Erneut verunreinigtes OP-Besteck in Hessen entdeckt. Das Klinikum Kassel bestätigt hygienische Mängel von Operationswerkzeugen
03.02.2011
Verunreinigtes Operationsbesteck scheint in hessischen Krankenhäusern ein weitreichendes Problem zu sein. Nachdem am Klinikum Fulda bereits Ende letzten Jahres verstärkt Mängel auftraten, wurden nun auch am Klinikum Kassel verunreinigte Operationswerkzeuge entdeckt.
Anfang Januar wurde bekannt, dass am Klinikum Fulda bereits im September 2010 Probleme mit Blutresten und Flugrost beim OP-Besteck aufgetreten sind und seitdem immer wieder Verunreinigungen der OP-Instrumente nachgewiesen wurden. Seitdem ließ sich das Klinikum von anderen Krankenhäusern mit sterilen Operationswerkzeugen versorgen. Bei der Überprüfung des aus dem Klinikum Kassel gelieferten OP-Bestecks wurden nun jedoch ebenfalls Verunreinigungen festgestellt.
Operationen entfallen wegen des verunreinigten OP-Bestecks
Das Klinikum Fulda informierte aufgrund des verunreinigten OP-Bestecks das zuständige Regierungspräsidium, woraufhin Mitarbeiter der Aufsichtsbehörde und des zuständigen Gesundheitsamtes am Dienstag die sterilen Instrumente am Kasseler Klinikum kontrollierten. Im Rahmen der Kontrollen seien weitere Ablagerungen auf OP-Bestecken nachgewiesen worden, erklärten die Behörden. Die Zentralsterilisation des Klinikums Kassel, in der die Operationsinstrumente gereinigt werden, wurde noch am selben Tag geschlossen. Alle nicht dringend erforderlichen Eingriffe wurden verschoben und derzeit finden in Kassel ausschließlich Notfall-Operationen statt. Dabei werde der „Notfall“ sehr streng definiert, erklärte der Klinik-Geschäftsführer Gerhard M. Sontheimer gegenüber der Zeitung „Hessische/Niedersächsische Allgemeine“ (HNA). Allerdings sei sichergestellt, dass Notfall-Patienten bei Behandlung, (…) „mit einwandfreiem Besteck rechnen“ können, so Sontheimer weiter. Das hierfür benötigte sterile OP-Besteck werde von anderen Kliniken ausgeliehen oder es werden entsprechende Einweg-Bestecke verwendet, teilte das Klinikum Kassel mit. Trotz der Verunreinigungen habe in Kassel zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für die Patienten bestanden, erklärte Sontheimer.
Zentralsterilisation am Klinikum Kassel geschlossen
Mit der Schließung der Zentralsterilisation sei das Klinikum Kassel praktisch lahmgelegt, betonte der Klinik-Geschäftsführer. Daher werde ab Donnerstag für die Reinigung der OP-Instrumente unter anderem auf einen 24-Stunden-Betrieb in der Sterilisation in Bad Arolsen zurückgegriffen. Außerdem soll der externe Dienstleister Orgamed ab sofort einen Teil der Reinigung des OP-Bestecks übernehmen. Alle bisher verwendeten Bestecke werden nicht weiter verwendet, betonte Sontheimer. Die verschmutzten OP-Instrumente seien zu den Herstellern Aesculap und Karl Storz Endoskopie zurück geschickt worden, damit diese genau untersuchen können, wo die Probleme lagen und für eine einwandfreie Sterilisation sorgen, so die Aussage des Klinik-Geschäftsführers. Außerdem werde die Sterilisationsanlage, welche eigentlich „sehr gut gewartet“ sei noch einmal überprüft. Voraussichtlich bis zum Freitag können im Klinikum nur Not-Operationen durchgeführt werden. Allerdings ist bisher nur schwer zu bestimmen, wie lange der Ausnahmezustand in Kassel tatsächlich anhalten wird. „Wir wollen, dass jeder bei uns operierte Patient sicher sein kann, dass wir einwandfreies Instrumentarium verwenden“, betonte der Klinik-Geschäftsführer.
Hygienemängel auf die gestiegenen Anforderungen zurückzuführen?
Daher werden die Instrumente erst wieder verwendet, „wenn vom Hersteller die Entfernung der Ablagerungen und deren Unbedenklichkeit bescheinigt worden ist“, erklärte Sontheimer. Insgesamt müssen rund 30.000 Einzelinstrumente von den Herstellern überprüft werden, doch liegen hier derzeit noch die Instrumente aus dem Fuldaer Klinikum, welche ebenfalls auf hygienische Unbedenklichkeit überprüft werden müssen, betonte Sontheimer. Die immer häufiger auftretenden Hygienemängel beim OP-Besteck sind nach Einschätzung der Experten auch auf die stetig gestiegenen technischen Anforderungen an die sachgerechte Aufbereitung und Reinigung der Instrumente in den zentralen Sterilisationsstationen zurückzuführen. Die heute verwendeten minimal invasiven Instrumente mit Hohlgängen von wenigen Millimetern Durchmesser sowie elektronischen und optischen Bauteilen erschweren laut Aussage der Hygienefachleute die Reinigung erheblich. So treten immer wieder Verunreinigungen des OP-Bestecks auf, die neben möglichen gesundheitlichen Konsequenz bei der Verwendung generell erhebliche Einschränkungen des Operationsbetriebes in den Kliniken mit sich bringen. So entfallen zum Beispiel durch die Einschränkungen in Kassel momentan täglich etwa 65 Operationen, erklärte der Klinik-Geschäftsführer.
Meldungen über verunreinigtes OP-Besteck besorgniserregend
Insgesamt hat die Zahl der Meldung von verunreinigtem OP-Besteck in Hessen besorgniserregende Ausmaße angenommen. So können die hessischen Kliniken davon ausgehen, dass der Druck durch die staatlichen Aufsichtsbehörden sich deutlich erhöhen wird, wie auch der hessische Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) betonte. Neben der ohnehin für diese Jahr geplanten Einführung einer Hygieneverordnung, welche „unter anderem Regelungen zur Hygienestruktur in den Krankenhäusern, Regelungen für die Überwachungsbehörden und Maßnahmen zur Qualitätssicherung beinhalten“ wird, sei es „dringend notwendig, dass die zuständigen Behörden,(…) die stationären Kliniken in Hessen anlässlich der Vorkommnisse in Kassel und Fulda nochmals gezielt untersuchen“, betonte Grüttner. Auch sei eine verstärkte Ausbildung von Hygienefachkräften in Pflege und Technik sowie spezialisierter Ärzte zwingend erforderlich. „Deshalb werden wir (…) neu Angebote für Aus- und Weiterbildung im Bereich Hygiene für Ärzte, Pflegekräfte und technisches Personal in den Krankenhäusern erarbeiten“, erklärte der CDU-Politiker.
Krankenhaus-Infektionen durch mangelnde Hygiene
Immer wieder kommt es in letzter Zeit zu Missständen bei der Einhaltung der Hygiene-Vorschriften in deutschen Krankenhäusern. Die Zahl der Infektionen von Patienten bei einem Klinikaufenthalt durch sogenannte Krankenhauskeime ist den Angaben der Gesundheitsbehörden zufolge hierzulande deutlich höher als in vielen unserer europäischen Nachbarstaaten (zum Beispiel Niederlande). Dabei spielen auch die Verunreinigungen des Operationsbestecks eine nicht unwesentliche Rolle. Denn bei dem direkten Kontakt mit offenen Wunden ist das Risiko einer Infektion durch gesundheitsgefährdenden Keimen besonders hoch. In den Krankenhäusern stellen außerdem insbesondere die multiresistenten Erreger (MRSA), welche gegen die Behandlung mit sämtlichen gängigen Antibiotika resistent sind, ein ernsthaftes Problem dar. Die mangelnde Einhaltung der Hygiene-Vorschriften insbesondere durch das Klinikpersonal hat hier zu einem deutlich vermehrten Auftreten der MRSA geführt. (fp)
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Bild: Martin Büdenbender / pixelio.de
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