Synästhesie: Manche Menschen können Wörter schmecken
01.06.2012
Menschen, die "Wörter schmecken und Töne sehen können", nennt die Wissenschaft "Synästheten". Über die Verknüpfung bestimmter Hirnregionen kommt es zu diesem Phänomen, dem Wissenschaftler nun auf die Schliche gekommen sind. Betroffene sind demnach keineswegs verrückt sondern verfügen über sehr aktive Netzwerke im Gehirn. Die aktuelle Untersuchung wurde in der Fachzeitschrift "Journal of Neuroscience" veröffentlicht.
Synästheten haben bei einem Sinnesreiz mehrere Wahrnehmungen
Goethe und List wird nachgesagt, Synästheten gewesen zu sein. Die Pianistin Hélène Grimaud gehört ebenfalls zu den Menschen mit dieser speziellen Fähigkeit. Unter Synästhesie versteht man die Kopplung verschiedener Sinneseindrücke, so dass Synästheten in der Lage sind, Töne nicht nur zu hören sondern dabei beispielsweise auch Formen und Farben wahrnehmen. Häufig werden auch Buchstaben oder Zahlen bestimmten Farben zugeordnet. In einigen Fällen tritt Synästhesie auch krankheitsbedingt auf. Dies kann beispielsweise bei Schizophrenie oder Drogenmissbrauch durch Hallozinogene der Fall sein. Synästhesie tritt in der Regel familiär gehäuft auf, so dass selten nur ein Synästhetiker innerhalb einer Verwandtschaft vorkommt.
Es ist bereits aus früheren Studien mit Kernspintomographien bekannt, dass Synästheten eine stärkere Aktivität in einem bestimmten Hirnareal bei der Verarbeitung visueller Reize zeigen. Jedoch war bis vor kurzem noch nicht klar, wie die verstärkten Verknüpfungen einzelner Sinne entstehen. Jüngst entdeckten Neurowissenschaftler vom Forschungszentrum Jülich und dem Klinikum rechts der Isar in München, dass die verstärkt gekoppelte Aktivität zwischen den Hirnregionen die synästhetischen Verknüpfungen vermittelt.
Verknüpfte Netzwerke im Gehirn verursachen Synästhesie
Das menschliche Gehirn verfügt über verschiedene Netzwerke von verknüpften Hirnregionen, die spezielle Aufgaben übernehmen. Diese Strukturen sind sogar im Ruhezustand gekoppelt, beispielsweise bei Probanden, die mit geschlossen Augen im Kernspintomographen liegen. Um herauszufinden, wie sich die gekoppelten Ruhe-Netzwerke bei Menschen mit Synästhesie zeigen, wurden psychologische Test zu unterschiedlichen Aspekten der individuellen Wahrnehmung mit 12 Synästheten durchgeführt. Zudem untersuchten die Wissenschaftler während einer zehnminütigen Messung mit funktioneller Kernspintomographie den Ruhezustand des Gehirns der Probanden. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Netzwerke im Ruhezustand bei Synästheten viel starker verknüpft sind als bei anderen Menschen. Je stabiler die synästhetische Wahrnehmung ist, desto stärker ist die Kopplung ausgeprägt. (ag)
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