Wachkoma-Patienten verfügen über Rest-Wahrnehmung
10.11.2011
Wachkoma-Patienten kriegen offenbar deutlich mehr mit, als bisher angenommen. Dies berichten kanadische Forscher um Dr. Damian Cruse vom Gehirnzentrum (Centre for Brain and Mind) der Universität in Western Ontario in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „The Lancet“.
Mit Hilfe der Untersuchungsmethode des Elektroenzephalogramms (EEG) konnten die kanadischen Wissenschaftler bei mehreren Wachkoma-Patienten Hirnströme identifizieren, die darauf hinweisen, dass die Betroffenen ihre Umwelt wahrnehmen und auf äußere Einflüsse reagieren, obwohl sich ihr Körper nicht bewegt. Eine Weiterentwickelung der EEG-Methode könnte in Zukunft möglicherweise die Kommunikation mit den Wachkoma-Patienten ermöglichen, so die Hoffnung der kanadischen Forscher.
Ähnliche Gehirnaktivitäten bei Wachkoma-Patienten wie bei Gesunden
Die Forscher der University of Western Ontario überprüften im Rahmen ihrer Untersuchungen mit Hilfe des Elektroenzephalogramms die elektrischen Hirnströme beziehungsweise die Gehirnaktivitäten bei 16 Wachkoma-Patienten, während diese bestimmte Kommandos oder äußere Reize erhielten. Die gewonnen Daten verglichen sie mit den Ergebnissen von zwölf gesunden Studienteilnehmern der Kontrollgruppe. Über Sensoren auf der Kopfhaut ist das EEG dazu in der Lage, die elektrischen Signale des Gehirn aufzuzeichnen. Verblüffender Weise hätten drei der 16 Wachkoma-Patienten eindeutige und anhaltende EEG-Anzeichen gezeigt, nachdem sie aufgefordert wurden, sich eine Bewegung ihrer rechten Hand oder ihrer Zehen vorzustellen, berichten Dr. Damian Cruse und Kollegen. Zwar hätten die Betroffenen ihre Gliedmaßen nicht bewegt, doch die Aktivitäten im Gehirn entsprachen exakt denen der gesunden Kontrollpersonen, wenn diese ihre Hände oder Zehen bewegten, so die Aussage der kanadischen Wissenschaftler.
Wachkoma-Patienten mit kognitiven Fähigkeiten
Obwohl keine Aussagen über die tatsächlichen Empfindungen der Patienten möglich seien, weisen die EEG-Signale darauf hin, dass einige Wachkoma-Patienten entgegen den bisherigen Annahmen teilweise bei Bewusstsein und im Besitz kognitiver Fähigkeiten sind, erklärten die Forscher. Denn das Verstehen der Kommandos und deren Umsetzung im Gehirn seien relativ komplexe Prozesse. Demnach werden Wachkoma-Patienten oftmals falsch eingeschätzt, so die Aussage von Dr. Damian Cruse und Kollegen. Das EEG-Verfahren könnte hier dazu beitragen, den tatsächlichen Zustand der Wachkoma-Patienten in Zukunft besser zu erfassen. Die EEG-Methode ist laut Aussage der Wissenschaftler „billig, transportabel, umfassend verfügbar und objektiv“, was sie für alle Wachkoma-Patienten einsetzbar macht und dazu beitragen könne, deren Kranken-Beurteilung grundlegend zu verändern.
Kommunikation mit Wachkoma-Patienten durch Weiterentwicklung des EEG
Zwar ist die EEG-Methode weniger genau als moderne bildgebende Verfahren wie zum Beispiel die Magnetresonanztomographie, diese sei jedoch deutlich teurer und könne bei Patienten, die Metallteilen im Körper haben, wie es bei Wachkoma-Patienten nach Autounfälle, häufiger der Fall ist, nicht eingesetzt werden. Insgesamt spreche also einiges für den Einsatz des EEG-Verfahrens, betonte Dr. Curse. Und die Experten gehen noch weiter: Sie hoffen, dass durch eine Weiterentwicklung des EEG eine Art Kommunikation mit den Wachkoma-Patienten möglich wird. So könnten die Patienten in Zukunft möglicherweise über EEG-Signale nicht nur einfache „Ja-Nein-Fragen“ beantworten, sondern aktiv mit ihrer Umwelt kommunizieren. (fp)
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