Schwangerschaftstest Duogynon unter Anklage
Neuer Pharmaskandal? Das Arzneimittel Duogynon steht unter dem Verdacht schwere Missbildungen begünstigt zu haben. Ein Geschädigter klagt heute vor dem Landgericht Berlin auf Herausgabe sämtlicher Unterlagen des Pharmakonzerns Bayer-Schering.
30.11.2010
Das Hormonpräparat "Duogynon" des damaligen Pharmakonzerns Schering steht unter dem Verdacht schwere Missbildungen bei Kindern hervor gerufen zu haben. Heute muss sich der Konzern Bayer-Schering erneut vor Gericht verantworten. Bayer hatte Schering vor vier Jahren übernommen und tritt damit die Rechtsnachfolge an.
Vor rund 30 Jahren wurde bereits der Vorwurf erhoben, dass Arzneimittel "Duogynon" habe bei Kindern zu schweren Missbildungen geführt. Doch das Verfahren wurde damals eingestellt. Nun wird in Berlin erneut ein Verfahren eröffnet. Ein Lehrer aus Bayern strengt eine Musterklage an, um nach eigenen Angaben mögliche Entschädigungszahlungen und Klagen auch für weitere Geschädigte zu ermöglichen. Der Kläger fordert von Bayer-Schering die Einsicht sämtlicher Unterlagen des verdächtigen Präparates. Bayer hatte den Konzern Schering vor vier Jahren übernommen und muss sich nun als Rechtsnachfolger vor Gericht verantworten.
Duogynon als Schwangerschaftstest
Das Arzneimittel wurden in den 70er Jahren Frauen verschrieben, damit sie eine mögliche Schwangerschaft testen konnten. Laut Medienangaben hätten etwa 1000 Frauen in der Folgezeit Kinder mit schweren Behinderungen zur Welt gebracht. Die Frauen hätten das Mittel in der Frühschwangerschaft eingenommen. Zahlreiche Kinder wiesen Behinderungen wie einen Wasserkopf, offenen Rücken, offenen Bauch bis hin zu schweren Missbildungen der inneren Organe auf. Im September 1980 teilte das damalige Pharmaunternehmen Schering mit, dass die Behandlung „sekundärer Amenorrhöe“ durch „Duogynon“ medizinisch „überholt sei“. Im Oktober des selben Jahres stellte der damalige Schering-Konzern die Herstellung von Duogynon ein und nahm das Mittel vom Arzneimittelmarkt.
In dem heute verhandelten Verfahren habe die Mutter des Geschädigten das Mittel im Jahre 1975 als Schwangerschaftstest verabreicht bekommen. Während dieser Zeit war das Hormonpräparat in Großbritannien für die Gebrauch bereits verboten. In Deutschland wurde „Duogynon“ allerdings bis Ende der 70er Jahre eingesetzt. Der aus Bayern stammende Leher André S. kam im Jahre 1976 mit schweren Missbildungen an der Blase und den Geschlechtsorganen zur Welt. In Folge musste der Betroffene zahlreiche medizinische Eingriffe durchführen lassen. In Folge hat der Kläger seit den Operationen einen künstlichen Harnausgang.
Bayer-Schering sieht keinen kausalen Zusammenhang
Der Konzern Bayer-Schering weist allerdings alle Vorwürfe von sich. So sagte ein Konzernsprecher sagte: „Das Thema wurde in den 60er und 70er Jahren juristisch und wissenschaftlich ausgiebig und abschließend erörtert. Seitdem gibt es keine neuen Erkenntnisse“. Es würde kein erkennbarer Zusammenhang zwischen dem damaligen Schwangerschaftstest und den Missbildungen der Kinder bestehen. Schon beim Einreichen der Klage ließ der Pharmahersteller verlautbaren: "Eine Kausalität zwischen den Missbildungen und dem Produkt konnte hierbei nicht festgestellt werden. An diesem Erkenntnisstand hat sich bis heute nichts geändert".
Der Berliner Anwalt Heynemann vertritt rund 200 Duogynon-Geschädigte aus ganz Deutschland. Er verweist auf Daten des Bundesgesundheitsamtes, die damals zusammen gestellt wurden. Anhand der Daten sei erkennbar, dass eine "statistische Signifikanz" zwischen der Einnahme des Mittels und den Fehlbildungen bei Kindern bestehe, so der Rechtsanwalt. Zudem sei erkennbar, dass das Behinderungs-Risiko durch Duogynon genauso groß war, wie bei dem Arzneimittel "Contergan".
Das Präparat wurde damals entweder als Dragee oder Injektion sowohl als Schwangerschaftstest als auch zur Behandlung ausbleibender Menstruationsblutungen verordnet. Nach nur einer Woche nach Verabreichung setzten die Regelblutungen ein. Das Hormonelle Präparat ist aus „Progesteron“ und „Östradiol“zusammengesetzt. Schon damals wusste man allerdings, dass eine Blutung einsetzen kann, obwohl eine Schwangerschaft vorliegt. Heute Abend wird der Kläger in der RTL Sendung „Stern TV“ auftreten und über das Verfahren und die Leiden der Betroffenen berichten.
Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen AZ: 1 Wi Js 329/78 geführt. Die Auskunftsklage soll eine Grundlage für eine spätere Schadenersatzklagen gegen Bayer-Schering sein. Auf den Konzern könnten dann Schadenersatzklagen in Millionenhöhe zukommen, wenn ein Zusammenhang zweifelsfrei nachgewiesen wird. (sb)
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