patienten in der Apotheke tatsächlich verlangen dürfen und welche Verfahrensweise bei der Erstattung der Kosten für die Extra-Präparate anzuwenden ist.
Mit dem in Kraft treten des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) können sich Patienten seit Jahresbeginn in der Apotheke statt der Rabattarzneien ein gleichwertiges Medikament eines anderen Herstellers aussuchen, sofern Wirkstoff und Menge ihrem Rezept entsprechen und der Arzt gegen den Ersatz keine Einwände hat. Die Patienten bezahlen in diesem Fall den vollen Preis des Medikaments direkt in der Apotheke, erhalten eine Quittung und reichen diese bei ihrer Krankenkasse ein. Die Krankenkasse entscheidet anschließend, welche Summe der Patient wann erstattet bekommt. Dabei übernehmen die GKV jedoch ausschließlich den Betrag, den das ursprünglich verordnete, rabattierte Medikament gekostet hätte. Die Restkosten sind von den Patienten zu tragen, wobei hier nicht unerhebliche Summen anfallen können, wie auch der Vorsitzende der Deutschen BKK, Achim Kolanoski betonte. Daher sollten sich die Betroffenen in jedem Fall vorher über die möglichen Mehrkosten informieren sollten. Doch auch dies scheint nicht immer einfach.
So riet Thomas Ballast, Vorsitzender im Verband der Ersatzkassen (vdek), in einer Pressemitteilung vom Dienstag den Patienten, mögliche Mehrbelastung in der Apotheke zu erfragen und sich nicht zu überteuerten Medikamenten überreden zulassen. Der Vorsitzende des Deutschen Apothekenverbands DAV, Fritz Becker, erklärte hingegen, dass die Apotheken gar keine Auskunft über die möglichen Mehrkosten geben können, da die meisten GKV bisher nicht einmal die Verwaltungspauschalen als wichtigen Faktor der Kostenrechnung berechnet hätten. Becker warf dem Vorsitzeden des vdek „Falsch- und Desinformation“ vor. „Schon wieder lassen die Kassen ihre Versicherten im Stich“, so Becker weiter. „Patienten kommen schlecht oder falsch informiert in die Apotheken und müssen von uns über die Fakten aufgeklärt werden“, erklärte der DAV-Vorsitzende „Weil die Kassen ihre Verträge geheim halten, wird aus der von uns seit langem kritisierten mangelnden Transparenz nun langfristig Chaos. Ausbaden müssen diesen bürokratischen Irrsinn wieder einmal die Patienten und die Apotheken“, betonte Becker im Namen des DAV. Die Situation sei dabei zusätzlich kompliziert worden dadurch, dass viele Arzneimittelhersteller falsche Angaben zu Arzneimitteländerungen in die Apotheken-EDV eingespielt haben, erklärte Becker und forderte daher: „Schluss mit Intransparenz und Verantwortungslosigkeit. Wir brauchen wieder Versorgungssicherheit – anstelle von Abzocke.“
Tatsächlich herrsche unter den Versicherten ein zunehmendes Maß an Unverständnis, sie fühlen sich über die Änderung und deren Folgen nicht rechtzeitig und ausreichend informiert, erklärte der Vorsitzende des DAV weiter. In den Apotheken äußere sich dies in vermehrten Nachfragen bzw. einem erhöhten Beratungsbedarf der Patienten, welcher seinerseits längere Wartezeiten für alle Apothekenkunden mit sich bringe. „Für die Patienten ist das ein schwarzes Loch, denn sie wissen nicht, welche Belastung auf sie zukommt“, bemängelte Becker. „Und es ist unglaublich, dass sich die Kassen dieses Chaos von ihren Versicherten noch bezahlen lassen wollen, während Apotheker die Arbeit der Kassen übernehmen und seit dem 1. Januar 2011 zusätzliche Rabatte an die Kassen abdrücken müssen“, so die weitere Kritik des DAV-Vorsitzenden. Am Ende seien die Leidtragenden wieder einmal die Patienten, denn sie seien einerseits ungenügend über ihre Möglichkeiten und die entsprechenden Mehrkosten informiert, anderseits müssen sie in den Apotheken erheblich längere Wartezeiten in Kauf nehmen, schlussfolgerte Becker.
Der Vorsitzende des vdek Thomas Ballast konterte indes: „Der eigentliche Profiteur des Mehrkostenverfahrens ist die abgebende Apotheke, da die Wunschmedikation wie ein Privatrezept behandelt wird“ und die ausgehandelten gesetzlich vorgesehene Apotheken- und Herstellerrabatte somit entfallen. Achim Kolanoski, Vorsitzender der Deutschen BKK hat den Versicherten indes davon abgeraten, eine Alternative zu den günstigeren Arzneimitteln zu verlangen, denn diese seien nur teurer und brächten keinen medizinischen Zusatznutzen. (fp)
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Bild: siepmannH, Pixelio.de.
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