Experten erwarten große Zusammenschlüsse der gesetzlichen Krankenkassen: Laut einer der "Welt am Sonntag" exklusiv vorliegenden Studie der Wirtschaftsberatungsgesellschaft Ernst & Young sei davon auszugehen, dass im Laufe der nächsten Jahre besonders die Anzahl der betrieblichen Versicherungen mehr und mehr zurückgehen und es in fünf Jahren schließlich nur noch etwa 50 gesetzliche Krankenkassen geben werde.
Den Grund für diese Entwicklung macht der Autor der Studie – Andreas Freiling – in einer erneuten Beschleunigung des bereits bestehenden Konzentrationsprozesses aus, wodurch seiner Meinung nach im Jahr 2012 nur noch 100 der derzeit 169 Krankenkassen existieren werden würden und drei Jahre später dann nur noch die bereits erwähnten 50. Eine besonders drastische Minimierung sei dem Autor nach bei den betrieblichen Kassen zu erwarten – so sollen in fünf Jahren nur noch zehn von den aktuell 130 übrig sein. Die Ursache für den steigenden "Konsolidierungs-Boom" sieht Freiling in den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen: Denn erstens ist es im Vergleich zu früheren Zeiten heute generell möglich, als Krankenkasse Insolvenz anzumelden und zweitens ist es seit der Einführung des Gesundheitsfonds und des einheitlichen Beitragssatzes von 14,9 Prozent für die Kassen nicht mehr möglich, einen höheren Finanzierungsbedarf mittels Steigerungen der Beiträge auszugleichen – was dazu führt, dass finanziell schwächere Krankenkassen den Mehrbedarf nun über zusätzliche Beiträge einholen müssen.
Das von Experten vermutete Ende vom Lied: Viele Versicherte werden zu anderen Kassen wechseln, was die Situation immer problematischer werden lässt. Daher überrascht es nicht, dass der Studie zufolge bereits heute nahezu jede zweite der 40 befragten Kassen über einen Zusammenschluss mit anderen Kassen nachdenkt und ein solches Zukunftsmodell für nochmal 33 Prozent der Kassen wenigstens eine Option darstellt – unterstrichen dadurch, dass der größte Anteil der Befragten vormalige Zusammenschlüse als ausnahmslos positiv bewertet, da auf diesem Wege u.a. Einsparungen in Verwaltung und IT und die Optimierung von Arbeitsprozessen stattfinden konnten und eine Fusion eine vorteilhaftere Position z.B. bei Verhandlungen mit Ärzten bedeuten würde.
Blickt man zurück auf den noch recht "frischen" Jahreswechsel, so scheint die Prognose Freilings ziemlich realistisch: Denn so gab es zum Jahresbeginn 2010 bereits elf Fusionen, von denen eine der größten die der Barmer Ersatzkasse mit der Gmünder Ersatzkasse (GEK) war, die als neue "Barmer-GEK" mit einem Marktanteil von knapp 13 Prozent (8,6 Mio. Mitgliedern) die Techniker Krankenkasse überholt hat und nun den bundesweiten Marktführer darstellt. Das diese jüngsten
Zusammenschlüssen jedoch auch für 14 Anbieter die Verabschiedung vom Markt bedeutete, wird seitens der Politik als unproblematisch eingestuft, denn laut der früheren Gesundheitsministerin Ulla Schmidt wären 30 bis 50 gesetzliche Krankenkassen ein "sinnvolles Ziel".
Eine Zusammenlegung sei jedoch nach Freiling immer auch mit dem Wagnis verbunden, dass eine Kasse untergehe, denn "mit der sinkenden Zahl der Marktteilnehmer und der zunehmenden Größe der Fusionspartner steigt die Komplexität" – und dabei nicht zu vergessen natürlich auch Aspekte wie unterschiedliche IT-Systeme oder Unternehmenskulturen, die im
Falle von Fusionen ganz unterschiedlicher Anbieter zu einem "großen Ganzen" zusammengeführt werden müssen. Laut Freiling würden für eine erfolgreiche und abgeschlossene Krankenkassen-Zusammenlegung wenigstens zwei Jahre ins Land gehen, was jedoch aufgrund stark konzentrierter Märkte nicht automatisch eine erfolgreiche Nutzung von Synergien bedeute, sondern vielmehr dem Experten nach folgendes Szenario mit sich bringen würde: "In den kommenden Jahren wird […] die Zahl der missglückten Fusionen stark steigen." (sb, 07.03.2010)
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