Hygiene-Verordnung: Wundermittel in Kampf gegen Krankehauskeime?
08.02.2011
Der Hygiene-Skandal an zwei Kliniken in Hessen hat das Interesse der Öffentlichkeit auf ein Thema gelenkt, dass in Fachkreisen bereits seit längerem intensiv diskutiert wird. Die Infektion mit sogenannten Krankenhauskeimen.
Jährlich erkrankten nach Angaben der Gesundheitsbehörden bis zu 600.000 Menschen in Deutschland während eines Klinikaufenthaltes an einer Infektion mit den sogenannten Krankenhauskeimen. Der Bundesregierung zufolge sterben bis zu 15.000 Menschen jährlich an einer solchen Infektion. Die deutsche Gesellschaft für Krankenhaus-Hygiene (DGKH) geht sogar von einer deutlich höheren Zahl der jährlichen Todesfälle aus. Doch obwohl das Problem seit langem bekannt ist, tat sich bislang nur wenig. Allerdings wächst angesichts der kürzlichen Hygiene-Skandale in Hessen der öffentliche Druck und auch die Bundesregierung fordert die Länder bereits seit längerem dazu auf, eine entsprechende Hygiene-Verordnung zu erlassen.
Hygiene-Verordnung bisher nur in sieben Bundesländern
Bisher haben jedoch nur sieben der 16 Bundesländer eine Hygiene-Verordnung aufgestellt, um den hygienischen Notwendigkeiten in den Krankenhäusern gerecht zu werden und die entsprechenden Kontrolle zu intensivieren. Als achtes Bundesland will nun auch Hessen noch dieses Jahr eine Hygiene-Verordnung erlassen, erklärte der hessische Sozialminister Stefan Grüttner. Zwar seien durch die kürzlich festgestellten Verunreinigungen des OP-Bestecks im Klinikum Fulda und Kassel keine Patienten gefährdet gewesen, doch hätten die Hygiene-Mängel mit einer entsprechenden Hygiene-Verordnung vermieden werden können, erklärte der hessische Sozialminister. Studien und Pilot-Projekte haben gezeigt, dass schon die strikte Einhaltung der Hygiene-Vorschriften eine deutliche Reduzierung der Infektionsraten bewirken kann. Auch Dr. Klaus-Dieter Zastrow, Hygiene-Experte der DGKH, betonte wie wichtige eine einheitliche Hygiene-Verordnung für alle deutschen Krankenhäuser wäre.
800.000 Infektionen jährlich durch Krankenhauskeime
Der DGKH-Experten erläuterte, dass „unter der Bezeichnung Krankenhauskeime“ zwar keineswegs nur Erreger verstanden werden, die in Kliniken vorkommen, sondern Keime, die jeder Mensch mit sich herumträgt. Doch sei das Infektionsrisiko in den Krankenhäusern besonders hoch, da die Erreger hier zum Beispiel über offene Wunden in den Körper gelangen können und das Immunsystem der Patienten meist ohnehin schon geschwächt ist. Das Problem entsteht, wenn die Keime „in Bereiche des Körpers gelangen, wo sie nichts zu suchen haben, zum Beispiel ins Blut oder in sterile Räume wie die Blase und die Lunge“, erklärte Petra Gastmeier, Direktorin des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin an der Berliner Charité. Klaus-Dieter Zastrow zufolge infizieren sich durchschnittlich etwa fünf Prozent der Krankenhaus-Patienten mit den sogenannten Krankenhauskeimen, was im Gegensatz zu den Angaben der Bundesregierung nicht 600.000 sondern mehr als 800 000 Erkrankungen jährlich entsprechen würde.Nach Zastrows Schätzungen sterben zwischen 20.000 und 40.000 Patienten in Deutschland pro Jahr an den Folgen einer Infektionen mit Krankenhauskeimen.
Drohende Infektion durch Multiresistente Erreger
Besonders bedrohlich für die Gesundheit der Patienten sind dabei nach Aussage des DGKH-Experten, die multiresistente Erreger wie MRSA, VRE und ESBL, welche gegen fast alle gängigen Antibiotika resistent sind. „Sie verursachen keine anderen Infektionen als die anderen Keime, doch diese sind viel schwerer zu behandeln und verlaufen in der Regel viel schwerer“, da die behandelnden Ärzte „länger nach einem (wirksamen) Antibiotikum suchen“ müssen, erläuterte Zastrow. Petra Gastmeier ergänzte als Begründung für die schwankenden Angaben der betroffenen Patienten, dass die „Beurteilung der Todesfälle (…) ganz schwierig“ sei. Denn oft ließe sich nicht genau feststellen, ob „ein Patient im Krankenhaus verstorben (ist), weil er eine bestimmte Infektion hatte“ oder ob er seinen anderen Erkrankungen erlag.
Einhaltung der Hygiene-Vorschriften könnte Infektionen vermeiden
Insgesamt gehen die Experten davon aus, dass ein Großteil der Infektionen sich durch bessere Hygienemaßnahmen vermeiden ließe. Nicht nur im Operationssaal, sondern auch bei der Visite, den Wundinspektionen und dem Krankenhaus insgesamt, sollten die Hygiene-Vorschriften strikt umgesetzt werden. Allerdings betonen die Experten auch wie wichtig dabei einheitliche Vorschriften und deren Überwachung wären, um eine funktionierende, flächendeckende Umsetzung der Hygienemaßnahmen zu erreichen. Außerdem seien auch die Patienten verstärkt dazu aufgefordert sich mit der Hygiene-Situation in dem aufgesuchten Krankenhaus auseinanderzusetzen. Zwar können die Patienten nach Aussage der Experten nur wenig zur Hygiene beitragen, aber sie sollten sich vor einem geplanten Klinikaufenthalt über die dortigen Hygiene-Maßnahmen informieren. Laut Aussage der Gesundheitsberaterin der Verbraucherzentrale in Karlsruhe, Julia Nill, ist „das Aufnahmegespräch (…) eine gute Möglichkeit, auch über Hygiene zu sprechen.“ Außerdem gebe es „in jedem Krankenhaus mit mehr als 400 Betten einen Krankenhaushygieniker, den man um einen Termin bitten kann.“ In den kleineren Kliniken sei eine Fachschwester für Hygiene ansprechbar.
Patienten sollten sich über Hygiene-Standards informieren
Allerdings muss nicht nur weil ein „ein Krankenhaus über eine Abteilung für Hygiene-Management verfügt“ automatisch „die Hygiene im Haus hervorragend bestellt“ sein, erklärte Petra Gastmeier. Für die Patienten „aussagekräftiger sind Qualitätsberichte oder Internetseiten, wo dargestellt wird, in welchen Abteilungen mit welcher Regelmäßigkeit das Auftreten von Infektionen beziehungsweise von multiresistenten Erregern statistisch erfasst und analysiert wird“, so der Hinweise der Expertin. Auch wenn die Patienten kaum direkte Einflussmöglichkeiten auf die Krankenhaus-Hygiene haben, sei das Gespräch mit den Verantwortlichen besonders wichtig, da dies ein deutliches Signal darstelle, dass dem Patienten die Hygiene wichtig ist. „Je mehr Patienten fragen, umso mehr wird das Personal sensibilisiert“, erklärte Petra Gastmeier. Und letztendlich ließen sich durch eine bessere Umsetzung der Hygiene-Maßnahmen nicht nur die Behandlungskosten deutlich senken, sondern auch das Risiko schwerwiegender Erkrankungen würde im Sinne der Patienten erheblich reduziert, erklärten die Experten. (fb)
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Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
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