Stammzellen-Therapie bei Schlaganfall
Regenerative Medizin: Mit Stammzellen gegen Schlaganfälle: Britische Forscher haben erstmals Stammzellen zur Behandlung eines Schlaganfall-Patienten erprobt. Mit Hilfe direkt ins Gehirn injizierter Nervenstammzellen, hoffen die Forscher, die durch einen Schlaganfall ausgelöste partielle Lähmung des Patienten, behandeln zu können.
Bereits seit Jahren forschen Mediziner daran, durch eine Schlaganfall bedingte Hirnschäden wieder zu beheben. Da das Gehirn prinzipiell über die Fähigkeit verfügt sich zu regenerieren, möchten die Forscher diese Fähigkeit auch zur Behandlung von Hirnschäden nutzen. Jetzt haben britische Mediziner erstmals Nervenstammzellen bei einem Schlaganfall-Patienten eingesetzt und hoffen damit größere Fortschritte in der regenerativen Medizin zu erzielen.
Nervenstammzellen werden direkt ins Gehirn gespritzt
Das Forscherteam um Keith Muir von der Universität Glasgow entwickelte ein Verfahren, bei dem Patienten, die einen ischämischen Schlaganfall erlitten haben, Nervenstammzellen mit Hilfe einer extra konstruierte, 22 Zentimeter langen Nadel in die Nähe der geschädigten Hirnareale injiziert werden. Direkt in den geschädigten Bereichen erfolgte jedoch keine Stammzellen-Injektion. Das Verfahren wurde jetzt erstmals an einem Freiwilligen getestet, der vor 16 Monaten einen Schlaganfall erlitten hatte und seitdem unter partiellen Lähmungen leidet. Der Mann konnte nach der Behandlung am Wochenende inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen werden. Die Ärzte hoffen, dass durch die Stammzellen-Therapie geistige und körperliche Einschränkungen des Probanden zurückgehen.
Verfahren soll an 12 Schlaganfall-Patienten getestet werden
Mit der erstmaligen Anwendung des neuen Verfahrens, haben die britischen Wissenschaftler nach eigener Aussage den Grundstein einer ganzen Reihe von Versuchen gelegt, die den Erfolg der Methode beurteilen sollen. Bis zu zwölf weitere Personen werden die Mediziner mit der neuen Therapie behandeln und alle Probanden anschließend über einen Zeitraum von zwei Jahren beobachten. Zeichnet sich ein Erfolg der ersten Behandlungen ab, sollen größere Versuchsreihen folgen. Welchen Erfolg die Methode verspricht, ist bisher allerdings ungeklärt. Von einem schnellen Einsatz bei großen Patientengruppen kann nach Ansicht der Forscher jedoch nicht ausgegangen werden.
Methode nur bei ischämischen Schlaganfällen anwendbar
Die neue Methode lässt sich laut Aussage der britischen Forscher nur bei Patienten mit einem ischämischen Schlaganfall anwenden, welcher durch eine mangelnde Blutversorgung in bestimmten Bereichen des Gehirns verursacht wird. Die oft durch verstopfte Blutgefäße bedingte Minderdurchblutung einzelner Gehirnareale führt zu einem Mangel an lebenswichtigen Substanzen (z. B. Sauerstoff) in den Zellen und je länger die Unterversorgung anhält, umso mehr Nervenzellen sterben im Zuge des Schlaganfalls ab. Die möglichen Folgen sind zum Beispiel Lähmungen, Sprachstörungen, Gedächtnisprobleme oder eine verlangsamte Informationsverarbeitung, wobei zahlreiche Patienten noch Monate oder Jahre danach unter den Symptomen leiden. Einige der Betroffenen sind nach dem Schlaganfall lebenslang auf pflegerische Unterstützung angewiesen und etwa 30 Prozente der Schlaganfall-Patienten sterben innerhalb eines Jahres nach dem Ereignis.
Meilenstein in der britischen Stammzellforschung
Die neue Behandlungsmethode der britischen Forscher setzt insbesondere auf Ebene der zerstörten Zellen im Gehirn an und versucht mit Hilfe der Injektion von Nervenstammzellen der Biotech-Firma ReNeuron die Zellen der betroffenen Gehirnareale gezielt zu regenerieren. Während auch nicht an der Studie beteiligte Fachleute wie der Genetiker Darren Griffin von der Universität Kent bereits einen Grund zu vorsichtigem Optimismus erkennen und der Rheuma-Experte Anthony Hollander von der Universität Bristol gar von einem Meilenstein in der britischen Stammzellforschung spricht, gibt der Einsatz menschlicher Stammzellen in dem Versuch Kritikern durchaus zu denken.
Ethische Bedenken? Nicht an der Börse!
Denn die Stammzellen wurden aus einem 12 Wochen alten Fötus gewonnen, der im Jahr 2003 im US-Bundesstaat Kalifornien abgetrieben worden war. Und auch wenn das Unternehmen darauf verweist, dass sämtliche nötigen Genehmigungen der Aufsichtsbehörden vorlägen, bleiben bei vielen Menschen erhebliche ethische Zweifel an der Verwendung von aus Föten gewonnen menschlichen Stammzellen. An der Börse scheinen diese Zweifel jedoch nicht zu bestehen, denn der Kurs der Biotechnikfirma ReNeuron ist nach Bekanntgabe der ersten Ergebnisse innerhalb weniger Stunden um glatte 16 Prozent gestiegen.
Stammzellforschung macht große Fortschritte
Die Entwicklung auf dem Gebiet der Stammzellforschung schreitet momentan rasant voran. So hatte das US-Unternehmen Geron erst im vergangenen Monat mit einer Studie begonnen, bei der Patienten mit Rückenmarksverletzungen mit embryonalen Stammzellen behandelt werden und auch in Deutschland haben Forscher am International Neuroscience Institute in Hannover bereits vor knapp zwei Jahren einem Patienten Stammzellen ins Gehirn implantiert, allerdings in einem anderen Kontext als die britischen Forscher dies jetzt taten. Die bei den verschiedenen Methoden verwendeten Stammzellen unterscheiden sich oft grundsätzlich und die Verfahren sind vor dem ethischen Hintergrund dementsprechend mehr oder weniger umstritten. Stammzellforschung ist in Deutschland bisher nur in engen Grenzen erlaubt. Während die Herstellung von Embryonen zu Forschungszwecken hierzulande grundsätzlich verboten ist, gestattet der Gesetzgeber jedoch unter bestimmten Auflagen den Import der Zellen. (fp, 17.10.2010)
Lesen Sie auch:
Erfolgreiche Behandlung für Querschnittsgelähmte?
Stammzellen-Therapie gegen Rückenmarksverletzung
Bluttest soll Wechseljahre voraus sagen
Stammzellen: Kritik an Forschungsergebnissen
Bildnachweis: Martin Gapa / pixelio.de
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.