Über 61 Prozent der Deutschen kennen ihre Patientenrechte beim Arzt oder Krankenhaus nicht. Das Bundesgesundheitsministerium plant ein neues Patientenrechtegesetz und will einzelne Gesetze ausweiten.
11.12.2010
Laut einer Studie Bertelsmann-Stiftung kennen über 61 Prozent der Deutschen nicht vollständig ihre Rechte beim Arzt oder Krankenhaus. Die Bundesregierung will ein vereinfachtes Patientenrechtegesetz verabschieden, um einzelne Gesetze verständlicher und konformer zu gestalten. Zudem sollen einzelne Gesetzeslagen gegen den Widerstand der Ärztekammer durchgesetzt werden.
Fast in allen Lebensbereichen sind die Deutschen dafür bekannt, ihre Rechte zu kennen und ihre finanziellen Ansprüche umfassend durchzusetzen. Anscheinend gilt diese Kenntnis nicht bei den Patientenrechten für Ärzte oder Kliniken. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung haben rund 61 Prozent der Bundesbürger keine genauen Vorstellungen darüber, welche Rechtslage bei Ärzten und Krankenhäusern besteht. Den meisten ist die zentrale Rechtslage in der medizinischen Versorgung ein regelrechtes Fremdwort. Das ist das Ergebnis einer bundesweiten Umfrage mit 1800 Menschen, die am Freitag in Berlin vorgestellt worden ist.
Die Ergebnisse der Studie im Einzelnen: Laut der Umfrage gaben 95 Prozent der Befragten an, ein Anrecht darauf zu haben, den Arzt frei wählen zu können. Nur etwa 76 Prozent der Teilnehmer wusste allerdings, dass die freie Wahl auch für Kliniken gilt. 70 Prozent der Befragten wussten, dass der behandelnde Arzt nicht ohne ein Einverständnis des Patienten Verwandte über den Gesundheitszustand informieren darf. Über die Hälfte der Studienteilnehmer war sich nicht sicher, ob der Arzt tatsächlich immer die Wahrheit sagen muss. Und 40 Prozent gaben an, dass sie von ihrem Arzt eine Sterbehilfe in Anspruch nehmen können. Letztere Aussage gehört in Deutschland nicht zu den verankerten Patientenrechten und stehen auch nicht zur Debatte.
Unkenntnis über Gesetzeslage verursacht vielfach Furcht vor Benachteiligung
Die Unkenntnis der Menschen über die allgemeine Rechtslage verursacht bei den meisten Teilnehmern offenbar eine große Furcht, entsprechende Rechte gegenüber den Krankenhäusern und Ärzte tatsächlich auch in Anspruch zu nehmen. So gaben deutlich mehr als zehn Prozent der Befragten an, dass eine Inanspruchnahme der Patientenrechte zu einer deutlich schlechteren Behandlung beim Arzt führen könne. Fast 39 Prozent sagten, dass sie eine solche Einschränkung zumindest bei einigen Ärzten für möglich halten. 30 Prozent sagten zudem, dass sie befürchten, im Anschluss als Besserwisser oder Querulanten dargestellt zu werden. Über 60 Prozent gaben an, dass ein Arzt den Patienten nach dem Einfordern der Rechte wahrscheinlich unfreundlicher behandeln würde. Entsprechen die Angaben den persönlichen Erfahrungen oder sind es vielmehr Ausdruck subjektiver Befürchtungen? Laut der Umfrage befürchten deutlich mehr erkrankte als gesunde Menschen, nach einer Beschwerde von dem Arzt schlechter behandelt zu werden. Als Besserwisser dargestellt zu werden, befürchten allerdings auch deutlich mehr gesetzlich Krankenversicherte, als Privatpatienten.
Bundesregierung plant Patientenrechtegesetz
Im Zuge der Umfrage hat die schwarz-gelbe Bundesregierung angekündigt, ein vereinfachtes Patientenrechtegesetz zu verabschieden. Der Gesetzesentwurf soll spätestens im nächsten Jahr beraten und im Anschluss im Bundestag verabschiedet werden. Eigens hierfür will der Patienten-Beauftragte Wolfgang Zöller (CSU) dem Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) in der nächsten Woche einen ersten Entwurf vorlegen. Laut Medienberichten sollen die bereits vorhandenen Gesetze in dem Entwurf gebündelt werden, um den Patienten eine bessere Übersicht zu verschaffen. Das Hauptziel ist, die Rechte allgemein verständlicher und übersichtlicher zu gestalten. Jedoch sollen nicht nur die bereits vorhandene Gesetze zusammen gefasst werden, sondern in einzelnen Punkten auch ausgedehnt werden.
Ärzteverbände kritisieren Ausweitung der Patientenrechte
Diese Ausdehnung der Gesetzeslage stößt allerdings auf deutliche Kritik in der Ärzteschaft. So kritisierte die Landesärztekammer Brandenburg die Schaffung eines Patientenrechtegesetzes. Nach Ansicht der Ärztevertreter würde mit diesem Modell eine Überregulation beim Arzt-Patienten-Verhältnis geschaffen werden, dass kaum mehr Spielraum für das „besondere Vertrauensverhältnis“ zwischen Arzt und Patient zulässt. Mit „überzogenen rechtlichen Anforderungen“ (beispielsweise Pflicht zur ausführlichen Patientenquittung oder Dokumentationsausweitung in Arztpraxen) würde die effektive Zeit für die Behandlung des Patienten nach Ansicht der Ärzte deutlich verkürzen. Eine Arztbehandlung stellt keine Bedrohung dar, vor der Menschen geschützt werden müssten, so der Verband. (sb)
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