Homöopathie-Forschung
Die Homöopathie ist umstritten – auch in der Forschung. Wer glaubt, dass die Wissenschaft objektive Erkenntnisse und damit der Gesellschaft und Politikern „die Wahrheit“ als Entscheidungsgrundlage bereitstellt, kann anhand der Homöopathieforschung etwas lernen: Wissenschaft und ihre Ergebnisse können sehr heterogen, sogar widersprüchlich sein.
Und so existieren durchaus „mehrere Wahrheiten“ in einem Forschungsbereich. Unmittelbar deutlich wird dies an den unterschiedlichen Experten, die in Bezug auf die Wirksamkeit der Homöopathie gegensätzliche Meinungen vertreten: „Die Wirksamkeit der Homöopathie kann unter Berücksichtigung von internen und externen Validitätskriterien als belegt gelten, die professionelle sachgerechte Anwendung als sicher.“ Zu diesem Fazit kommt beispielsweise ein im Rahmen des Programms Evaluation Komplementärmedizin (PEK) vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) der Schweiz durchgeführtes Health Technology Assessment (HTA). Diese umfassende Untersuchung des BAG hatte das Ziel, Grundlagen über die Wirksamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Komplementärmedizin zu liefern. Ganz anders als das Schweizer BAG sieht das dagegen Prof. Dr. Windeler, Chef des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): „Ein medizinischer Nutzen der Homöopathie ist nicht bewiesen. Dazu muss man auch gar nicht mehr weiterforschen, die Sache ist erledigt“, ist sich Windeler sicher.
Zankapfel Potenzierung
Wesentlicher Streitpunkt zwischen Homöopathen und Schulmedizinern ist seit Begründung der Homöopathie die Potenzierung – also die Verdünnung und Verschüttelung der homöopathischen Arzneien. Bisher kann kein naturwissenschaftliches Modell den Wirkmechanismus von sogenannten Hochpotenzen, in denen kein Molekül der Ausgangssubstanz mehr nachweisbar ist, gänzlich erklären. Auch wenn Effekte potenzierter Arzneien bereits in Laborversuchen (s. u.) nachgewiesen wurden. Und „weil nicht sein kann, was nicht sein darf“, wird aus dem fehlenden Erklärungsmodell oft der Vorwurf entwickelt, die Homöopathie könne nur eine Placebomedizin sein, anstatt sich den offenen Fragen zuzuwenden.
Klinische Forschung und Versorgungsforschung
Die moderne klinische Forschung konzentriert sich nahezu ausschließlich auf die Wirksamkeit der homöopathischen Arzneimittel, wobei dann die Rolle der Anamnese oder die Art und Weise, wie das homöopathisch passende Arzneimittel gefunden wird, in der Regel ausgeblendet wird. In einem reduktionistischen Ansatz wird das „Gesamtpaket“ der homöopathischen Behandlung in Einzelteile zerlegt, deren Effekte losgelöst von den anderen Teilen bewertet werden.
Dass Homöopathie jedoch mehr ist als die Summe ihrer Einzelteile, zeigt sich in der täglichen ärztlichen Praxis, der Patientenzufriedenheit und nicht zuletzt an dem Zulauf von Ärzten, die sich homöopathisch ausbilden lassen. So hat sich die Zahl homöopathisch ausgebildeter Ärzte von 1995 (rund 3000) bis heute (über 7000) mehr als verdoppelt. Für die einen ist das ein Zeichen für die Verblendung des ärztlichen Berufsstandes, für die anderen die schlüssige Durchsetzung einer funktionierenden Heilmethode.
Den Gegensatz zum reduktionistischen Forschungsansatz findet man in der sogenannten Versorgungsforschung. Dieser Forschungsbereich untersucht per Definition eben die Versorgung von Patienten unter Alltags- und Praxisbedingungen. Hier findet die Homöopathie als ganzheitliche Heilmethode Berücksichtigung. In der Versorgungsforschung gilt die Wirksamkeit der Homöopathie selbst unter Kritikern als belegt. Neben dem bereits erwähnten Schweizer HTA-Bericht gibt es dazu einschlägige Studien der Charité Berlin sowie einiger Krankenkassen. Insgesamt zeigt die Versorgungsforschung, dass die Homöopathie in der Praxis effektiv wirkt und dabei kostengünstiger ist als schulmedizinische Verfahren. Eine homöopathische Praxis verursacht demnach nur die Hälfte der Kosten einer durchschnittlichen Grundversorgungspraxis, homöopathisch behandelte Patienten müssen seltener stationär behandelt werden, nehmen weniger teure Spezialbehandlungen in Anspruch und leiden weniger an Nebenwirkungen von Arzneimitteln als konventionell behandelte Patienten. Hinzu kommt, dass die Homöopathie bei chronisch kranken Patienten im direkten Vergleich mit der Schulmedizin „signifikant stärkere Besserungen“ (Modellstudie Homöopathie der IKK Hamburg) erreicht.
Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive
Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Sichtweisen verwundert es nicht, dass in Forscherkreisen hitzige Diskussionen über die Homöopathie entstehen. Dass es sich dabei aber meist um Debatten im „Elfenbeinturm“ der Wissenschaft handelt, die für Patienten wenig relevant sind, zeigt die sozialwissenschaftliche Perspektive – beispielsweise die Ergebnisse einer für Deutschland repräsentativen Allensbach-Umfrage (2009): 57 Prozent der Deutschen verwenden demnach homöopathische Arzneimittel – insgesamt ein Viertel der Bevölkerung sind dabei „überzeugte Verwender“ homöopathischer Arzneimittel und ohne Einschränkung von deren Wirksamkeit überzeugt. Nur zwei Prozent der Bevölkerung halten homöopathische Arzneien für unwirksam.
Laut einer Forsa-Umfrage (2010) spielt die Berichterstattung für die „überzeugten Verwender“ eine sehr untergeordnete Rolle: 98 Prozent von ihnen gaben an, dass kritische Berichterstattung ihr Vertrauen in die Homöopathie nicht schmälert. Daraus könnte die Schlussfolgerung gezogen werden, dass eine direkt erlebte Heilerfahrung für einen Menschen mehr Gewicht hat als jeder noch so sachkundige intellektuelle Zugang zur Heilmethode. (Gastartikel Deutscher Zentralverein homöopathischer Ärzte, 17.12.2010)
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