Experten warnen vor Gesundheitsrisiko der Blutvergiftung (Sepsis)
03.02.2011
Blutvergiftungen sind in Deutschland verantwortlich für mehr Todesfälle als Brust- oder Darmkrebs. Bis heute werde das gesundheitliche Risiko einer Sepsis viel zu häufig unterschätzt, warnen Experten.
Sepsis bildet mit rund 60.000 Todesfällen jährlich die dritthäufigste Todesursache in Deutschland. Der Intensivmediziner Konrad Reinhart vom Universitätsklinikum Jena, Vorstand der „Global Sepsis Alliance“, einem weltweiten Zusammenschlusses von Sepsis-Experten, erklärte, dass die sogenannten Blutvergiftungen ähnlich wie Herzinfarkte oder Schlaganfälle ein medizinischer Notfall seien, bei dem jede Stunde zählt. Doch mit dem Gesundheitsrisiko der Blutvergiftung werde hierzulande oft noch zu leichtfertig umgegangen.
Blutvergiftungen sind eine komplexe systemische Entzündungsreaktion
Eine Sepsis entsteht als komplexe systemische Entzündungsreaktion, wenn die körpereigenen Abwehrstoffe eine Infektion nicht in den Griff bekommen. Zum Beispiel könne eine Lungen- oder Nierenbeckenentzündung bei Versagen der Abwehrkräfte schnell den gesamten Körper erfassen und gegebenenfalls zum Organversagen führen, erklärte Konrad Reinhart. Der Experte leitet eine Studie, mit bundesweit 40 beteiligten Krankenhäuser, die als Qualitätsoffensive seit dem Dezember letzten Jahres zur Information, Weiterbildung und dem Training von Ärzten und Pflegekräften beitragen soll, um eventuelle Verzögerungen bei der Sepsis-Behandlung zu minimieren. Der Bund beteiligt sich mit rund 1,2 Millionen Euro an der auf vier Jahre angelegten Studie. Das Universitätsklinikum Jena, dem Konrad Reinhart angehört, zählt zu den führenden Einrichtungen der Sepsis-Forschung. Hier wird bis zum Herbst am Zentrum für integrierte Sepsis-Forschung ein 5,4 Millionen Euro teures Laborgebäude neu entstehen.
150.000 Blutvergiftungen pro Jahr in Deutschland
Der Experte vom Universitätsklinikum Jena erklärte, dass rund ein Drittel der jährlich 150.000 Sepsis-Erkrankungen in Deutschland außerhalb von Krankenhäusern auftreten. Bis eine entsprechende Diagnose der Blutvergiftung vorliegt, vergehe häufig viel zu viel Zeit, betonte Reinhart. Denn die unspezifischen Symptome wie beispielsweise Fieber, Atemnot oder niedriger Blutdruck sind vor allem für unerfahrene Mediziner nur schwierig als Anzeichen einer Sepsis zu erkennen, erklärte Reinhart. „Unser Ziel ist es, dass alle Patienten möglichst in der ersten Stunde nach der Diagnosestellung mit Antibiotika und kreislaufunterstützenden Maßnahmen behandelt werden“, so der Fachmann des Universitätsklinikums Jena weiter. Denn mit jeder gewonnenen Stunde könne die Sterblichkeit des Patienten um acht Prozent reduziert werden, betonte Reinhart.
Infektion breitet sich über den Blutkreislauf aus
Weil die Ausbreitung der Infektion – meist über den Blutkreislauf – die eigentliche Gefahr für das Überleben der Patienten darstelle, kann ein frühzeitige Behandlung die Überlebenschancen der Betroffenen deutlich steigern. Je weiter sich die Infektion im Organismus verbreitet hat, um so kritischer wird die Situation für die Betroffenen. Denn, die bei einer Lokalinfektion eigentlich sinnvolle Entzündungsreaktion werde nun zum eigentlichen Motor der Sepsis, erklären die Experten. So würde in einer überschießenden Reaktion des Organismus große Mengen von Überträgerstoffen freigesetzt, was dazu führe, dass die Entzündung den gesamten Körper erfasst. Dies führt zu Symptomen wie Schwellungen, Durchblutungsstörungen und Sauerstoffmangel, ohne dass die Erreger bekämpft würden. Nach Aussage des Fachmanns verlieren die betroffenen Organe ihre Funktion und sobald lebenswichtige Organe ausfallen, stehen die Überlebenschancen der Patienten äußerst schlecht.
Septischer Schock und Multiorganversagen durch Blutvergiftungen
Ein septischer Schock als möglich Folge der Blutvergiftung zählt zu den besonders bedrohlichen Entwicklungen, die eine Sepsis nehmen kann. Dabei wird durch die Blutvergiftung die Blutzirkulation in den Kapillaren vermindert und es kommt zur Sauerstoffunterversorgung des Gewebes, was am Ende zu massiven Stoffwechselstörungen führen könne. Außerdem sind nach Aussage der Experten Gerinnungsstörungen, Multiorganversagen oder septische Absiedlungen im Gehirn (können zu Entzündungen im Gehirn führen) mögliche Folgen einer Blutvergiftung. In jedem Fall bedarf eine Sepsis daher möglichst schnell intensivmedizinischer Behandlung und Betroffene sollten bei ersten Anzeichen dringend einen Arzt aufsuchen. (fp)
Bild: Gerd Altmann, Pixelio.de
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