Die wirtschaftliche Lage vieler Krankenhäuser ist "äußerst kritisch“. Jede fünfte Klinik schreibt mittlerweile rote Zahlen.
03.12.2010
Die finanzielle Situation der deutschen Krankenhäuser und Kliniken ist schlechter als bislang angenommen. Laut einer aktuellen Untersuchung des „Krankenhaus Barometer 2010“ ist die wirtschaftliche Lage zahlreicher Kliniken äußerst kritisch. Nach Meinung von Experten drohen aufgrund des Defizits sogar Krankenhaus-Schließungen.
Jedes fünfte Krankenhaus betroffen
Jedes fünfte Krankenhaus schreibt rote Zahlen: Abgeschlossene Tarifverhandlungen und die daraus resultierenden höheren Lohnvereinbarungen sowie Sparrunden haben rund 20 Prozent der Kliniken in eine finanzielle Misere gebracht. Von den 2100 Krankenhäusern sind derzeit 400 betroffen: „Durch die gesetzlichen Einsparmaßnahmen wird 2011 die Schere zwischen Kosten und Erlösen wieder deutlich auseinander gehen“, mahnte der Geschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum. Hierbei berief sich Baum auf die aktuellen Auswertungen im „Krankenhaus Barometer 2010“ am heutigen Freitag in Berlin. Aus dieser Lage heraus könnten weitere Zusammenschlüsse einzelner Kliniken und sogar Schließungen folgen. Nach den neusten Auswertungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft hat sich die Anzahl der Krankenhäuser in den letzten zehn Jahren um 180 Einrichtungen minimiert. „Nochmals wird deutlich, dass die Krankenhäuser keine Rabatte an die Krankenkassen abgeben können“, unterstrich Baum.
Hintergrund der Sparrunden im Zuge der Gesundheitsreform
Im letzten Jahr erhielten die Kliniken im Zuge des Krankenhausfinanzierungsreformgesetz noch mehr finanzielle Mittel. Im Zuge der Gesundheitsreform kürzt die schwarz-gelbe Bundesregierung im kommenden Jahr 2011 die Mehreinnahmen der Krankenhäuser. Zusammengerechnet mit den ausgehandelten Tarifabschlüssen sowie den höheren Sozialversicherungsbeiträgen komme es laut Angaben der DKG dazu, dass die Einrichtungen mehr Geld für Personal aufbringen müssen, als sie an Mehreinnahmen tatsächlich verbuchen können.
Krankenkassen weisen Kritik zurück
Die gesetzlichen Krankenkassen weisen den Ruf nach mehr Geld für die Kliniken seitens des Klinikverbandes zurück. Vielmehr seien umfassende Reformen von Nöten, um die Lage zu entspannen. „Es kann nicht die Aufgabe der Beitragszahler sein, aus ihren Portemonnaies verkrustete Strukturen zu finanzieren, bei denen jedes fünfte Krankenhausbett leer steht“, sagte Verbandssprecher der Kassen Florian Lanz. Denn die Ausgaben für Behandlungen in Kliniken haben sich allein bei den gesetzlichen Krankenkassen im letzten Jahr 2009 um drei Prozent erhöht. So mussten die Kassen 2009 rund 55,4 Milliarden Euro allein für Therapiekosten in Kliniken aufbringen. Bei den Gesamtausgaben der Kassen stehen die Kliniken mit 34,5 Prozent an erster Stelle. Noch vor zehn Jahren waren es gerade einmal 43,3 Milliarden Euro.
Investitionen ohne Eigenkapital nicht möglich
Mit dem „Krankenhaus Barometer 2010“ wurden die Kliniken auch zu ihren Investitionsmöglichkeiten befragt. Die Antworten spiegeln die seit Jahren rückläufige Investitionsmittelbereitstellung wider. Obwohl per Gesetz dazu verpflichtet, liegt der Finanzierungsanteil der Bundesländer mit ca. 2,8 Milliarden Euro bei etwa 50 Prozent der getätigten Investitionen. Ohne Eigen- bzw. Trägermittel sowie Kreditaufnahmen wären die Kliniken längst von Modernität und Fortschritt abgekoppelt.
10,7 Millionen ambulante Notfälle in Kliniken behandelt
Laut den DKI-Auswertungen wurden im letzten Jahr 2009 in den deutschen Allgemeinkrankenhäusern rund 10,7 Millionen Patienten ambulant als Notfall behandelt. Das bedeutet, dass jeden Tag und jede Klinik im Durschnitt 20 Notfall-Patienten versorgt. Stellt man die ambulanten Notfallleistungen in Relation zu den stationären Fallzahlen der Kliniken, so kommen auf 100 stationäre Fälle etwa 63 ambulante Notfälle. Baum: „Diese Leistung der Krankenhäuser muss in den gesetzlichen Rahmenbedingungen für die ambulante Notfallversorgung berücksichtigt werden. Die Kliniken können nicht länger als Lückenbüßer herhalten.“, so die DKG-Forderung.
Krankenhaustag warnt vor höheren Kassenbeiträgen
Der deutsche Krankenhaustag warnte vor einem „gesundheitspolitischen GAU“. Aufgrund des demografischen Wandels und des medizinischen Fortschritts würden die Ausgaben im Gesundheitssystem kontinuierlich steigen. Wie der der Vizepräsident, des Verbandes leitender Krankenhausärzte, Hans-Fred Weiser, sagte, drohen in Zukunft hohe Kassenbeiträge von etwa 20 Prozent und im Jahr 2050 sogar ein Beitragssatz von 42 Prozent. Die Politik solle daher endlich anfangen, „wirksame Handlungskonzepte zu erarbeiten.“ Das im Zusammenhang der Gesundheitsreform erarbeitete neue Gesetz zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Finanzierungsgesetz) hält der Verbandsvize Weiser „für keinen großen Wurf“. Insgesamt müssen sich daher vor allem die Versicherten auf höhere Beiträge gefasst machen. (sb)
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