Cannabis-Konsum: Ursache für Psychosen?
(13.09.2010) Alle Jahre wieder entfacht die Diskussion über die Legalisierung von Cannabis – zuletzt aufgrund der Plänen der Bundesregierung, Cannabis als schmerzlinderndes Medikament freizugeben. Das Cannabis-Konsum auch Psychosen auslösen kann und die häufigste Einstiegsdroge sei, sind die schwerwiegendsten Argumente der Leagalisierungs-Gegner und so werden die alt bekannten Studien auch jetzt wieder gern zitiert.
So warnt der Psychiater und Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Erfurter Helios-Klinikum, Dr.. Ekkehard Englert, jetzt im Gespräch mit „Welt Online“ davor, dass Cannabis zwar „entspannend wirken, Übelkeit reduzieren und den Appetit anregen“ kann, jedoch ein zwei- bis dreifach höheres Psychose-Risiko für die Patienten besteht. Dabei weist der Fachmann allerdings auch ausdrücklich darauf hin, dass eine „genetische Veranlagung (…) gegeben sein“ muss und der „Drogenkonsum (…) nur ein Auslöser sein“ kann. Meist zitieren die Cannabis-Gegner an dieser Stelle gerne das erhöhte Psychose-Risiko, ohne darauf zu verweisen, dass eine genetische Veranlagung Grundvoraussetzung für das Auftreten von Psychosen ist. Zudem ist in den meisten bisherigen Studien ein eindeutiger Zusammenhang zwischen den Psychosen und der Einnahme bestimmter Substanzen nicht herzustellen, da die Patienten neben Cannabis oft auch andere Rauschmittel zu sich nahmen.
Allerdings sollte nicht versucht werden, das Risiko wegzureden, denn viele Konsumenten bzw. ehemalige Konsumenten leiden unter erheblichen psychischen Beeinträchtigungen, die durch den Cannabis-Konsum ausgelöst wurden. So ist das Psychose-Risiko für regelmäßige Cannabis-Konsumenten erheblich erhöht. Insbesondere junge Menschen sind nach Aussage des Fachmanns, oft von den negativen Folgen betroffen, da sich ihr zentrales Nervensystem noch bis ins Erwachsenenalter entwickelt und in dieser Zeit besonders anfällig für die chemische Wirkung von Cannabis auf den Stoffwechsel ist. Zudem erleiden Patienten die bereits einmal eine Psychose aufwiesen, erheblich häufiger einen Rückfall, wenn sie Cannabis konsumieren. Auch hat der Konsum einen negativen Einfluss auf den Verlauf der Krankheit, die Wirksamkeit der Medikamente und die Genesungschancen.
Der Fachmann Dr. Ekkehard Englert macht den gestiegenen Cannabis-Konsum junger Menschen auch dafür verantwortlich, dass Menschen in Deutschland heute im Schnitt bereits sehr viel früher an Psychosen erkranken. „Die meisten Menschen erkranken erstmals mit Mitte 20“, erklärte der Fachmann , wobei 2008 in Thüringen 2.900 Patienten wegen einer schizophrenen Psychose in Behandlung waren und in ganz Deutschland 137.000. In seinen Augen ist bereits die Zulassung von Cannabis für medizinische Zwecke problematisch, da „wenn man den Stoff legalisiert, (…) man damit das staatliche Siegel der Ungefährlichkeit drauf (setzt), woran „kein ernsthaftes Interesse bestehen“ kann. Denn Cannabis ist nach seiner Ansicht die Einstiegsdroge Nummer eins und wer damit positive Erfahrungen mache, werde auch anderes probieren. Gleiches gilt jedoch sicher auch für Alkohol und Zigaretten. Ob jede erlaubte Substanz im Konsum ungefährlich ist und ob an dieser Stelle nicht einfach ein verantwortungsbewusster Umgang mit der Verwendung Ziel sein sollte, bleibt auch von Seiten Dr. Englerts ungeklärt. Zudem ist es fragwürdig, ob die Bevölkerung den Einsatz von Cannabis zu medizinischen Zwecken automatisch gleichsetzt mit dem täglichen Konsum als Rauschmittel und ein „staatliche Siegel der Ungefährlichkeit“ für sie existiert. (fp)
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