Mit Musiktherapie Tinnitus behandeln. Das Deutsche Zentrum für Musiktherapieforschung zieht eine positive Bilanz: Bei rund 80 Prozent der Patienten verringerten sich spürbar störende Ohrtöne und Ohrrauschen.
20.01.2011
Viele Menschen leiden unter einem lauten eintönigen Pfeifen oder ständiges Rauschen im Ohr. Vor allem wenn es ansonsten ruhig und still ist, hören Tinnitus Patienten die subjektiv erlebten störenden Geräusche. Noch immer existiert keine einheitliche Therapie, denn die eigentlichen Gründe für diese nervenaufreibende Sinnestäuschung ist bis heute nicht vollständig geklärt. Eine Studie des Deutschen Zentrum für Musiktherapieforschung (DZM) zeigt, dass beispielsweise eine Musiktherapie zur Linderung der Symptome beitragen kann.
80 Prozent Behandlungserfolg der Musiktherapie
Viele Menschen lernen mit der Zeit, sich mit den Ohrengeräuschen zu arrangieren. Ein Ziel ist, die Geräusche quasi zu überhören. Seit einigen Jahren werden mit dem Heidelberger Musiktherapiemanua Patienten, die an einem chronischen Tinnitus leiden, behandelt. Innerhalb von fünf Tagen erlernen die Patienten in Form einer andauernden Kompakttherapie verschiedene aktive Möglichkeiten, die Geräusche aktiv zu beeinflussen. Laut dem Zentrum für Musiktherapieforschung konnte durch diese Methode bei etwa 80 Prozent der Teilnehmer eine deutliche Linderung der Symptome erreicht werden. Manche berichteten sogar, dass die Geräusche im Ohr nach der Therapie zu 100 Prozent verschwanden.
Für die Auswertung der Daten wurden insgesamt 189 ehemalige Teilnehmer der Musiktherapie befragt, deren Therapiezeit vor etwa drei Jahren lag. Für die Befragung erhielten alle Studienteilnehmer einen Fragebogen, der bereits Bestandteil der Kompakttherapiewoche war. Etwa 50 Prozent der ehemaligen Patienten nahmen an der Umfrage teil.
Nach der Auswertung stellten die Forscher insgesamt eine Verbesserung der Tinnitus-Symptome fest. Nach rund drei Jahren nach Therapieende verringerten sich die Beschwerden im Schnitt um 20 Prozent. Waren die Betroffenen von starken und chronischen Ohrgeräuschen betroffen, so verringerte sich die Symptomatik gemessen anhand eines Schweregrades um 12 Prozent. War der Schweregrad weniger stark ausgeprägt, lag die Beschwerde-Verbesserung bei etwa 20 Prozent.
Verlauf einer Tinnitus-Musiktherapie
Während der Musiktherapie werden die Töne und Geräusche im Ohr musikalisch aufgegriffen und bearbeitet. Dabei werden die Töne entsprechend des Konzeptes den Sequenzen des Tinnitus Tones angeglichen. Daraus entsteht für den Patienten eine steuerbarer Hörprozess. Zu Beginn des Behandlungsprogramms wird für jeden Teilnehmer mit Hilfe eines Synthesizers ein individueller ähnlicher Klang bzw. ein ähnliches Rauschen produziert. Dieser Ton wird im Anschluss aktiv oder rezeptiv musikalisch eingesetzt. Durch verschiedene Übungen werden die Betroffenen in die Lage versetzt, den störenden Ton zu kontrollieren, um diesen kognitiv zu regulieren. Zusätzlich werden mit gezielten akustischen Stimulationen Gehirnareale positiv reaktiviert. Bei Erfolg führt diese Methode zu einer Normalisierung der veränderten Regionen im Gehirn.
Fast 20 Prozent der Deutschen sind betroffen
Mehr als eine Millionen Menschen gelten in Deutschland als behandlungsbedürftige Patienten. Weit aus mehr Menschen leiden jedoch an Tinnitus Geräuschen, ohne sich in eine Therapie zu begeben. Schätzungen gehen davon aus, dass rund 10 bis 20 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung an einem chronischen Tinnitus leiden. Fast die Hälfte aller Deutschen (40 Prozent) hat schon einmal Ohrengeräusche festgestellt. Zwei Drittel aller Menschen über dem 50. Lebensjahr klagen über andauernde subjektiv erlebte Töne oder sind ab und an davon betroffen. Typischerweise beginnt das Leiden zumeist in diesem Lebensalter. Frauen und Männer sind gleichermaßen hiervon betroffen. Laut Angaben einiger Studien gehen viele Forscher davon aus, dass das Auftreten von Tinnitus in den vergangenen Jahren in den westlichen Industrienationen stark zugenommen hat. Daher sprechen manche Wissenschaftler bereits von einer regelrechten „Volkskrankheit“. Bislang ist noch umstritten, ob insgesamt mehr Patienten aufgrund von Ohrentöne einen Hals-Nasen-Ohrenarzt aufsuchen, oder die Anzahl der Betroffenen tatsächlich gestiegen ist.
Ursachen von Tinnitus
Viele Forscher gehen davon aus, dass die immer schnelllebigere Gesellschaft mit ihren immer höher werdenden Ansprüchen im Privat- und Berufsleben ein Mitauslöser für das Syndrom sein kann. Im Tagesverlauf sind die Menschen immer lauteren Tönen, Stress und Leistungsdruck ausgesetzt. Kommt der Organismus zur Ruhe, können die zahlreichen Lärmbelästigungen und Informationen bei vielen nur schwer verarbeitet werden. Es kommt zu den typischen Geräuschen im Ohr. In diesem Zusammenhang weisen auch immer wieder Ärzte daraufhin, dass Tinnitus abgesondert von Grundursachen nicht betrachtet werden kann, weshalb Tinnitus auch nicht als eigenständige Erkrankung gezählt wird. Deshalb müsse bei einer sinnvollen Therapie immer auch ein Gesamtbild des Patienten erstellt werden.
Neben den psychischen Komponenten kommen auch organische Grunderkrankungen und Infekte in Frage. Mögliche Ursachen können beispielsweise bakterielle oder virale Infektionen des Mittelohrs, Mittelohrerkrankungen mit Störung der Schallübertragung oder auch ein vorangegangener Hörsturz sein. Liegt ein chronischer Tinnitus vor, so erleiden die Betroffenen schwere Beeinträchtigungen im Alltag. Das kann wiederum zu weiteren Folgeerkrankungen wie Depressionen führen, die sich aus Schlafstörungen, Phobien und Beeinträchtigungen der allgemeinen Aufmerksamkeit nähren. (sb)
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Autoren- und Quelleninformationen
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Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.