Langzeitstudie stellt massiven weltweiten Anstieg der Fettleibigkeit fest
Drei Millionen Menschen sterben nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jährlich weltweit an den Folgen von zu hohem Übergewicht. Gesundheitsexperten schätzen die Zahl der Übergewichtigen auf rund eine halbe Milliarde Menschen weltweit. Dabei bildet Übergewicht nach Aussage der WHO nicht nur in den Industrienationen ein wachsendes Problem, auch in den Entwicklungsländern leide eine stetig steigende Zahl unter den Folgen zu hohen Körpergewichtes. Insgesamt habe sich die Anzahl der übergewichtigen bis fettleibigen Personen weltweit in den vergangenen dreißig Jahren nahezu verdoppelt, teilte die WHO mit. Im Rahmen der Veröffentlichung einer umfassenden Langzeitstudie zu Fettleibigkeit, Bluthochdruck und Cholesterin-Werten in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „The Lancet“ teilten die Autoren mit, dass 2008 fast eine halbe Milliarde Menschen (205 Millionen Männer und 297 Millionen Frauen) weltweit an Übergewicht litt.
Übergewicht auch in Entwicklungsländern ein Problem?
Ein internationales Forscherteam hatte im Rahme der Langzeitstudie die medizinischen Daten aus 199 Ländern und Regionen ausgewertet, mit dem Ergebnis, dass Übergewicht weltweit auf dem Vormarsch ist. Dabei sind allerdings nicht länger nur die Industrienationen betroffen, sondern auch Ländern mit niedrigem und mittleren Einkommen, erklärte einer der Studienautoren, Majid Ezzati. So sei beispielsweise der Durchschnittswert des sogenannten Body-Mass-Index (BMI), in den Nationen der Pazifikinseln heutzutage am höchsten. Der BMI bestimmt das Verhältnis von Körpergewicht und Größen, wobei ab einem BMI von 25 Personen als übergewichtig gelten, ab einem BMI über 30 als fettleibig (adipös). Obwohl die medizinische Aussagekraft des BMI umstritten ist, bietet die Relation von Gewicht zu Körpergröße einen relativ guten Anhaltspunkt für die grobe Einteilung der Bevölkerung in Normalgewichtige, Übergewichtige und Fettleibige.
Am meisten Übergewichtige in den USA und Neuseeland
Die Langzeitstudie habe außerdem ergeben, dass 13,8 Prozent der Frauen und 9,8 Prozent der Männer im Jahr 2008 übergewichtig waren, wobei dies vor knapp 30 Jahren (1980) bei nur 7,9 Prozent der Frauen und 4,8 Prozent der Männer der Fall gewesen sei, berichten Forscher im „Lancet“. Bei den Männern seien im internationalen Vergleich die meisten Übergewichtigen in dem kleinen Pazifikstaat Nauro zu finden, gefolgt von den USA und Neuseeland. Unter den Industrienationen bilden die vereinigten Staaten und Neuseeland auch bei der geschlechterübergreifenden Betrachtung die Länder mit dem höchsten durchschnittlichen BMI und den eindeutig meisten Übergewichtigen. Den Gegenpol bei den Industriestaaten stellt Japan dar, wo der durchschnittliche BMI und die entsprechenden Probleme mit Fettleibigkeit am geringsten sind. Insgesamt weisen Entwicklungs- und Schwellenländer wie die asiatischen Staaten Bangladesch und Indien oder die afrikanische Republik Kongo den Angaben der WHO zufolge durchschnittlich am wenigsten Übergewichtige auf.
Übergewicht: Deutschland im internationalen Vergleich
Um das Gewicht der Bevölkerung in Deutschland scheint es den Studienergebnissen nach relativ gut bestellt. Zwar liegen Deutschlands Frauen mit einem durchschnittlichen BMI von 25,7 im Jahr 2008 leicht und die Männer mit einem durchschnittlichen BMI von 27,2 deutlich über dem globalen Mittel, doch belegt Deutschland mit der Zahl der Dicken Männern im internationalen Vergleich nur Platz zehn und bei den Frauen nur Platz 17. Am schlankesten in Europa sind den Ergebnissen der Langzeitstudie zufolge die Frauen in der Schweiz, gefolgt von Frankreich und Italien. Bei Betrachtung der weltweiten Gesamtbevölkerung, liege der Durchschnitt des BMI der Frauen bei 23,8 und der BMI der Männer bei 24,1, berichten die Forscher. In den wohlhabenden Regionen seien Männer häufiger übergewichtig, in den ärmeren Staaten Frauen, so das Ergebnis der Studie. Laut einer im letzten Jahr veröffentlichten OECD-Studie ist jeder sechste Deutsche ist fettleibig.
Adipositas verursacht zahlreiche gesundheitliche Probleme
Sowohl das Nahrungsverhalten als auch die Veränderungen der Lebensweise, begünstigen der Studie zufolge den deutlichen Anstieg der Übergewichtigen. „Wir wissen, dass Veränderungen der Ernährung und körperlichen Aktivitäten zur weltweiten Ausbreitung von Fettleibigkeit beigetragen haben“, betonte Gretchen Stevens von der Weltgesundheitsorganisation. Die Adipositas-Probleme lassen sich anhand der Langzeitstudie sehr genau und regionsspezifisch verfolgen, allerdings bleibe unklar, „welche Maßnahmen Fettleibigkeit effektiv verringern können“, erklärte der Experte. Daher sollten alles Maßnahmen ergriffen werden, die helfen können, den derzeitigen Trend umzukehren oder die krankhaften Folgen von Übergewicht zu begrenzen. Denn Übergewicht und Adipositas (Fettleibigkeit) können schon bei Kindern zu schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen führen, die sich gegebenenfalls im Laufe des Lebens immer weiter verschärfen. So wird nach Aussage der WHO zum Beispiel das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schäden an den Blutgefäßen und verkalkten Arterien sowie das Diabetes-Risiko oder das Risiko einer Demenzerkrankung durch Adipositas eindeutig erhöht. Außerdem steige die Wahrscheinlichkeit von Herzinfarkten und Schlaganfällen.
Übergewicht durch falsche Ernährung und Bewegungsmangel
Die hohe Zahl der Übergewichtigen wird nach Einschätzung der Experten maßgeblich durch falsche Ernährung und einen verbreiteten Bewegungsmangel beeinflusst, wobei hier entsprechende Ernährungs- und Bewegungsinitiativen einen ersten Ansatz bieten, um den bestehenden Problemen entgegen zu wirken. Nach Einschätzung der OECD, die sich im letzten Jahr ebenfalls verstärkt mit dem Problem auseinandergesetzt hat, bedarf es jedoch auch weiterer politischer Ansätze. Die angedachte Ampelkennzeichnungen von Lebensmitteln oder Bewegungsinitiativen, welche zum Beispiel das Ausleihen von Fahrräder unterstützen, so dass kurze Strecken mit der eigenen Körperkraft zurückgelegt werden können, reichen nach Einschätzung der OECD-Experten nicht aus. Vielmehr müsse mit intensiver politischer Unterstützung eine Kultur des gesunden Essens und des aktiven Lebensstils etabliert werden. Aufklärungskampagnen sowie eine garantierte individuelle Beratung beispielsweise durch den Hausarzt wären nach Ansicht der OECD-Experten eine gute Möglichkeit, um der Ausbreitung von Adipositas zu begegnen – denn „nur so kann die Politik den Anspruch ändern, den die Menschen an sich selbst und ihre eigene Fitness haben.“ Allerdings müsse auch die Lebensmittelindustrie ihren Beitrag leisten und die Lebensmittelerzeugung gemäß den gesundheitlichen Ansprüchen anpassen. (fp, 04.02.2011)
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Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
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