Angeblich begünstigen Atomkraftwerke nicht das Risiko von angeborenen Fehlbildung von Kindern. Atomgegner kritisieren die Studie als "argumentative Schützenhilfe zugunsten der Atomindustrie".
(22.07.2010) Kinder, die in der näheren Umgebung von Atomkraftwerken geboren werden, verfügen laut einer Studie kein erhöhtes Risiko angeborener Fehlbildungen, als Kinder, die in anderen Regionen Deutschlands zur Welt gebracht werden. Atomgegner kritisieren die Ergebnisse der Studie als "Schützenhilfe für die Atomindustrie".
Eine Studie der Universität Mainz die Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) durchgeführt wurde, kam zu dem Ergebnis, dass Babys die in der Nähe von Atommeilern zur Welt gebracht werden, nicht über ein erhöhtes Risiko verfügen, an angeborenen Fehlbildungen zu leiden. Bei der Studie wurde das Geburtenregister der Regionen untersucht. Dabei durchforsteten die Wissenschaftler die Registrierungen von Fehlbildungen von Kindern, die schon bei der Geburt auftraten. Untersucht wurde ein Umkreis von 10 Kilometern um die Atomkraftwerke im hessischen Biblis und baden-württembergischen Phillipsburg. Zum Vergleich wurden auch Geburtenregister anderer Regionen Deutschlands untersucht, in denen sich keine Atomkraftwerke befanden.
Die Forscher berichten, sie hätten zudem die Raten der Fehlgeburten, Fehlbildungen und Totgeburten verglichen. Bei der Studie wurden alle Geburten und Fehlgeburten zwischen November 2006 und Februar 2008 erfasst. Insgesamt wurden die Daten von 5273 Kinder und Föten, davon 5218 Lebendgeborene, 30 Tot-geborene und 25 Fehlgeburten ausgewertet. Nach Angaben der Universität Mainz konnte kein Unterschied zwischen Häufigkeit angeborener Fehlbildungen in der Nähe von Atomkraftwerken und den Vergleichsdaten anderen Regionen erkannt werden. Auch mit Zunahme der Nähe des Wohnortes zum Atomkraftwerk konnte kein Anstieg des Risikos beobachtet werden.
Sehr wohl konnte jedoch beobachtet werden, dass Frauen, die beruflich erhöhten Strahlenkonzentrationen ausgesetzt sind, über eine höhere Rate von Fehlgeburten verfügten. Wie das Bundesamt für Strahlenschutz mitteilte, würde dieses Ergebnis allerdings "auf wenige Einzelfällen beruhen". Ein direkter Zusammenhang konnte nicht nachgewiesen werden und soll nun weiter untersucht werden.
Häufigkeit von Krebstumoren und Leukämie bei Kindern schon 2007 festgestellt:
Bereits im Jahre 2007 wurde das häufige Auftreten von Krebstumoren bei Kindern unter 5 Jahren in der näheren Region von allen Atomkraftwerken in Deutschland im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz untersucht. Die Wissenschaftler konnten dabei fest stellen, dass Kleinkinder häufiger als in anderen Regionen an Krebs erkranken. Insbesondere Blutkrebs (Leukämie) trat besonders häufig in der Nähe von atomaren Kraftwerken auf. Doch bis heute wird ein eindeutiger Zusammenhang bestritten und das BfS behauptet, die Strahlenbelastungen der Atomkraftwerke seien allein nicht für die erhöhte Krebs-Erkrankungsrate der Kinder verantwortlich. Nach dem "derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand" seien Atomkraftwerke nicht allein dafür verantwortlich, wie es 2007 bei Abschluss der Studie hieß.
Kritik an den Studienergebnissen
Die Ärzteorganisation "Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung" (IPPNW) kritisiert die neu vorgestellte Studie des Bundesamtes für Strahlenschutz. Die Studie sei eine "argumentative Schützenhilfe zugunsten der Atomindustrie". Aufgrund der niedrigen Fallzahlen habe die Studie "eine zu geringe statistische Nachweisstärke", um einen "ähnlichen Effekt wie die Studie 2007" nachzuweisen. Das zeige eine Analyse der bereits im März veröffentlichten Studie durch den Physiker Dr. Alfred Körblein. Darin wird bemängelt, dass die Auswertung lediglich an zwei Kraftwerksstandorten (AKW Phillipsburg und das AKW Biblis) im Umkreis von nur 10 km durchgeführt wurde, und der Studienzeitraum gerade einmal 15 Monate andauerte. Trotz der dünnen Datenlage zeige sich aber eine deutliche Zunahme des Risikos mit der Nähe zum Atomkraftwerk, wenn die Auswertung der Daten auf den Entfernungsbereich größer 3 km beschränkt werde.
Die Wissenschaftler der Universität Mainz würden nach Ansicht der IPPNW den Eindruck erwecken, es sei "wissenschaftlich erwiesen", dass Kinder, deren Mütter in der Nähe von Kernkraftwerken wohnen, kein erhöhtes Risiko haben, mit Fehlbildungen zur Welt zu kommen. Doch die Studie von 2007 hatte bereits gezeigt, je näher ein Kind unter fünf Jahren an einem Atomkraftwerk wohnt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für das Kind, an Krebs und insbesondere an Leukämie zu erkranken. Deshalb fordert die Atom-kritische Ärzte-Organisation dazu auf, die Strahlenschutzstandards und Grenzwerte nicht an einem gesunden, jungen Mann, sondern am extrem strahlen-sensiblen Embryo zu orientieren. (sb)
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