Hunde als Therapeuten bei Depressionen? Das Zentrum für Seelische Gesundheit an der Klinik Marienheide untersucht derzeit den Nutzen einer tiergestützen Therapie bei Depressionen.
21.01.2011
Lassen sich Depressionen mit Hilfe von Hunden behandeln? In einer Studie am Zentrum für Seelische Gesundheit der Klinik Marienheide in Gummersbach werden erstmals die Möglichkeiten einer tiergestützten Therapie zur Behandlung von Menschen mit Depressionserkrankungen untersucht.
Unter dem leitende Oberarzt der Allgemeinpsychiatrie des Klinikums Marienheide, Dr. Andreas Sobottka, wird die weltweit erste wissenschaftliche Studie zur tiergestützten Therapie beim Menschen durchgeführt. Sechs Hunden sollen dabei über einen Zeitraum von acht Wochen zur Therapie von depressiven Patienten eingesetzt werden. Die Behandlungsergebnisse werden parallel anhand von Fragebögen ausführlich dokumentierten, anschließend in einer umfassenden Studie ausgewertet und im Fachmagazin „Der Nervenarzt“ veröffentlicht, erläuterte Dr. Andreas Sobottka.
Depressionen durch Therapien mit Hunden behandeln
„Es gibt Erkenntnisse, dass der Umgang mit Tieren Stress und Angst mindert, zur Verbesserung des Selbstvertrauens beiträgt, beruhigende Wirkung hat, hohen Blutdruck senkt, den Kortisol Spiegel im Blut und das Schmerzempfinden mindert“, erklärte Dr. Sobottka. Doch wissenschaftlich fundierte Belege für die positive Wirkung bei Depressionen gibt es nach Aussage des Experten bisher nicht. Dies wollen die Mediziner am Klinikum in Marienheide mit ihrer Studie nun ändern. Die professionelle Hundetrainerin Mareike Doll-Degenhardt wird zweimal wöchentlich mit je vier Hunden in das Zentrum für Seelische Gesundheit kommen, wo in den nächsten acht Wochen 60 Patienten mit psychischen Erkrankungen zusätzlich zu den normalen Therapiezeiten, ein wenig Zeit mit den Hunden Buddy, Penny & Co. verbringen sollen. So wird die Gruppe der ersten 15 Patienten ab sofort pro Woche zwei Mal eine je halbstündige zusätzliche Therapiesitzung mit den Hunden absolvieren, berichtet Dr. Sobottka. Nach vier Wochen Hunde-Therapie folgen vier Wochen bei herkömmlicher Behandlung, wobei eine zweite Gruppe parallel zunächst ohne zusätzliche Therapie und nach vier Wochen dann mit Hunden-Therapie behandelt wird.
Patienten sollen gemeinsam mit Hunden Herausforderungen bewältigen
Die Hundetrainerin Doll-Degenhardt betreibt in Wermelskirchen eine Hundeschule und eine Zucht für Australian Working Kelpie, eine eifrige und dennoch ruhige Hunderasse mit hoher Intelligenz und Selbstständigkeit. Australian Working Kelpie arbeiten und lernen gerne, reagieren einfühlsam auf Menschen und kommen auch mit Stress gut zurecht, erklärte die Hundetrainerin. Im Alltag kümmern sich Buddy, Penny und die anderen Hunde um die Schafe von Mareike Doll-Degenhardt. Doch in der Therapie sollen sie nun mit den depressiven Patienten spielen und arbeiten, wobei jeder Patient quasi seinen eigenen Hund hat bzw. in den Therapie-Stunden immer mit dem gleichen Hund zusammenarbeitet. Dabei haben die Experten „verschiedene Übungen zusammengestellt“, die Sitzungen können aber auch individuell gestaltet werden – „je nachdem, wie Hund und Mensch drauf sind“, betonte Dr. Sobottka. Zum Beispiel sollen die Patienten mit Ängsten durch den Umgang mit den Hunde lernen, sich durchzusetzen oder Patienten mit Zwangsneurosen trainieren, „die Leine auch mal locker zu lassen“, erläuterte der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Um dabei möglichst schnell eine Beziehung zwischen dem Therapie-Hund und den Patienten aufzubauen, werde jede Sitzung eine gemeinsame Aufgabe umfassen, die für Mensch und Hund eine zu bewältigende Herausforderung darstelle, so Dr. Sobottka weiter. Die Hundetrainerin Doll-Degenhardt ist bei den Therapieübungen ebenfalls stets anwesend.
Um die Wirksamkeit der hundegestützten Therapie auf das emotionale Erleben und die depressiven Symptome der Patienten zu überprüfen, werden die Ergebnisse der Behandlung parallel in wissenschaftlich standardisierter Fragebögen detailliert erfasst und anschließend in einer umfassenden Studie ausgewertet, betonte Dr. Andreas Sobottka. „Es gibt zwar einzelne Berichte von Krankenschwestern, die im Verlauf der Tiertherapie Besserung bei Patienten mit Depressionen beobachteten, aber bisher wurde noch keine offizielle Studie angefertigt“, unterstrich der Experte die Bedeutung der aktuellen Untersuchung. Erste Ergebnisse will der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in rund einem halben Jahr vorlegen.
Mediziner hoffen auf Verkürzung der Behandlungsdauer
Für die Finanzierung der Studie ist das Klinikum Oberberg als Träger des Zentrums für Seelische Gesundheit in Marienheide aus Eigenmitteln aufgekommen. Der Geschäftsführer Joachim Finklenburg betonte, er habe die Mittel gerne bereit gestellt, denn „im Idealfall“, dass „die tiergestützte Therapie bei Depression hilft“, könne bei einigen Patienten ein stationärer Aufenthalt in einer Klinik gänzlich vermieden werden. „Toll, dass unsere Ärzte an der Weiterentwicklung von Behandlungsmethoden“im Sinne der Patienten arbeiten, erklärte Joachim Finklenburg. Auch Dr. Sobottka erhofft sich eine positive Wirkung der Hunde-Therapie auf Patienten mit depressiven Störungen, was seiner Aussage nach eine Verkürzung der Behandlungsdauer und eine Übernahme der Therapiekosten durch die Kassen ermöglichen würde. Darüber hinaus könnte die aktuelle Studie dazu beitragen, generelle Qualitätsstandards für tiergestützten Therapien einzuführen, erklärte Dr. Sobottka.
Vielfältiger medizinischer Einsatz von Hunden
Der Einsatz von Hunden zu Therapiezwecken ist bereits seit längerem in der Erprobung. So werden die treuen Vierbeiner nicht nur zur Behandlung von Depressionen sondern zum Beispiel auch bei Demenz eingesetzt. Außerdem halfen Hunde mit ihrer feinen Nase schon bei der Krebsdiagnose und dienten Epilepsie-Patienten, um diese rechtzeitig vor einem Anfall zu warnen. Wie auch die Untersuchungen zur Behandlung depressiver Patienten zeigen, scheinen die Möglichkeiten des medizinischen Einsatzes von Hunde jedoch insgesamt bei weitem noch nicht ausgereizt. Hier stellt die nun in Angriff genommene erste wissenschaftlich fundierte Untersuchung des Behandlungserfolges der tiergestützten Therapie allerdings einen deutlichen Fortschritt dar. (fp)
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