Der Bund für Versicherte (BdV) warnt vor überstürztem Versicherungswechsel in die Private Krankenversicherung: Ein Wechsel in die PKV sollte gut überlegt sein.
22.12.2010
Der Bund für Versicherte warnt: „Niemand sollte jetzt unüberlegt in die private Vollversicherung gehen, vielleicht nur, weil er gerade gut verdient“, betonte der Vorsitzende der größten deutschen Verbraucherschutzorganisation für Versicherte, Thorsten Rudnik. Nach wie vor gelte: „Der Schritt in die Private Krankenversicherung (PKV) ist der Beginn einer lebenslangen Bindung. Ein Zurück in die Gesetzliche gibt es für kaum jemanden mehr.“ Zwar biete die PKV für viele kurzfristig erhebliche Vorteile, wie beispielsweise geringere Beiträge bei gleichzeitig besseren Leistungen, doch langfristig könnten die Nachteile für die Versicherten überwiegen, so die Warnung des BdV. „Es droht Ungemach, wenn man nur die kurzfristige Ersparnis sieht und nicht wirklich weiß, was die langfristigen Folgen sind“, erklärte Thorsten Rudnik.
Krankenversicherungswechsel wird vereinfacht
Hintergrund der aktuellen Warnung des BdV sind die zum 01. Januar 2011 in Kraft tretenden Beschlüsse der schwarz-gelben Bundesregierung zur Gesundheitsreform, wodurch ein Wechsel in die PKV erheblich vereinfacht und aufgrund der gleichzeitigen Beitragserhöhung auf 15,5 Prozent des Einkommens bei den gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) kurzfristig äußerst attraktiv erscheint. Im kommenden Jahr wird die Versicherungspflichtgrenze, dass heißt das Bruttoeinkommen ab dem Arbeitnehmer nicht mehr in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, auf 4.125,- Euro monatlich (49.500,- Euro jährlich) abgesenkt. Zudem müssen die Beschäftigten diese Grenze nur in einem einzigen Jahr erreichen, um in die PKV wechseln zu können, nicht wie bisher in drei aufeinander folgenden Jahren. Damit können erheblich mehr Arbeitnehmer in die PKV wechseln als bislang, doch der Wechsel kann auch Nachteile mit sich bringen, so die Warnung des Bund der Versicherten.
Vorsicht beim Versicherungswechsel geboten
So bieten zwar die meisten PKV insbesondere für Neueinsteiger besonders günstige Tarife an, langfristig müssen die Kunden jedoch mit massiven Beitragssteigerungen rechnen. Da eine Wechsel zurück in die GKV nahezu ausgeschlossen ist, sollte sich jeder gut überlegen, welche Versicherung auch langfristig für ihn persönlich am besten geeignet erscheint, erklärte der BdV. Die individuelle Situation der Versicherten sei dabei entscheidend dafür, welches System die bessere Wahl darstelle. Zum Beispiel lasse sich grundsätzlich feststellen, dass die privaten Versicherungen für Menschen, die später Kinder haben und diese dann voraussichtlich mit versichern möchten, eher ungünstig sind, so der BdV. Während in der GKV automatisch die Familienversicherung greift und den Kindern einen Versicherungsschutz bietet, sind in der PKV für jedes Familienmitglied eigene Beiträge zu entrichten, erklärte Thorsten Rudnik und mahnte daher vorsichtig beim Versicherungswechsel zu sein, vor allem wenn die familiäre Situation noch nicht geklärt ist.
PKV sollen ehrlich und transparent über Tarife informieren
Während insbesondere junge, gesunde Versicherte mit der privaten Krankenversicherung zunächst viel Geld sparen können, sind den Beitragserhöhungen im weiteren Lebensverlauf der Versicherten nahezu keine Grenzen gesetzt. Die günstigen Einsteiger-Tarife werden kontinuierlich dem Gesundheitszustand der Betroffenen angepasst und mit zunehmendem Alter immer teurer. So ist laut Aussage des BdV sogar für gesunde Kunden auf Sicht eines ganzen Lebens nicht sichergestellt, dass die finanziellen Vorteile der PKV überwiegen. Angesichts der teilweise massiven Beitragserhöhungen mahnte der BdV die privaten Versicherer dazu, transparent und ehrlich über alternative Tarife zu informieren. „Gerade ältere Versicherte wissen in diesen Tagen oft nicht, wie sie ihre erneute Tariferhöhung bezahlen sollen“ und die privaten Krankenversicherungen informieren ihre gut acht Millionen Mitglieder „bei weitem nicht ausreichend über bestehende Wechsel-Möglichkeiten“, erklärte Rudnik. Mit den jährlich verkündeten Beitragsanpassungen haben die Privatversicherten die Möglichkeit, in einen anderen günstigeren Versicherungstarif zu wechseln, so der Vorsitzende des BdV.
Teilweise massive Beitragserhöhungen in der PKV
Momentan erhalte der Bund der Versicherten „unendlich viele Zuschriften“ von Versicherten, denen zum 1. Januar 2011 erhebliche Beitragserhöhungen angekündigt wurden. „Viele Aufschläge liegen im zweistelligen Bereich, einzelne bei 33 oder 35 Prozent“, erklärte der BdV-Vorsitzende Rudnik. Dabei sei einer der Gründe für die Erhöhungswelle, dass die Bilanzen der Krankenversicherungen durch die niedrigen Marktzinsen belasten werden, so Rudnik weiter. Mit der Empfehlung vieler privater Krankenversicherungen an ihre finanziell überforderten Mitglieder, einfach in den günstigen Basis-Tarif zu wechseln, sei den Versicherten jedoch nicht geholfen, so die Position des BdV. „Weil die Leistungen dort nichts mit dem zu tun haben, was sich Patienten unter privatärztlichem Schutz vorstellen“, betonte Thorsten Rudnik. Die Basistarif standen jüngst massiv in der Kritik, da die Versorgungsansprüche in der Praxis teilweise erheblich schlechter waren als die gesetzliche Standard-Versorgung. So folgt nach Aussage des BdV-Vorsitzenden für viele Privatversicherte die schmerzhafte Einsicht: „Wer seinen umfassenden Schutz behalten will, findet gerade im Alter oft keine Alternative zu seinem teuren Tarif.“ Um zu sparen, bleibe den Versicherten nur die Überlegung, auf welche Leistungen sie eventuell verzichten können. Daher sollte „niemand (…) einfach aufgrund eines Beitragsvorteils wechseln“, warnte Thorsten Rudnik.
Besserer Versorgungsanspruch in der PKV
Eindeutige Vorteile bieten die PKV momentan noch in den Leistungen. Die Versorgungsansprüchen und der Service sind für die Privatversicherten erheblich besser als bei der GKV. Privatversicherte müssen weniger Wartezeiten beim Arzt in Kauf nehmen und haben einen Anspruch auf zusätzliche, durch die abgeschlossen Versicherung abgedeckte, Leistungen wie Chefarztbehandlungen, Einzelzimmer im Krankenhaus, Befreiung von Zuzahlungen bei Medikamenten, Erstattung von Zahnbehandlungen, neue Behandlungsverfahren oder Heilpraktikerbesuche. Hier kann das Leistungsspektrum der GKV nicht mithalten, jedoch steigen auch die Beiträge der privaten Versicherungen mit jeder zusätzlich abgedeckten Leistung. Es gilt: Je umfassender der Versorgungsanspruch desto teurer die private Krankenversicherung. Zudem erstatten auch die PKV nur „medizinisch notwendige“ Leistungen, wobei die Vorstellungen über die Notwendigkeit bei den Patienten und den Versicherungen teilweise sehr unterschiedlich sind. So erklärte der für die Schlichtung zwischen Kunden und privaten Krankenversicherungen zuständige Ombudsmann Helmut Müller: „Die Diskussion um die medizinische Notwendigkeit ist die häufigste Beschwerde bei uns“, denn „die Versicherungen schauen genauer auf die Rechnungen als früher, und die Kunden haben immer höhere Ansprüche.“ So gilt die generelle Vermutung eines besseren Leistungsangebots der PKV nicht mehr ganz uneingeschränkt. Bei manchen Leistungen wie Krankengeld bei Krankheit des Kindes, dem Mutterschaftsgeld, der Finanzierung einer Haushaltshilfe im Krankheitsfall, den Erstattungen für Psychotherapie und Hilfsmittel wie Krücken bieten die GKV sogar bessere Versorgungsansprüche als die privaten Krankenversicherungen. (fp)
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