Rund 30 Prozent der Bundesbürger gehen nicht zum Zahnarzt
05.04.2011
Dass 30 Prozent der Bundesbürger innerhalb eines Jahres nicht zum Zahnarzt gehen, ist nach Einschätzung der Experten auch ein Anlass um über grundsätzliche Veränderungen im System nachzudenken. „Wenn fast jeder Dritte ohne Zahnarztkontakt bleibt, stellt sich schon die Frage: Ist es individuelle Zahnarztangst oder schrecken die größer werdenden privaten Finanzierungsanteile ab?“, betonte Barmer GEK Vizechef Dr. Rolf-Ulrich Schlenker.
Deutschlandweit durchschnittlich zwei Zahnarztbesuche pro Jahr
Mit den regelmäßigen Zahnarztbesuchen nehmen die Deutschen es dem „Zahnreport 2011“ zufolge nicht ganz so genau. Rund ein Drittel der Bundesbürger geht nicht ein einziges Mal im Jahr zum Zahnarzt. Zwar entfallen den Angaben der Barmer GEK nach auf jeden Bundesbürger durchschnittlich 2,15 Zahnarztkontakte jährlich, doch dabei ist die Verteilung der Zahnarztbesuche je nach Altersgruppe und Geschlecht relativ unterschiedlich, erklärte der Studienautor Professor Thomas Schäfer vom Hannoveraner Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung (ISEG). So seien beispielsweise „junge Männer in der Altersgruppe der 20- bis unter 25-Jährigen (…) besonders zahnarztscheu.“ Von ihnen waren den Daten der Barmer GEK zufolge lediglich 55 Prozent im untersuchten Jahr beim Zahnarzt, während der Anteil bei den Frauen der gleichen Altersstufe bei 67 Prozent lag. Dem „Zahnreport 2011“ liegen die Daten von mehr als acht Millionen Versicherten der seit 2010 fusionierten gesetzlichen Krankenkassen Barmer und GEK (heute: Barmer GEK) aus dem Jahre 2009 zugrunde.
Ost-West-Gefälle bei Zahnarztbesuchen und Prophylaxe
Auffällig sei auch der Ost-West-Unterschied bei den Zahnarztbesuchen erklärte der Studienautor des „Zahnreport 2011“: Demnach sind in Sachsen und Thüringer durchschnittlich 2,4 Zahnarztkontakte pro Jahr und Einwohner zu verbuchen, während in Rheinland-Pfalz durchschnittlich 1,9 Zahnarztbesuche pro Jahr stattfanden und im Saarland lediglich 1,8. Auch bei der Inanspruchnahme von Prophylaxe-Leistungen liegen die Ostdeutschen-Bundesländer nach Darstellung des „Zahnreport 2011“ vorne. Professor Thomas Schäfer vom ISEG führt dieses eindeutige Ost-West-Gefälle zum einen auf die höhere Zahnarzt-Dichte im Osten und zum anderen auf „die frühkindliche Sozialisation in Kindertagesstätten und Horten der ehemaligen DDR“ zurück. Hier wird offenbar besonderer Wert auf die Teilnahme an Prophylaxe-Programmen und ähnlichen Maßnahmen gelegt. Dennoch entfielen deutschlandweit rund sechs Prozent aller Füllungen auf Milchzähne, was die relativ weite Verbreitung von Karies bei Kindern verdeutlicht.
Ausbau der Gruppenprophylaxe gefordert
Daher setzt sich die Barmer GEK für einen Ausbau der Gruppenprophylaxe in Kindergärten und Schulen ein und auch die Intensivbetreuung von Vorschulkindern sollte forciert werden, erklärte der Studienautor Professor Thomas Schäfer. Hierbei seien insbesondere Kindern aus sozial schwachen Familien zu berücksichtigen, da „das Herkunftsmilieu (…) nicht über die Zahngesundheit bestimmen“ darf, betonte Schäfer und ergänzte: „Prophylaxe ist auch ein Stück Sozialausgleich.“ Auch der Barmer GEK Vizechef, Dr. Rolf-Ulrich Schlenker, unterstrich die Bedeutung der Vorsorge durch Gruppenprophylaxe in Kindergärten und Schulen. Bei Vorstellung des „Zahnreport 2011“ am Dienstag in Berlin erklärte Schlenker, dass die Gruppenprophylaxe zu einem stärkeren Bewusstsein für Zahngesundheit beitragen kann und dies auch bei Kindern, „deren Eltern nicht so für sie sorgen können, wie es wünschenswert wäre“.
Verbreitung von Karies bei Kleinkindern Grund zur Sorge
Außerdem biete die Verbreitung von Karies bei Kleinkindern durchaus Grund zur Sorge, erklärten Zahnmediziner der Uniklinik Dresden gegenüber „Welt Online“. Vor allem in sozialen Brennpunkten sei die Situation nach eigenen Erhebungen besonders alarmierend, denn hier seien bereits bis zu 35 Prozent der Dreijährigen betroffen, teilte die Uniklinik Dresden mit. Ausschlaggebend für die weite Verbreitung von Karies ist dabei nach Aussage der Experten unter anderem häufiges Nuckeln süßer Getränke, aber auch abendliches Stillen nach dem ersten Lebensjahr, wenn bereits die ersten Milchzähne durchkommen. „Natürlich wissen die Eltern, dass Süßigkeiten schlecht für die Zähne sind“, erklärte Gabriele Viergutz, Fachzahnärztin für Kinderzahnheilkunde gegenüber „Welt Online“, doch dass auch viele Getränke und sogar Muttermilch den Zähnen schaden kann, sei vielen nicht bewusst. Zahnmediziner raten daher schon früh nach dem Durchbruch der Milchzähne mit dem Kind zum Zahnarzt zu gehen und ab dem ersten Milchzahn einmal täglich die Zähne des Kindes zu putzen. Ab dem zweiten Geburtstag sei zweimal täglich Zähneputzen angesagt. Außerdem sollten Kinder nie oder selten süße Getränke erhalten und dies keinesfalls nachts.
Knapp 30 Prozent der Deutschen haben Karies
Andere interessante Ergebnisse des „Zahnreport 2011“ sind zum Beispiel, dass 28,9 Prozent der Bevölkerung im Jahr 2009 mindestens eine Füllung bekommen haben und gut neun Prozent der Bundesbürger mindestens ein Zahn gezogen werden musste. Außerdem nimmt etwa die Hälfte der Gesamtbevölkerung mindestens einmal pro Jahr ein Vorsorgebehandlung in Anspruch, womit Deutschland im internationalen Vergleich im Mittelfeld liege, erklärten die Experten bei Vorstellung des „Zahnreport 2011" (fp)
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Bild: Rainer Sturm / pixelio.de
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