Überschuldungsreport 2011: Krankheit als Ursache für Überschuldung
25.09.2011
Gesundheitliche Beeinträchtigungen bringen ein deutlich erhöhtes Überschuldungsrisiko mit sich. Wie „Welt Online“ unter Berufung auf den bisher unveröffentlichten „Überschuldungsreport 2011“ des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen (IFF) berichtet, sind psychische und körperlicher Erkrankungen bei mehr als zehn Prozent der überschuldeten Haushalte in Deutschland Ursache für die finanziellen Probleme.
Seit dem Jahr 2005 hat sich demnach der Anteil der Krankheiten aufgrund von Überschuldung verdoppelt. Zwar spielen auch andere Faktoren wie Arbeitslosigkeit, Scheidungen oder fehlgeschlagene Versuche der Selbständigkeit eine wesentliche Rolle bei den finanziellen Schwierigkeiten der mehr als drei Millionen überschuldeten Haushalte in Deutschland, doch die seelischen und körperlichen Beschwerden haben als Auslöser für Überschuldung in den letzten fünf Jahren am deutlichsten zugenommen.
Drei Millionen überschuldete Haushalte in Deutschland
Der Definition des IFF zufolge gelten Haushalte als überschuldet, die ihren finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können, ohne die eigene Grundversorgung zu gefährden. Als eindeutige Hinweise auf Überschuldung sind dabei Zahlungsverzüge sowie Kredit- und Kontokündigungen zu bewerten. Den Hochrechnungen der Experten zufolge sind derzeit rund 3,15 Millionen Haushalte überschuldet. Wie „Welt Online“ berichtet, basiert die jährlich erscheinende IFF-Studie zu den Ursachen der Überschuldung auf der Auswertung der Angaben von etwa 13.000 Personen, die pro Jahr bei einer Schuldnerberatungsstelle Unterstützung suchen. Als erfreuliche Entwicklung beschreibt das IFF dabei, dass generell eine leichte Abnahme der Verpflichtungen pro ratsuchenden Haushalt von 31.996 Euro im Jahr 2009 auf 27.132 Euro im Jahr 2011 zu verzeichnen war. „Welt Online“ zufolge ist die Verschuldung im ersten Quartal 2011 sogar auf 23.244 Euro gesunken. Die Verbindlichkeiten der ratsuchenden Schuldner gegenüber den Banken reduzierten sich dabei von 14.598 Euro im Jahr 2009 auf 11.364 Euro im ersten Quartal 2011. Die übrigen Schulden verteilen sich in der Regel auf Gläubiger öffentlich-rechtlicher Stellen und der Privatwirtschaft wie zum Beispiel Telekommunikationsunternehmen.
Verdopplung der krankheitsbedingten Überschuldung
Weiterhin auf Platz eins der Schuldenursachen liegt der IFF-Studie zufolge mit 31,2 Prozent die Erwerbslosigkeit. Scheidungen beziehungsweise Trennungen sind bei 12,5 Prozent der überschuldeten Haushalte Ursache für die finanziellen Schwierigkeiten und gescheiterte Existenzgründungen bei 12,1 Prozent. Psychische und körperliche Erkrankungen bilden heute bei 10,5 Prozent der Ratsuchenden die Ursache für die Überschuldung, was einem Anstieg von 5,5 Prozent gegenüber dem Jahr 2005 entspricht. Die Zahlen verdeutlichen, dass gesundheitliche Beschwerden eine immer größere Bedeutung beim Auftreten ernsthafter finanzieller Schwierigkeiten spielen, erklärten die Studienautoren des IFF. Insbesondere Personen im Alter zwischen 40 und 50 Jahren sind der aktuellen Studie zufolge durch krankheitsbedingte Überschuldung bedroht. Bei den jüngeren Schuldnern ist hingegen oftmals ein verschwenderisches Konsumverhalten Ursache der finanziellen Probleme. So seien 16 Prozent der überschuldeten 20- bis 30 Jährigen durch ihr unverantwortliches Konsumverhalten in die Schuldenfalle gerutscht, bei den 25- bis 30-Jährigen liege der Anteil sogar bei 19,4 Prozent, berichtet die Zeitung. In Bezug auf den Anteil an den Schuldnern aller Altersgruppen ist das Konsumverhalten mit lediglich 8,2 Prozent jedoch eher von untergeordneter Bedeutung. Wie das Onlineportal aus der IFF-Studie zitiert, hat „das Merkmal in der Schuldnerberatung damit lange nicht die Relevanz, die ihm in der öffentlichen Diskussion zukommt.“
Nachwirkungen der Wirtschaftskrise
Die Ergebnisse des „Überschuldungsreports 2011“ werden den Experten zufolge auch durch die Nachwirkungen der Wirtschaftskrise geprägt. So habe diese mit einer Zeitverzögerung von eineinhalb Jahren dazu geführt, dass die Zahl der Verbraucherinsolvenzen in Deutschland im Jahr 2010 mit 106.300 ihren Höchststand seit 1999 erreicht hat. Allerdings deute der Rückgang bei den Insolvenzeröffnungen im ersten Quartal 2011 auf eine Trendwende hin, so die Aussage des IFF. Für die bereits betroffenen Schuldner ist der Weg aus der Überschuldung ohne Hilfe von außen indes oftmals kaum möglich. So haben 70 Prozent der Ratsuchenden im Alter über 35 Jahren Bankschulden, wobei etwa zehn Prozent der Betroffenen mindestens vier Kredite aufgenommen haben, berichtet „Welt Online“. Bis zum Alter von 45 Jahren steige die Anzahl der Kredite pro Kopf meist kontinuierlich an und verharre anschließend auf hohem Niveau, was nach Ansicht der IFF-Experten als Anzeichen dafür gewertet werden kann, dass die Betroffenen mit Hilfe neuer Kredite oftmals erfolglos versuchen, sich aus ihren finanziellen Schwierigkeiten zu befreien. Bei den jungen Schuldnern, die zum Beispiel fürs Studium, für die Wohnungseinrichtung oder eine Immobilie Kredite aufnehmen, stelle sich die Situation jedoch meist weniger dramatisch dar.
Alleinerziehende besonders häufig betroffen
Die IFF-Studie verdeutlicht auch, welche Bevölkerungsgruppen besonders häufig von Überschuldung betroffen sind. Demnach sind insbesondere Alleinlebende betroffen und hier vor allem Männer. So ist der Anteil der alleinstehenden Männern an den Ratsuchenden der Schuldnerberatung zwischen 2009 und 2010 von 34,1 Prozent auf 37,5 Prozent gestiegen. Alleinstehende Frauen sind hingegen ein wenig seltener von Überschuldung betroffen als im Jahr 2009. Ihr Anteil an den Ratsuchenden ist laut "Welt" von 18,6 Prozent auf 16,6 Prozent gesunken. Auch der Anteil der überschuldeten Paare ist der IFF-Studie zufolge im vergangenen Jahr leicht zurückgegangen. Alleinerziehende Elternteile sind weiterhin besonders häufig von Überschuldung betroffen, wobei rund ein Fünftel (20,1 Prozent) der Alleinerziehenden entsprechende finanzielle Probleme hat.
Das psychische und körperliche Erkrankungen immer häufiger zur Schuldenfalle werden, widerspricht eigentlich dem Grundsatz eines solidarischen Gesundheitssystem, dass die Nachteile die durch Krankheiten entstehen, zumindest soweit ausgleichen sollte, dass die Betroffenen nicht in finanzielle Notlagen geraten. Eine Verdoppelung der krankheitsbedingten Überschuldungen ist hier als Alarmsignal zu werten, welches den Handlungsbedarf auch von Seiten der Politik verdeutlicht. Es müssen geeignete Maßnahmen entwickelt werden, um ein dauerhaftes Abrutschen der Betroffenen zu vermeiden. Die Schuldnerberatung alleine reicht hier sicher nicht aus, um allen überschuldeten Haushalten zu helfen. (fp)
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Bild: Anja Wichmann/ bearbeitet: Gerd Altmann, pixelio.de
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