Kita-Kinder leiden nach dem Mittagessen an Vergiftungssymptomen und mussten vorsorglich in eine Klinik eingeliefert werden. Ärzte vermuten den Geschmacksverstärker Glutamat als möglichen Auslöser.
26.01.2011
Update: Inzwischen teilten die Gesundheitsbehörden aus Hamburg mit, dass ein Glutamat-Syndrom als Ursache nicht vorlag.
In einer Hamburger Kindertagesstätte zeigten mehrere Kinder nach dem Mittagessen Vergiftungssymptome und wurden vorsorglich in ein Krankenhaus eingeliefert. Die Polizei ermittelt wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Körperverletzung.
Nach dem Verzehr von Käsespätzle und Tomatensoße zum Mittagessen traten bei mehreren Kindern im Kirchen-Kindergarten St. Petri Schwellungen und Rötungen auf. Bei acht Kindern im Alter zwischen zehn und 27 Monaten sein entsprechende Symptome zu verzeichnen gewesen, ein Kind habe zudem unter einer Atemwegsreizung gelitten, berichten die Betreuerinnen der Kindertagesstätte. Nach dem Auftreten der ersten Anzeichen haben die Betreuerinnen sofort den Notruf alarmiert und die Eltern der Kinder kontaktiert.
Acht Kinder mit Vergiftungserscheinungen ins Krankenhaus eingeliefert
Kurz vor zwölf Uhr ging bei der Notrufzentrale der Anruf der Betreuerinnen ein. Acht Rettungswagen, ein Notarzt und ein Löschfahrzeug mit insgesamt 24 Einsatzkräfte machten sich daraufhin auf den Weg in Richtung des Kirchen-Kindergarten St. Petri. „Der Notarzt war vorsorglich dabei“, denn „er sollte sich die Kinder gleich anschauen“, betonte Feuerwehrsprecher Martin Schneider. Allerdings bestand nach Auskunft der Rettungskräfte „zu keinem Zeitpunkt Lebensgefahr“ für die Heranwachsenden. Wodurch die Vergiftungserscheinungen ausgelöst wurden ist sowohl den Betreuerinnen als auch den Rettungskräften bislang ein Rätsel. Die als Auslöser im Verdacht stehende Tomatensoße wurde umgehend in ein Hygiene-Institut geschickt, welches nun klären soll, ob die Soße eventuell belastet war. Die Polizei ermittelt indes wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Körperverletzung. „Es besteht der Verdacht der fahrlässigen Körperverletzung“, betonte Hauptkommissarin Karina Sadowsky. Diese richtet sich bislang in erster Linie gegen den Caterer, der momentan für die täglichen Essenslieferungen in der Kindertagesstätte zuständig ist.
Kirchenkreis angesichts der Vergiftungssymptome besorgt
Angesichts der Vergiftungssymptome bei den Kindern zeigte sich die Sprecherin des zuständigen Kirchenkreis Hamburg-Ost; Susanne Gerbsch äußerst besorgt: „Wir sind von diesem Vorfall sehr betroffen und hoffen, dass die Ursache dieser Reizungen schnellstmöglich gefunden wird“ betonte Gerbsch. Die Sprecherin des Kirchenkreis ergänzte: „Wir freuen uns, dass alle Kinder wieder wohlbehalten bei ihren Eltern sind und nicht weiter behandelt werden müssen.“ Gerbsch erklärte, dass in der Kindertagesstätte St. Petri das Mittagessen normalerweise selbst zubereitet werde, dies momentan jedoch wegen krankheitsbedingten Personalengpässen nicht möglich sei. So haben die Verantwortlichen diese Woche auf den Dienst eines Catering-Unternehmens zurückgegriffen, mit dem der Kirchengemeindeverband nach eigenen Angaben bereits häufiger zusammengearbeitet hat. Bisher seien die „qualitativ hochwertigen und auch auf Kinder ausgelegten Speisen“ stets zur Zufriedenheit der Verantwortlichen gewesen, erläuterte Gerbsch. Nach dem gestrigen Vorfall habe der Kirchenkreis umgehend alle Einrichtungen im Kirchengemeindeverband, die ebenfalls von der Firma Essen beziehen, informiert. Jedoch seien bei keiner von ihnen ähnliche Vorkommnisse zu verzeichnen gewesen. Trotzdem wurde sicherheitshalber bis die Ergebnisse des Hygiene-Instituts vorliegen ein anderer Caterer beauftragt, berichtete die Sprecherin des Kirchenkreises.
Caterer kann sich die Vergiftungserscheinungen nicht erklären
Der Caterer zeigte sich angesichts der Vergiftungssymptome bei den Kleinkindern nach dem Verzehr seiner Essenslieferung schockiert. 1.800 Portionen seien von dem Unternehmen am Dienstag ausgeliefert worden, wobei 65 in die Kindertageseinrichtung St. Petri gingen. Allerdings hätten sich auch nach Recherchen keine ähnlichen Symptome in den anderen Auslieferungsorten feststellen lassen, berichtet der Caterer. Nirgends sonst sei es zu vergleichbaren Reaktionen gekommen. Der Caterer betonte, dass alle seine Gerichte ausschließlich mit Bioprodukten gekocht werden und sich in dem Unternehmen auch niemand den Vorfall erklären könne. Das Catering-Unternehmen will das im Verdacht stehende Essen auch von sich aus untersuchen lassen.
Notarzt vermutet Glutamat als Ursache
Ersten Vermutungen des Notarztes zufolge könnte die Ursache der Vergiftungssymptome eine Überdosis des Geschmacksverstärkers Glutamat in der Tomatensoße sein. Die Symptome der Kinder hätten im wesentlichen dem sogenannten „Chinarestaurant-Syndrom“ (Bezeichnung für Glutamat-Unverträglichkeit) entsprochen. Bereits seit Jahrzehnten untersuchen Forscher das Phänomen, welches Restaurantbesucher häufig nach dem Speisen in einer chinesischen Gaststätten beschreiben. Zehn bis 20 Minuten nach dem Essen komme es zu Mundtrockenheit, geröteten Hautpartien mit Hitzeempfindung, Gesichtsmuskelstarre, Juckreiz im Hals, Kopfschmerzen im Bereich der Schläfen, Nackensteifheit, Gliederschmerzen und Übelkeit. Dabei steht in erster Linie Glutamat im Verdacht, für die Symptome verantwortlich zu sein.
Vergiftungssymptome entsprechen einer Glutamat-Unverträglichkeit
Der häufig als Geschmacksverstärker eingesetzte Wirkstoff Glutamat hat nach Aussage der Experten als Neurotransmitter einen direkten Einfluss auf die Stoffwechselvorgänge von Nervenzellen und könnte bei überhöhten zellulären Konzentrationen schädlich auf Nervenzellen wirken. Im Extremfall gehe damit ein Absterben der Nervenzellen einher, dass heißt bei hoher Konzentration wirkt Glutamat offenbar neurotoxisch. Glutamat wird jedoch nicht nur als künstlicher Geschmacksverstärker bei industriell gefertigten Nahrungsmitteln eingesetzt, sondern ist natürlicherweise auch in vielen unverarbeiteten Lebensmitteln (zum Beispiel Tomaten) oder wenig veränderten Nahrungsmitteln (zum Beispiel Käse) mit relativ hohe Konzentrationen enthalten. Ob die Vergiftungssymptome tatsächlich durch Glutamat ausgelöst wurden, wird sich im Rahmen der Untersuchungen des Hygiene-Instituts in den kommenden Tagen entscheiden. (fp)
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Bild: Jürgen Frey / pixelio.de
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