Gen verstärkt vermutlich chronische Schmerzen.
(06.08.2010) Immer mehr Menschen leiden unter chronischen Schmerzen. Nach Schätzungen leiden in Deutschland rund acht Millionen Menschen unter wiederkehrenden chronischen Schmerzen. Forscher haben nun ein Gen entdeckt, dass das Schmerz-Empfinden von Menschen wesentlich beeinflussen soll. Das Gen ist anscheinend dafür verantwortlich, in welcher Intensität Menschen Schmerzen empfinden. Die Forschungsarbeit soll dabei helfen, neue Therapien in der konventionellen Medizin zu entwickeln.
Schon länger ist bekannt, dass Menschen nach operativen Behandlungen oder Unfällen unterschiedlich starke Schmerzen empfinden. Dies ist auch dann der Fall, wenn der medizinische Eingriff fast identisch war. Das soll im Umkehrschluss bedeuteten, dass bestimmte Gene das Schmerz-Empfinden steuern. Schon länger vermuteten daher Mediziner, dass eine entsprechende genetische Veranlagung bei den Patienten für das Entwickeln von chronischen Schmerzen dahinter stecken muss. Dieser Frage ging in einer groß angelegten Studie ein Team aus internationalen Wissenschaftlern nach.
Laut Forschern der israelischen „Hebräischen Universität“ in Jerusalem hängt der Grund für das Entwickeln von chronische Schmerzen von einem einzigen Gen ab. So könnte auch erklärt werden, warum Patienten bei Unfällen oder Operationen zum Teil ein stark abweichendes Schmerzempfinden haben. Die Entdeckung soll entscheidend dazu beitragen, zukünftig effektiver chronische Schmerzen zu behandeln und neue Therapieformen zu entwickeln.
Im Verlauf der ersten Studie wurde zunächst in einer Versuchsreihe das "Chromosom 15" bei Mäusen entdeckt. In diesem Chromosom vermuteten die Wissenschaftler eine oder mehrere genetische Varianten, die das Empfinden von Schmerzen mit beeinflusst.
In einer zweiten Studie wurde in dem Chromosom ein Abschnitt von 155 Genen identifiziert, bei denen die Wissenschaftler um Ariel Darvasi die Schmerz-Gene vermuteten. Mit Hilfe der DNA-Sequenzanalyse und Methoden aus der Bioinformatik entdeckten die Forscher im Verlauf der Untersuchung ein einzelnes Gen, das sehr wahrscheinlich das Schmerzempfinden von Tieren beeinflusst. Bislang war man davon ausgegangen, dass das identifizierte Gen "Cacgn2" ausschließlich bei der Entwicklung von Epilepsie ein Rolle spielt und für Aufgaben des Kleinhirns verantwortlich ist. In weiteren Tier-Versuchsreihen wurde das Gen intensiver untersucht und festgestellt, dass bei einer Mutation des Gens die Funktionen beeinträchtigt werden. Elektrophysiologische Messungen und die Reaktionen auf Schmerzen deuteten darauf hin, dass das Gen "Cacgn2" eng mit dem natürlich Warnsystem Schmerzen verknüpft ist.
In einer dritten Studie wurde die Bedeutung von "Cacgn2" beim Menschen lokalisiert. Hierfür wurden die Gene von Patientinnen mit Brustkrebs untersucht. Den Patienten wurde während im Verlauf einer Brustkrebs-Therapie die Brust ganz oder teilweise operativ entfernt. Die Forscher untersuchten dabei die Rolle des Gens auf das Schmerzempfinden. Auch hier konnte ein Zusammenhang zwischen verschiedenen Varianten von Cacgn2 und dem nachfolgenden Entwickeln von chronischen Schmerzen nach einer Operation nachgewiesen werden.
Die Ergebnisse sollen nach Meinung der Wissenschaftler nun helfen, neue Methoden in der Behandlung von chronischen Schmerzen zu entwickeln. Entsprechend optimistisch zeigte sich auch Studienleiter Ariel Darvasi: "Unsere Entdeckung könnte die Möglichkeit eröffnen, chronische Schmerzen mit neuen, bislang nicht bedachten Methoden zu behandeln". Allerdings müssten noch weitere Studien zu diesem Thema unternommen werden, um die Ergebnisse zu vertiefen und zu konkretisieren. Die Ergebnisse wurden in der medizinischen Fachzeitschrift "Genome Research" veröffentlicht.
Was sind chronische Schmerzen?
Zwischen Schmerzen als Warnsignal und chronischen Schmerzen unterscheidet man in der Medizin. Denn das akute Schmerzempfinden ist ein Warnsignal auf eine körperliche Beeinträchtigung, chronische Schmerzen sind teilweise von der ursprünglichen Funktion als Warnsignal abgelöst und agieren selbstständig. Nervenzellen können dem Gehirn zum Beispiel nach Amputationen auch Schmerzen aus Körperregionen melden, wo eigentlich aus rein organischen Gründen keine Schmerzen vorhanden sein dürften. Aus Sicht der Naturheilkunde sind die Erkenntnisse der Wissenschaftler aus Jerusalem interessant, weil sie eine neue Option bei der Behandlung von therapieresistenten Schmerzen bieten könnten. Einen Alleinvertreter- Anspruch der Gene als Verursacher von chronischen Schmerzen lehnen die meisten Vertreter naturheilkundlicher manueller Therapieformen wie der Osteopathie oder dem Fasziendistorsionsmodell allerdings ab. (sb, tf)
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Autoren- und Quelleninformationen
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