Nach Ansicht der Krankenkassen sind Zahnarztbehandlungen nicht gefährdet. Die Mediziner sind dazu verpflichtet Patienten nicht abzulehnen. Zahnbehandlungen werden bis zum Ende des Jahres ganz normal weitergeführt.
(02.11.2010) „Keine Zahnarztbehandlungen mehr in diesem Jahr“, das war heute auf den Titelseiten der unterschiedlichen Magazinen zu lesen. Auch wir veröffentlichten den Hinweis, dass es möglicherweise zu einer Verschiebung der Zahnarzttermine kommen könnte. Doch Experten der Krankenkassen und politisch Verantwortliche sagen eindeutig „Nein!“. Eine Weigerung von Zahnarztbehandlungen würde gegen das Gesetz verstoßen. Der Hinweis, möglicherweise würden für Kassenpatienten keine Zahnbehandlungen mehr durchgeführt, ist eine Kampagne der Zahnarzt-Vertreter, um höhere Budgets von Krankenkassen zu verlangen. Das jedenfalls ist die Ansicht der Kassenvertreter.
Werden Kassenpatienten zum Spielball von Zahnärzten und Krankenkassen?
Werden Kassenpatienten nun zum Spielball von Ärzten und Krankenkassen? Im Verlauf des Tages veröffentlichten zahlreiche Medien die Schreckensnachricht im Gesundheitssystem: Zahnarztbehandlungen müssten möglicherweise in das nächste Jahr verschoben werden, weil die Budgets einiger gesetzlichen Krankenkassen aufgebraucht seien. Allen voran berichtete die „Bildzeitung“, dass bis zum Ende des Jahres für einige Patienten keine Zahnarzttermine mehr vergeben werden. Nur noch Notfälle, also Patienten die unter akuten Zahnschmerzen oder Entzündungen leiden, werden versorgt. Alle weiteren Behandlungen würden die Zahnärzte quasi aus eigener Tasche bezahlen. Besonders seien Versicherte der AOK Berlin-Brandenburg betroffen. Die Online-Ausgabe der Bildzeitung hatte sich in der Berichterstattung auf die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) bezogen. Dessen Vorsitzender, Jürgen Fedderwitz, hatte gegenüber der Onlineausgabe der Bild geäußert, dass die Budgets in zahlreichen Fällen bereits aufgebraucht seien.
Potentiell seien Millionen von gesetzlich Versicherte betroffen, berichteten die Medien. "Da kann es mit dem Stempel für das Bonusheft schon eng werden", sagte Fedderwitz auch der Nachrichtenagentur DPA. Aus dieser wagen Äußerung schlossen zahlreiche Medien nun, dass die Zahnarztbehandlung für viele Krankenversicherte akut gefährdet sei. Zwar liegt die Vermutung nahe, dass einige Zahnarztpraxen Kassenpatienten lieber ins kommende Jahr verweisen, weil es zu einer Budgetüberschreitung kam, doch was sollten die Zahnärzte in der Zwischenzeit tun? Däumchen drehen? Abwarten, Tee trinken und gegen das Versorgungsgesetz verstoßen?
Ablehnung von Patienten ist illegal
Die Krankenkassen widersprechen einer solchen Darstellung. Denn wenn tatsächlich Zahnärzte Behandlungen in diesem Jahr ablehnen würden, würden sie gegen das Gesetz verstoßen. "Das wäre illegal", sagte ein Sprecher der IKK dem Online Ausgabe des Magazins „Stern“. Aus politischen Gründen dürften Mediziner nicht einfach ihre Praxis schließen. "Ärzte dürfen nicht aus honorarpolitischen Gründen ihre Praxen schließen. Sie sind Vertragspartner der Krankenkassen und zwar ganzjährig" sagte der Kassen-Sprecher weiter.
Der Gesundheitsstaatssekretär Daniel Bahr (FDP) stellte zudem eindeutig klar, dass alle Kassenärzte dazu verpflichtet sind, ihre Patienten umfassend und ausreichend zu behandeln. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung sei ebenfalls dazu gesetzlich verpflichtet, die Behandlungen von Patienten durch die Kassenzahnärzte sicherzustellen. Auch eine Sprecherin des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) stellte klar, dass Zahnärzte gegen das Gesetz verstoßen, wenn sie Behandlungen ablehnten.
Zahnärzte verweigern keine Zahnbehandlungen
Ob sich Zahnärzte aus politischen Gründen tatsächlich weigern, Medizinische Behandlungen durchzuführen, ist quasi fast ausgeschlossen. Hier wurde tatsächlich ein Problem aufgebauscht, dass es so in der Realität nicht gibt. "Uns sind bisher keine Fälle bekannt", heißt es bei der IKK. Auch hätte man bislang keine Überschreitung des Budgets festgestellt. Bei der Knappschaft zeigte man sich indes ebenfalls überrascht. Eine Sprecherin sagte, dass lediglich eine Beschwerde eingegangen sei.“Von einem Massenproblem kann hier wirklich keine Rede sein.", sagte die Kassensprecherin gegenüber dem „Stern“. Auch die AOK bestätigte, dass bislang kein einziger Fall bekannt wurde, bei dem sich ein Arzt weigerte, eine Behandlung vorzunehmen und stattdessen den Termin ins nächste Jahr verlegte. „Die Zahnärzte behandeln offenbar ganz normal weiter“, so die AOK Berlin-Brandenburg.
Vorsorgeuntersuchung weiter weiterhin durchgeführt
Selbst Vorsorgeuntersuchungen sollen auch in diesem Jahr noch durchgeführt werden. „Vorsorgeuntersuchungen werden selbstverständlich auch noch in diesem Jahr durchgeführt“ so ein Sprecher der Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung. Zudem stellte man klar, dass nur verschiebbare Behandlungen in Einzelfällen ins nächste Jahr verlegt werden, „wenn man das verantworten kann", so Günther Buchholz gegenüber „stern.de“. Notfälle und Akutbehandlungen und größer angelegte Versorgungen seien hiervon ausgenommen. Schließlich wolle man nicht verantworten, dass Kassenpatienten finanzielle Nachteile erleiden, wenn Lücken in den Bonusheften vorhanden wären. Offensichtlich bemüht sich Zahnarztvereinigung darum, die Wellen wieder zu glätten, nachdem der Aufschrei groß war.
Wie ist es überhaupt zu dieser Aufregung gekommen?
Wie konnte jedoch diese ganze Aufregung überhaupt entstehen? Nach Ansicht einer AOK-Sprecherin sei dies ein Vorstoß der „Zahnärzte-Lobby“ im Zuge der geplanten Gesundheitsreform. Während Ärzte und Kliniken sich über Honorarsteigerungen freuen können, gehen die Zahnärzte leer aus. „Nur die Zahnärzte haben noch nichts vom Kuchen abbekommen." sagte die AOK Vertreterin. Der Hinweis zeigt allerdings auch, dass Zahnärzte-Verbände nun bemüht sind, höhere Honorare für ihre Ärzte auszuhandeln. Erst am Wochenende hatten die Krankenkassen die steigenden Ärztehonorare heftig kritisiert.
Zahnärzte behandeln ganz normal weiter
Allerdings ist nicht bekannt, dass Zahnärzte sich momentan auf ein solches „Kräftemessen“ einlassen.Patienten können demnach beruhigt sein. Nach Ansicht der Krankenkassen sind die Mediziner vor Ort sehr vernünftig. Die Ärzte wollen schließlich nicht ihre eigenen Patienten verschrecken und halten offensichtlich die politische Auseinandersetzung über höhere Ärztehonorare aus den Zahnarztpraxen heraus. Für die Krankenkassen heißt das, sich auf weitere Verhandlungen mit Ärztevertreter vorzubereiten. Höhere Ärztehonorare könnten zu weiteren Zusatzbeiträgen führen, nicht jedoch zu einer Weigerung von Zahnbehandlungen. (sb)
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Bild: Harry Hautumm / pixelio.de
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