Den Krankenkassen geht das Geld aus
Den gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) geht das Geld aus. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) erwartet bis zum Jahresende ein Milliarden Defizit. Nur die Zusatzbeiträge hätten verhindert, das die GKV bereits jetzt ins Minus gerutscht sind, erklärte das BMG.
07.12.2010
Wie das Bundesgesundheitsministerium mitteilt, hat sich die Finanzsituation der gesetzlichen Krankenversicherungen in den ersten drei Quartalen des Jahres 2010 gegenüber dem Vorjahr erheblich verschlechtert. Trotz der anziehenden Konjunktur, konnten die Krankenkassen kein vergleichbar gutes Ergebnis erwirtschaften, wie noch im Jahr 2009 – der Überschuss der ersten drei Quartale hat sich gegenüber dem Vorjahr um über eine Milliarde Euro verringert. Lediglich durch die erhobenen Zusatzbeiträge konnte ein Defizit vermieden werden, so das Bundesgesundheitsministerium.
Die gesetzliche Krankenversicherung muss das Defizit aus Finanzreserven begleichen
Während die gesetzlichen Krankenversicherungen in den ersten drei Quartalen des Jahres 2009 noch einen Überschuss von 1,4 Milliarden Euro verbuchen konnten, liegt dieser im laufenden Jahr nur noch bei 277 Millionen Euro. Das Bundesgesundheitsministerium teilte mit, dass die Einnahmen der Krankenkassen im dritten Quartal bei 131,2 Milliarden Euro und die Ausgaben bei 130,9 Milliarden Euro lagen. Nur durch die Einnahmen von rund 463 Millionen Euro aus der Erhebung von Zusatzbeiträgen, welche seit dem ersten und zweiten Quartal 2010 von einigen Krankenkassen wie zum Beispiel der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) erstmals erhoben wurden, konnte ein Defizit bei den gesetzlichen Krankenversicherungen insgesamt vermieden werden, so die Aussage des Bundesgesundheitsministeriums.
Der noch zu verzeichnende Überschuss von 277 Millionen sei jedoch mit Blick auf das ganze Jahr 2010, ebenfalls gefährdet, da die Ausgaben im vierten Quartal erfahrungsgemäß erheblich höher liegen als in den Vorquartalen. So ist laut Bundesgesundheitsministerium davon auszugehen, dass am Ende des Jahres zahlreiche GKV ins Minus rutschen. Die abzusehende Unterdeckung bei den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds könne nicht durch Zusatzbeiträge und weitere Einnahmen ausgeglichen werden, erklärte das Bundesgesundheitsministerium. „Insofern müssen Defizite von Kassen in 2010 häufig aus noch vorhandenen Finanzreserven kompensiert werden“, so die Stellungnahme des Ministeriums. Das erwartete Defizit wird nach Prognosen des Schätzerkreises bei gut zwei Milliarden Euro liegen, wobei der Schätzerkreis jedoch noch im Sommer von einem Minus in Höhe von 3,1 Milliarden ausgegangen war.
Ausgaben der Krankenkassen um 3,9 Prozent gestiegen
Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen sind nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums zwar erneut um 3,9 Prozent gestiegen, doch tendenziell habe sich der Kostenanstieg verlangsamt – denn im ersten Halbjahr 2010 hatten die Ausgabensteigerungen durchschnittlich noch bei 4,2 Prozent gelegen. So seien die Ausgaben insgesamt nicht mehr so steil angestiegen wie noch zu Jahresbeginn, hieß es aus dem Bundesgesundheitsministerium. Den gestiegenen Kosten stand ein Zuwachs der Kasseneinnahmen von 2,7 Prozent gegenüber, wobei dieser vor allem auf einem höheren Bundeszuschuss zurückzuführen sei, so die offizielle Stellungnahme des Ministeriums. Für die Ausgabenzuwächse der gesetzlichen Krankenkassen seien insbesondere die vertragsärztliche ambulante Versorgung mit einem Kostenanstieg von 600 Millionen Euro (plus 3,7 Prozent) und die um 1,8 Milliarden Euro (4,5 Prozent) auf insgesamt 44,18 Millionen Euro erhöhten Ausgaben im Bereich der 2.100 Krankenhäuser maßgebend, so die Auskunft des Bundesgesundheitsministeriums.
Bei den Arzneimitteln seien die Kosten ebenfalls um knapp eine Milliarde (4,2 Prozent) gestiegen. Die Arzneimittelausgaben hätten in den ersten drei Quartalen dieses Jahres bei 24,32 Milliarden Euro gelegen, wobei im gleichen Zeitraum des Vorjahres 23,42 Milliarden Euro fällig wurden. Leichte Ausgabenrückgänge konnten die gesetzlichen Krankenkassen hingegen bei Vorsorge- und Rehamaßnahmen sowie bei Prävention und Impfungen verzeichnen. Bisher wurden aus dem Gesundheitsfonds für die ersten drei Quartale 2010 Zuweisungen in Höhe von insgesamt rund 127,7 Milliarden Euro an die gesetzlichen Krankenkassen ausgezahlt, wobei die Einnahmen des Gesundheitsfonds aus Beiträgen und Bundeszuschüssen bei 128,5 Milliarden Euro gelegen hätten, teilte das Bundesgesundheitsministerium mit.
Schätzerkreis: Notwendiger Zusatzbeitrag durchschnittlich bei „null“
In den aktuellen Zahlen sieht die Bundesregierung ihre jüngsten Reformbeschlüsse für das Gesundheitswesen (Stichwort: Gesundheitsreform) bestätigt. Ohne das eingeleitete „Gegensteuern“ hätte den GKV im kommenden Jahr ein Defizit von bis zu neun Milliarden Euro gedroht, hieß es aus dem Bundesgesundheitsministerium. Das beschlossene „ausbalancierte Maßnahmenpaket aus Einnahmeverbesserungen und Ausgabenbegrenzungen“ trage dazu bei, das drohende Defizit aufzufangen. Sowohl die im Finanzierungsgesetz vorgesehene Anhebung des allgemeinen Beitragssatze von 14,9 auf 15,5 Prozent zum 1. Januar 2011 als auch die Einsparungen durch das Arzneimittel-Neuordnungsgesetz, die Sparmaßnahmen bei Krankenhäusern, Ärzten und Zahnärzten und die Nullrunde bei den Krankenkassen, trage dazu bei, die gesetzlichen Krankenversicherungen auf eine „solidere finanzielle Grundlage“ zu stellen, so die Stellungnahme des Bundesgesundheitsministeriums.
Auf Basis der beschlossenen Maßnahmen der Gesundheitsreform rechnet der Schätzerkreis, welcher jährlich den Finanzbedarf der gesetzlichen Krankenversicherung ermittelt, für 2011 damit, dass die durchschnittlichen Zusatzbeiträge bei „null“ liegen werden. Damit sei jedoch nicht ausgeschlossen, dass einzelne Krankenkassen trotzdem Zusatzbeiträge erheben müssen, so der Schätzerkreis weiter. Fünf gesetzliche Krankenversicherungen hätten bereits angekündigt, im Jahr 2011 Zusatzbeiträge von ihren Versicherten zu verlangen. Der einmalige aus Steuermitteln gespeiste Bundeszuschuss von zwei Milliarden Euro zum Gesundheitsfonds im Jahr 2011, kann nach Auskunft des Bundesgesundheitsministeriums vollständig in die Liquiditätsreserve fließen und stehe so ab 2012 „für die Finanzierung des Sozialausgleichs bei einer Erhebung von Zusatzbeiträgen zur Verfügung“, erklärte das Bundesgesundheitsministerium. (fp)
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