“Für mehr mündige Essbürger in unserem Land”. Heilpraxisnet.de im Gespräch mit Uwe Knop, dem Autor von „Hunger und Lust“.
(22.09.2010) Uwe Knop ist seit zehn Jahren als Medizin-PR-Experte für die Beratung von Unternehmen und Institutionen des Gesundheitssektors tätig, beispielsweise für Arzneimittelhersteller und Krankenkassen. Im Rahmen des dazugehörigen
Literaturscreenings spült so auch der “ernährungswissenschaftliche Studientsunami” täglich neue “Ernährungserkenntnisse” in seinen Maileingang.
Seine Arbeit liefert ihm sowohl täglich frisches Studienmaterial als auch die Kenntnisse über Mechanismen, wie öffentliche Meinungen gemacht werden und in die Köpfe der Menschen kommen. Und davon können nun auch die Leser seines Buches „HUNGER & LUST– Das erste Buch zur Kulinarischen Körperintelligenz“ profitieren, das gerade in der erweiterten Neuauflage in Vito von Eichborns Edition BoD erschienen ist.
Für Knop gibt es keine allgemeingültigen Empfehlungen in Bezug auf die Ernährung. Die Ess-Wahrheit liegt nur in jedem Körper selbst. Jeder Mensch is(s)t anders – und nur er selbst kann demnach sein persönlich-gesundes Essverhalten herausfinden. Intuition & Vertrauen in die eigenen Körpergefühle sind dabei essenziell.
Sehr geehrter Herr Knop, in Ihrem Buch „Hunger und Lust“ plädieren Sie dafür, die Nahrungsaufnahme nicht mehr nach rationalen Aspekten zu vollziehen, sondern mehr auf das eigene Gefühl zu hören, egal was man isst oder trinkt. Wie sind Sie zu diesem Schluss gekommen und was hat Sie angetrieben, ein Buch darüber zu schreiben?
Ich habe für das erste Buch zur Kulinarischen Körperintelligenz mehr als 500 Studienergebnisse der Jahre 2007 bis 2010 kritisch analysiert – in diesen 4 Jahren also fast alles an Studienmaterial mit öffentlicher Relevanz. Mehr als 200 dieser Studienergebnisse untermauern nun die Kernthese in HUNGER & LUST: Im Bereich Ernährung existieren keinerlei Beweise für irgendeine der gängigen Regeln. Genau das Gegenteil ist der Fall: Wir wissen, dass wir eigentlich nichts wissen. Deshalb ändern sich auch in schöner Regelmäßigkeit die Ernährungsempfehlungen. Ergo: Vergessen Sie am besten jedwede Ernährungsregeln und vertrauen Sie ausschließlich auf ihre individuellen Köpergefühle, den echten Hunger & die Lust, denn es gilt: Jeder Mensch is(s)t anders. Meine Motivation, dass Buch zu schreiben ist schnell erklärt: Ich möchte den Menschen wieder zu mehr Lebensfreude, Genuss und Freiheit beim Essen verhelfen, indem sie das Buch in ihrem Vertrauen in den eigenen Körper stärkt – für mehr mündige Essbürger in unserem Land. Denn es ist einfach nur erbärmlich, wie die überbordende Ernährungspropaganda die Menschen in ihrem Handeln zu bevormunden versucht – und das basierend auf einem wissenschaftlichen Fundament so haltbar wie ein Schneemann in der prallen Mittagssonne im Hochsommer.
Wie entstand Ihrer Meinung nach eine Entwicklung zu einer rein verstandesgemäß geprägten Ernährung, wenn, wie Sie schreiben, Hunger der wichtigste Trieb zu Lebenserhaltung ist? Was ist Ihre These, dass es überhaupt so weit gekommen ist, dass die Menschen ihrem eigenen Körpergefühl nicht mehr vertrauen?
Die überbordende Ernährungspropaganda des letzten Jahrzehnts ist der maßgebliche Faktor, der bei vielen Menschen zu einer vorwiegend verstandesgemäß geprägten Ernährung geführt hat. Wenn in ständiger Wiederholung die Predigten der Ernährungspäpste auf die Leute einprasseln, dann lässt man sich irgendwann gerne beeinflussen und denkt sich: „Nun, wenn alle immer wieder schreiben, wie gesund Obst und Gemüse ist, dass rotes Fleisch Krebs verursacht und Zucker dick macht, dann muss ja was dran sein.“ Dieses pseudowissenschaftliche Halbwissen schleicht sich nach etlichem Hören in den Hinterkopf und aktiviert das schlechte Gewissen: „Oh, nimm doch besser die gesunde Variante.“ Und je mehr das Essverhalten verstandesgesteuert wird, desto schneller verliert man das Gefühl für den echten Hunger. Irgendwann spürt man nicht mehr, wie sich der echte Hunger anfühlt. Und dann verfestigt sich die rationale Ernährung „getreu den Regeln“. Ein Teufelskreis – aus dem man unbedingt ausbrechen sollte. Daher mein Tipp: Lernen Sie Ihren echten, den biologischen Hunger wieder kennen und vertrauen Sie beim Essen nur Ihrem Körper. Denn fragen Sie sich doch einfach mal: Wer außer Ihrem Körper sollte wissen, welches Essen für SIE gesund & gut ist? Niemand.
Wie Sie selbst schreiben und auch in anderen Interviews betont haben, ist eine wissenschaftliche Beweisführung für Ihre Empfehlungen nicht möglich. In Ihrem Buch ist gut nachzulesen, dass Studien durch Gegenstudien widerlegt werden und immer nur einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit zeigen können. Wie stehen Sie persönlich zu Studien? Halten Sie diese für notwendig?
Im Bereich Ernährung werden Sie wissenschaftliche Beweisführungen für jedwede Empfehlungen wie die Nadel im Heuhaufen suchen – denn es gibt keine belastbaren Beweise, sondern nur vage Vermutungen. Dieses fehlende Erkenntnis-Fundament ist systembedingt: Ernährungsstudien sind fast ausschließlich Beobachtungsstudien. Sie bringen fast nichts. Denn was kommt dabei raus? Immer nur statistische Zusammenhänge OHNE Ursache-Wirkung-Beweis. Als Beispiel: Genauso wie Forscher eine bessere Allgemeingesundheit bei Rotweintrinkern beobachtet haben und daher gerne ein Glas Wein täglich propagieren, so könnten sie auch die statistische Verbindung finden, dass ein Frühstück in gefütterten Pantoffeln mit Übergewicht zusammenhängt. Danach sucht aber anscheinend keiner. Vielleicht, weil die Menschen darüber lachen würden, wenn die anschließende Empfehlung hieße: Nicht in gefütterten Pantoffeln frühstücken, um Übergewicht zu vermeiden? Wahrscheinlich. Ergo: Im Bereich Ernährung braucht kein gesunder Mensch auch nur ein einziges Studienergebnis, denn die Resultate sind nicht mehr als reine Spekulation. Ganz zu schweigen vom statistischen Zurechtbiegen von Ergebnissen. Aber diese „Daten-Schönung“ macht die Spekulationen auch nicht wahrer, ganz im Gegenteil: Die „gesunde“ Ernährungspropaganda wird dadurch noch absurder. (Anmerkung der Redaktion: siehe PDF-Leseprobe „1.Ostereier sind die besseren Medikamente“)
Wir könnten uns vorstellen, dass es für viele Menschen, die seit Jahren immer wieder verschiedene Diäten ausprobiert haben, eine Erleichterung sein, aber für Vertreter bestimmter Ernährungsformen ein Affront sein dürfte. Wie sind bisher die Reaktionen auf Ihr Buch?
Grundsätzlich sehr positiv. Vielen Menschen spreche ich aus dem Herzen, nach dem Motto: „Endlich fühle ich mich in meiner natürlichen Ernährungsweise bestätigt und lasse mir nicht mehr von dem ganzen Ernährungsunsinn ein schlechtes Gewissen einreden.“ Wer hingegen bestimmte Ernährungsformen mit gewissen Regeln häufig als eine Art „Ersatzreligion“ für sich entdeckt hat, der wird mit dem völlig freiheitlichen Ansatz der Kulinarischen Körperintelligenz sicher so seine Probleme haben – denn ich empfehle rein gar nichts. Außer auf den eigen Körper zu hören. Wem hingegen Essen nach Regeln besser gefällt, der sollte sich eben nach seiner „Ernährungsphilosophie“ ernähren. Hauptsache, der Mensch fühlt sich echt wohl in seiner Haut. Denn ich möchte in meinem Buch keine „neue Esswahrheit“ auftischen, sondern der Leser soll anschließend selbst entscheiden: Glaube ich weiterhin an Ernährungsregeln oder vertraue ich beim Essen nur meinem Körper? Jeder sollte das machen, was ihm gut tut.
Wenn, wie Sie betonen, Regeln bei der Ernährung die für alle Menschen gelten sollen unsinnig sind, wären dann nicht auch Institutionen wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) unnötig?
Nein, keinesfalls. Denn der Einfluss der DGE ist groß – nur leider beeinflussen die dortigen Ernährungsexperten in die falsche Richtung, denn ihr Hauptjob ist die rationale Vermittlung von pseudowissenschaftlichem Halbwissen. Die Damen und Herren sollten Ihre „mediale Macht“ besser anderweitig einsetzen, und zwar zum Wohl der Menschen in unserem Land. Daher finde ich es begrüßenswert, dass die DGE meiner These „nur essen, worauf man Lust hat, wenn man echten Hunger hat“ im Kern zustimmt: „Ganz grundsätzlich und für gesunde Menschen stimmt seine These vermutlich“, so Antje Gahl, Sprecherin der DGE. Leider hätten jedoch viele Menschen den Zugang zum Hungergefühl verloren. Aufgrund dieser begrüßenswerten DGE-Erkenntnisse wäre es nur konsequent, wenn sich die Ernährungsexperten verstärkt um Aufklärungskampagnen kümmern, die den Menschen das Gefühl für ihren echten Hunger wieder zurück geben – anstatt rationaler Wissensvermittlung, die ohne Auswirkungen bleibt, weil sich sowieso kaum jemand an irgendwelche Ernährungsregeln hält. In HUNGER & LUST finden die Leser dazu übrigens die grundsätzlichen Empfehlungen, wie sie ihren echten Hunger wieder spüren lernen – auch, um dieses essenzielle Gefühl zur Lebenserhaltung künftig vom „hungerfreien Essen“ zu unterscheiden. (Anmerkung der Redaktion: siehe PDF-Leseproben „Empfehlung DGE-Kampagnen Echter Hunger“ und „3.Wie erkenne ich den echten Hunger“)
Ihre Erkenntnisse erscheinen beim Lesen des Buches äusserst logisch, aber widersprechen dem „Mainstream“ der Ernährungwissenschaften und öffentlichen Art, wie sich mit Ernährung bisher auseinandergesetzt wird. Gibt es noch andere Ansätze oder Publikationen, die in dieselbe Stoßrichtung wie die Ihre gehen?
Sicher gibt es die. Aber ich Ihnen leider keine empfehlen, da ich kein anderes derart geschriebenes Buch gelesen habe.
Was steht für Menschen bereit, die weitere Fragen zu Ihren Anregungen haben? Halten Sie Vorträge oder beteiligen Sie sich an öffentlichen Diskussionen?
Ja, beispielsweise in naher Zukunft: Am 5. Oktober hat mich der „Anti-Diät-Club“ des Kölner Stadt Anzeigers zu einem Vortrag eingeladen und am 23. Oktober werde ich auf den „Deutschen Wellnesstagen“ in Wiesbaden über mein Buch und die Thesen berichten. Ich freue mich schon auf den direkten Dialog mit interessierten, mündigen Essbürgern.
Was sind Ihre weiteren Pläne? Planen Sie weitere Veröffentlichungen?
Der Stapel an neuer, spannender Literatur ist in den drei Monaten seit Fertigstellung der erweiterten Neuauflage schon wieder mächtig schnell gewachsen. Daher kann es gut sein, dass ich in 2011 die dritte erweiterte Auflage schreibe – die sicher auch die allerletzten Zweifler davon überzeugen kann, dass Ernährungsregeln Unsinn sind und beim Essen nur eines zählt: das volle Vertrauen in die intuitiven Körpergefühle Hunger und Lust. Herr Knop, wie danken Ihnen für dieses Interview und wünschen Ihnen Alles Gute. (tf)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.