Künstliche Befruchtung: Erstes deutsches Retortenbaby feiert seinen 30. Geburtstag
17.04.2012
Auch dreißig Jahre nach der Geburt des ersten Retortenbabys sind künstliche Befruchtungen bisweilen noch umstritten. Während die Befürworter die In-Vitro-Fertilisation als große Chance bei unerfülltem Kinderwunsch beschreiben, sehen Kritiker hier einen ethisch problematischen Eingriff.
Vor rund dreißig Jahren wurde in der Erlanger Frauenklinik unter Leitung von Professor Siegfried Trotnow die erste künstliche Befruchtung nach dem Verfahren der In-Vitro-Fertilisation durchgeführt. Am 16. April 1982 erblickte das erste deutsche Retortenbaby das Licht der Welt. Der kleine Oliver kam per Kaiserschnitt zur Welt und wog bei seiner Geburt 4150 Gramm. Der gelungene Abschluss der künstlichen Befruchtung galt als Sensation und hatte ein enormes Medieninteresse, aber auch viel Kritik ausgelöst.
Erstes Retortenbaby sorgte für erheblichen Medienrummel
Gestern feiert das erste Retortenbaby Deutschlands seinen dreißigsten Geburtstag. Oliver ist der lebende Beweis für die erste in Deutschland durchgeführte künstliche Befruchtung außerhalb des Mutterleibs. Die sogenannte In-Vitro-Fertilisation wurde damals als medizinischer Durchbruch und als Chance für ungewollt Kinderlose beschrieben. Es gab jedoch auch viel Kritik, vor allem von Seiten der Kirche. Hier würden Mediziner Gott spielen und in die natürliche menschliche Reproduktion eingreifen, so der Vorwurf. Der mittlerweile verstorbene Leiter des zuständigen Forschungsteams, Professor Siegfried Trotnow, sah sich nicht nur in Fachkreisen erheblichem Widerstand ausgesetzt, sondern auch in der breiten Bevölkerung löste die künstliche Befruchtung eine kontroverse Diskussion aus. Entsprechend hoch war das Medieninteresse nach der Geburt des ersten deutschen Retortenbabys. Später berichtete Prof. Trotnow von einem gewaltigen Medienrummel bei dem „Reporter tagelang die Klinik belagert“ hätten. Zahlreiche Medienvertreter hätten sogar versucht „das Personal zu bestechen", um in die Geburtshilfestation zu gelangen, beschrieb der Reproduktionsmediziner damals die Situation. Allerdings war der Medienrummel durchaus absehbar, hatte doch die Geburt des weltweit ersten Retortenbabys Louise Brown in England bereits zu erheblichen Kontroversen über die ethische Probleme bei der künstlichen Befruchtung geführt.
Künstliche Befruchtungen heute medizinischer Alltag
Dreißig Jahre nach der Geburt des ersten deutschen Retortenbabys sind künstliche Befruchtung außerhalb des Mutterleibs hierzulande eine relativ häufig durchgeführter medizinischer Eingriff, der zwar immer noch zu Diskussionen führt, jedoch die Gemüter längst nicht mehr so hochkochen lässt wie in den 1980er Jahren. Zahlreichen ungewollt kinderlosen Paaren konnte mit einer künstlichen Befruchtung geholfen werden und die ethischen Bedenken wurden in vielen Bereichen ausgeräumt. Heute sind künstliche Befruchtungen in unterschiedlicher Form laut Angaben der Erlanger Frauenklinik „eine weltweit akzeptierte und praktizierte Therapieform für kinderlose Paare“, wobei in Deutschland circa 10.000 Kinder jährlich zur Welt kommen, die mit Hilfe der Reproduktionsmedizin gezeugt wurden. Entsprechend ist der Trubel um die Geburt des ersten Retortenbabys für den heutigen Direktor der Frauenklinik am Universitätsklinikum Erlangen , Professor Matthias Beckmann, kein Thema mehr. Die verschiedenen Formen der künstlichen Befruchtung sind an der Erlanger Frauenklinik längst medizinischer Alltag.
Hilfestellung bei unerfülltem Kinderwunsch
Wenn der intime und persönliche Wunsch nach Kindern nicht in „Erfüllung geht, bestehen viele Fragen und Zweifel oder es können sich sogar Ängste entwickeln“, berichtet das Universitätszentrum für Fortpflanzungsmedizin Franken (UFF) auf seiner Internetseite. Die gynäkologische Endokrinologie und die Reproduktionsmedizin der Frauenklinik Erlangen bietet daher gemeinsam mit dem UFF unterschiedliche Untersuchungen an, „die zur Klärung des unerfüllten Kinderwunsches notwendig sind“, wie beispielsweise Samenuntersuchungen und eine Zyklusüberwachung. Nach Ermittlung der Ursachen der Fortpflanzungsprobleme können unterschiedliche Verfahren zur Steigerung der Fruchtbarkeit angewandt werden oder die Betroffenen entscheiden sich direkt für eine künstlichen Befruchtung. Diese verläuft laut Aussage der Reproduktionsmediziner in den meisten Fällen relativ unkompliziert und ist heute bei weitem nicht mehr ein so kritisch diskutiertes Thema, wie damals als das erste Retortenbaby in Deutschland geboren wurde.
Über das Retortenbaby Oliver ist indes außer den Umständen seiner Geburt wenig bekannt. Der mittlerweile 30-Jährige lebt in einem oberfränkischen Dorf mit 3.000 Einwohnern und hat bisher den Kontakt mit den Medien strikt gemieden. Zwar weiß jeder in der kleinen Gemeinde, wer das erste Retortenbaby Deutschlands ist, doch persönlichen Kontakt haben auch hier nur wenige. Oliver lebe eher zurückgezogen und beteilige sich wenig am öffentlichen Leben, so die Auskunft anderer Einwohner. (fp)
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