Gesundheitsforschung: Vorläufer der AIDS-Viren zehntausende Jahre alt. Neue Fragen für die Aids-Forschung.
(17.09.2010) Der Vorläufer des Aids-Virus HIV ist älter als erwartet. Die Urform des Virus muss nach Aussage amerikanischer Wissenschaftler vom "Tulane National Primate Research Center" in Convington mindestens 32.000 Jahre oder älter sein. Die US-Wissenschaftler konnten SI-Viren-Stämme, die Urform des Erregers der Immunschwäche-Krankheit Aids, bei Affen auf der afrikanischen Insel Bioko feststellen. Die Insel hat sich bereits vor ca. 10.000 bis 12.000 Jahren vom Festland abgetrennt, so dass die Affen seither isoliert waren und nach Annahmen der Forscher eigentlich keine SIE-Viren aufweisen sollten.
Das mehr als 25 Prozent der untersuchten Affen auf der westafrikanischen Insel Bioko dennoch den SI-Virus (Simian Immunodeficiency Virus) in sich trugen, widerspricht der bisherigen Position sämtlicher Fachleute. Sie waren auf Basis älterer molekularbiologischer Analysen davon ausgegangen, dass der Erreger maximal einige hundert Jahre alt sein könne. Mit Hilfe intensiver DNS-Untersuchungen und anschließender computer- berechneter Modelle, gestützt auf biologische Erfahrungswerte kommen die US-Forscher jetzt jedoch zu dem in der aktuellen Ausgabe des „Science“ Wissenschaftsmagazins veröffentlichten Ergebnis, dass der SI-Virus zwischen 32.000 und 75.000 Jahre alt sein muss.
Dabei argumentieren die Wissenschaftler um den Biologen Michael Worobey von der University of Arizona sowie den Virologen Preston Marx vom „Tulane National Primate Research Center“ bei ihrer Altersschätzung einerseits logisch genetischen und anderseits historischen-rekonstruierend. Da die Insel Bioko sich vor mehr als 10.000 Jahren vom Festland trennte, muss nach ihrer Auffassung das SI-Virus schon damals bei bestimmten Affenarten verbreitet gewesen sein. Dabei haben die jetzt auf Bioko gefundenen SI-Viren eine andere Evolutionsgeschichte als die SI-Viren auf dem Festland, so dass sie sich in ihrer DNS eindeutig unterscheiden. Preston Marx, Leiter der Forschungsgruppe am Tulane National Primate Research Center erläutert, dass die Virenstämme der ursprünglichen Halbinsel von denen des Festlands getrennt wurden und sich anschließend unabhängig weiterentwickelt haben. Aufgrund der relativ wenigen molekularen Veränderung der SI-Viren im Laufe der Zeit, kommen die Experten darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass die Evolution des Erregers weit langsamer voranschreitet als bisher angenommen.
Das SI-Virus wird offenbar bereits seit Jahrtausende im Organismus von Affen transportiert, löst heute jedoch bei den meisten infizierten Tieren anders als das HI-Virus kein AIDS aus. Nach Angabe der Forscher hat es bei der langsamen molekularen Evolution des Erreger allerdings wahrscheinlich Jahrtausende gedauert, bis aus einem tödlichen Virus ein relativ harmloser Erreger geworden ist. Ebenso lange könnte es nach Aussage der US-Forscher auf Basis der natürlichen molekularen Evolution dauern bis die Virulenz (Fähigkeit des Erregers eine Krankheit auszulösen) von HIV zurückgeht.
Anhand der gewonnen Erkenntnisse hoffen die Forscher nun auch die Entstehung des HI-Virus zurückverfolgen zu können. Wobei sich den Wissenschaftlern die Frage stellt, wie Menschen jahrtausendelang neben infizierten, an AIDS erkrankten Primaten leben konnten, ohne dass die Immunschwäche-Krankheit auch bei ihnen ausbrach.
Heute sind mehr als 33 Millionen Menschen weltweit mit HIV infiziert. Das Virus aus der Familie der Retroviren löst nach einer teilweise mehrjährigen Inkubationszeit die Immunschwäche-Krankheit AIDS (acquired immunodeficiency syndrome) aus, an deren Folgen jährlich etwa 2 Millionen Menschen sterben. Eine erfolgreiche Behandlung gibt es bisher nicht, auch wenn viele Infizierte in den modernen Industrienationen, aufgrund der relativ effektiven Wirkstoffe zur Linderung der Symptome, ein ganz „normales“ Leben führen können. Die Verbreitung des HI-Virus ist in den letzten 25 Jahren zu einer Pandemie geworden, die laut Schätzung der Organisation UNAIDS bisher etwa 25 Millionen Menschen das Leben gekostet hat, wobei heute insbesondere der afrikanische Kontinent betroffen ist. (fp)
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