Vor 7000 Jahren ernährten sich Menschen von Milch
21.06.2012
Milchprodukte aus Schaf-, Kuh- und Ziegenmilch sind heute in den vielen Kulturen ein kaum wegzudenkender Bestandteil der Ernährung. Britische Forscher der Universität Bristol haben anhand von Tonscherben untersucht, seit wann die Milch domestizierter Tiere zur Ernährung genutzt wird. Das Ergebnis überrascht: Joghurt stand schon vor rund 7.000 Jahren, auf der Speisekarte in Nordafrika. Die Analyse der Tonscherben aus dem Gebiet der nördlichen Sahara habe ergeben, dass schon 5.200 vor Christus Milchprodukte konsumiert wurde, berichten die Forscher um Julie Dunne und Richard P. Evershed von der University of Bristol in dem Fachmagazin „Nature“. Hinweise für eine frühe Gewinnung und Verarbeitung von Schaf-, Kuh- und Ziegenmilch hatten sich laut Aussage der Forscher bereits aus Höhlenmalereien ergeben, die Rinder mit vollem Euter und „sogar Bilder von Menschen, die Kühe melken“, zeigen. Allerdings konnten diese Höhlenmalereien bisher nicht eindeutig datiert werden.
Tonscherbe als Beleg für prähistorischen Milchgenuss
Auf Basis der Analyse der Tonscherben aus der Sahara-Region im südlichen Libyen war den britischen Wissenschaftlern nun eine relativ exakte Aussage zu dem Beginn des Milchkonsums in Nordafrika möglich. Julie Dunne und Richard Evershed untersuchten gemeinsam mit amerikanischen, italienischen und südafrikanischen Kollegen 81 Tonscherben, welche in der libyschen Sahara-Region gefunden wurden. Früher war die Region eine üppige Landschaft, die die Haltung von Kühen, Ziegen und Schafen begünstigt habe, erklärten die Wissenschaftler. Die gefundenen Scherben stammen aus dem Zeitraum von 8.100 bis 2.600 vor Christus. „Mit Hilfe molekularer und Isotop-Analysen“ konnten die Forscher nach eigenen Angaben bestimmen, welche Fette die Nahrungsmittel der damaligen Bevölkerung enthielten. Die nachgewiesenen Fette ermöglichten wiederum Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Nahrung.
Rückstände tierischer Fette lassen auf frühen Milchkonsum schließen
Ab circa 5.200 vor Christus fanden sich auf den Tonscherben Rückstände bestimmter tierischer Fette, die auf einen beginnenden Konsum von Schaf-, Ziegen und Kuhmilch schließen lassen, berichten Dunne und Evershed. Bei den Scherben, auf denen Isotope von Fetten gefunden wurden, kam „mindestens die Hälfte der nachgewiesenen Fette aus Milchprodukten“, so die Aussage der britischen Wissenschaftler. Demnach haben die Mensch in Nordafrika vor rund 7.000 Jahren damit begonnen, Milchviehwirtschaft zu betreiben und die nahrhafte Milch zu verarbeiten. Diese Ergebnisse bestätigen die Bedeutung der Milchprodukte für die prähistorischen Menschen in Afrika und „geben einen evolutionären Kontext für die Entstehung von Laktasepersistenz in Afrika“, schreiben Julie Dunne und Richard P. Evershed. Die Laktasepersistenz ermöglicht Menschen den Konsum frischer Milch ohne Verdauungsbeschwerde wie Bauchschmerzen, Blähungen oder Durchfall. Es wird auch im Erwachsenenalter noch genügend Laktase (Verdauungsenzym) produziert, um den Milchzucker (Laktose) abbauen zu können. Diese Eigenschaft ist jedoch bei längst nicht allen Menschen gegeben. Zum Beispiel weisen im ostasiatischen Raum bis zu 90 Prozent der Bevölkerung eine Laktoseintoleranz auf, das heißt ihr Verdauungssystem kann den Milchzucker nicht im erforderlichen Maße abbauen.
Milch für viele Menschen schwer verdaulich
Auch bei den prähistorischen Menschen in Nordafrika dürfte der Konsum frischer Milch aufgrund des fehlenden Laktase-Enzyms erhebliche Verdauungsbeschwerden ausgelöst haben, schreiben die britischen Forscher. Die Menschen waren daher auf eine Verarbeitung der Milch angewiesen, denn mit der Weiterverarbeitung sinkt der Laktose-Gehalt der Milchprodukte. Als Joghurt konnten die prähistorischen Menschen die Milch vermutlich ohne größere Beschwerden verzehren. Über die Jahrtausende haben sich in den Populationen, die die Milchwirtschaft nutzten, vermutlich Mutationen entwickelt, welche mit einer Laktasepersistenz einhergingen und der Bevölkerung den beschwerdefreien Genuss der Milch ermöglichten. Für die prähistorischen Menschen in Nordafrika war diese Milchverträglichkeit laut Aussage der Forscher ein entscheidender evolutionärer Vorteil, da sie auch auf diesem Weg ihren Flüssigkeitsbedarf decken konnten. (fp)
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